Kunst
Eine Punkerin im Bild oder wie ich Fotografin wurde

Junge Punkmusiker:innen treten auf der Bühne auf. © Paula Jürgens

Paula Jürgens

Das Ende der Hauptschule und das Ende der Quarantäne geschahen bei mir zeitgleich und ich fühlte mich völlig verloren in der Welt. Bevor ich auf eine neue Schule ging, gab es eine Zeit, in der ich mich nirgends zugehörig fühlte.

Einige Bekannte von Bekannten von Bekannten machten in den sozialen Medien Werbung für die Live-Veranstaltung der lokalen Jugendband Keskkool (dt. Hauptschule) in der Nunne Õllekoda, und da es nichts Besseres zu tun gab, beschloss ich, hinzugehen. Witzigerweise habe ich es tatsächlich nicht geschafft rechtzeitig anzukommen, sondern bin erst zum letzten Song erschienen. Seitdem liegt mir die jugendliche Punkszene sehr am Herzen. Ich war immer schon ein großer Musikfan und habe mich bereits in relativ jungen Jahren dem in den 2000er Jahren populären Emo- und Alternative-Rock zugewandt. Der Sprung zum Punk war eigentlich ein Prozess, der bereits begann, bevor ich mit der Szene in Berührung kam.

Je mehr Zeit ich bei Live-Shows und Events verbrachte, desto mehr hatte ich das Gefühl, dass ich der Musikszene selbst etwas zurückgeben sollte. Weil ich nicht gut Instrumente spielen kann, habe ich angefangen, von Zeit zu Zeit Tickets zu verkaufen, und mich an jedem ehrenamtlichen Ort gemeldet, der mir einfiel. Gleichzeitig hatte ich mir gerade meine erste Kamera gekauft, weil mir schon lange klar war, dass ich Medien und Kultur studieren wollte. Es war Zeit, mit dem Aufbau eines Portfolios zu beginnen. Das erste Live-Fotoshooting war reiner Zufall, ich hatte die Kamera einfach dabei und es schien nur natürlich, ein paar Bilder zu machen.

Seitdem gehöre ich zu der Sorte von Leuten, die kostenlos Fotos von Veranstaltungen machen. Als Belohnung erhalte ich in der Regel eine Freikarte oder ein Getränk an der Bar. Diese Regelung passt mir, weil ich für meine Arbeit kein Geld verlangen möchte, bis ich selbst das Gefühl habe, dass die Bilder es wert sind. Im Moment tue ich das eher unregelmäßig: Ich tauche spontan bei einem Konzert auf und fotografiere solange ich kann. So mache ich das wieder und wieder.
 
  • Ein Mann tritt auf der Bühne auf. © Paula Jürgens
    Dreamkrusher
  • Ein Mann steht auf der Bühne und singt ins Mikrofon. © Paula Jürgens
    Kalli Talonpoika
  • Ein Mann spielt auf der Bühne Gitarre. © Paula Jürgens
    CC
  • Ein Mädchen spielt Gitarre. © Paula Jürgens
    Keskkool
  • Ein Mann tanzt. © Paula Jürgens
    Der Blick ins Publikum


Die estnische Szene ist oft merkwürdig. Menschen aus dem Ausland beschweren sich viel darüber, dass Social-Media-Plattformen wie TikTok die lokale Musikszene vollständig übernommen haben. In gewisser Weise ist die estnische Punkszene davon verschont geblieben, aber nicht vollständig. Viele haben diese Art von Musik durch die konsequenten Empfehlungen leistungsstarker Algorithmen entdeckt, aber selbst eine solche Person hat die Hoffnung, etwas mehr als Mode-Punk und Edge zu entdecken.
Wenn man die Punkszene in drei Worten beschreiben müsste, könnte man einen Skoone-Songtext zitieren: „süüa, seksi ja suhelda“ (auf Deutsch: essen, Sex haben und quatschen). Tatsächlich ist die Punkszene, obwohl sie angeblich so schrecklich ist, voller talentierter, herzlicher und freundlicher Menschen. Ich kann nur ermutigen, einen Blick auf lokale Live-Shows und Veranstaltungen zu werfen, denn man weiß nie, was einen dort erwartet.
 

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