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Massenmarkt, Häkelnadeln und Ethik

Eine Frau in gehäkelter Kleidung, Rabattzeichen, Häkelnadeln, ausgestreckte Hände. © Natalja Galkina

Ich habe darüber nachgedacht, Kleidungsstücke auf Bestellung zu häkeln, aber da müsste selbst eine kleine Arbeit mehr als 50 Euro kosten, wenn ich den Mindestlohn verdienen möchte. Ein solcher Preis wäre absolut nicht wettbewerbsfähig.

Anastassija Bondarenko

Seit kurzem liegen süße, gehäkelte Tops voll im Trend. Ihr habt sie vielleicht auf schönen Sommerfotos Ihrer Bekannten oder in den Geschäften gesehen. Diesen Winter habe ich ein neues Hobby entdeckt – das Häkeln. Ich habe verschiedene Dinge gehäkelt. Für jedes Teil benötige ich viel Zeit und es erfordert große Anstrengung. Ich habe darüber nachgedacht, Kleidungsstücke auf Bestellung zu häkeln, aber da müsste selbst eine kleine Arbeit mehr als 50 Euro kosten, wenn ich den Mindestlohn verdienen möchte. Ein solcher Preis wäre absolut nicht wettbewerbsfähig. Ein Top, für das ich 70 Euro verlangen würde, kann man im Geschäft für 5 Euro finden und im Sonderangebot sogar für 3 Euro.

Mit der Massenproduktion der Bekleidungsindustrie gehen ethische Probleme einher. Die Textilfabriken befinden sich vielfach in Entwicklungsländern, wodurch es Unternehmen ermöglicht, Menschen für Hungerlöhne in unsicheren Umgebungen arbeiten zu lassen. Das Häkeln mit den eigenen Händen hat mir bewusst gemacht, wie unmenschlich diese Industrie sein kann.

Das Häkeln kann noch nicht von Maschinen übernommen werden – eine solch komplexe Technologie gibt es nicht. Ich häkle zu Hause, im Bett, technisch aber im Grunde genommen genauso wie die Menschen in Bangladesch für den Massenverkauf. Jedes gehäkelte Kleidungsstück ist handgefertigt.

Fürs Stricken wiederum gibt es verschiedene Vorrichtungen zur Entlastung der Arbeiter:innen. Die erste Strickerei wurde 1656 in Frankreich eröffnet. Heutzutage ist der Einsatz solcher Technologien weit verbreitet, da sie den Prozess manchmal beschleunigen. Auf solchen Maschinen werden verschiedene Stoffe und Muster hergestellt, und höchstwahrscheinlich wurde der größte Teil eurer Garderobe genau auf solchen Maschinen hergestellt.

Nehmen wir ein Kleid eines beliebten Labels für den Massenmarkt, das 11,30 US-Dollar kostet. Wir wissen nicht, wie viel die:der Stricker:in für ihre:seine Arbeit erhalten hat. Angenommen, 70 % dieses Betrags – wahrscheinlich ist der Prozentsatz höher – machen Material, Fabrikarbeit, Konzerngewinne und andere Ausgaben aus. Das Stricken eines solchen Kleides dauert etwa 20 Stunden.

Nach Adam Riese macht das:

11,30 × 0,3 = 3,39 (US-Dollar) – das verdient ein:e Stricker:in
3,39/20 = 0.17 (US-Dollar) – Lohn pro Stunde

Stellt euch sich vor, wie viele der Kleidungsstücke, für die 20 Stunden Arbeitsaufwand erforderlich waren, weniger als 20 Stunden getragen und wie viele überhaupt nicht getragen wurden …

Das besagte Kleid wurde in China hergestellt, wo der offizielle Mindestlohn 377 US-Dollar pro Monat beträgt. Um diesen Lohn mit einer solchen Arbeit zu verdienen, müsste man 2218 Stunden arbeiten, ein ganzer Monat hat aber nur ungefähr 720 Stunden.

Beim Häkeln zeigt sich also, wie ethisch problematisch die Massenproduktion in der Modeindustrie ist. Obwohl das Häkeln zu komplex ist, um von Maschinen übernommen zu werden, wurde diese Art der Handarbeit dennoch zu einem Massenprodukt mit für die Arbeiter:innen schlechten Arbeitsbedingungen und Löhnen. Wenn wir Kleidung zu einem angemessenen Preis kaufen, zeigen wir Respekt vor der Arbeit und den Menschenrechten. Auf diese Weise können wir dazu beitragen, die Situation in der Modeindustrie zu verändern. Es ist auch nicht unbedingt notwendig, ständig etwas Neues zu kaufen: Tragt das, was ihr bereits habt, kreiert eure Kleidung selbst, kauft neue Teile in Second-Hand-Läden und achtet auf Nachhaltigkeit.

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