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Was gibt es an einem Schießspiel zu mögen?

Eine Aufnahme aus einem Kriegs-Videospiel mit einem Soldaten. © Bohemia Interactiv

Der Krieg ist das schrecklichste Phänomen, mit dem ein Mensch konfrontiert sein kann. Doch es ist der Mensch, der Krieg führt. Aber wenn man dem Krieg seine Schwere und das damit verbundene Leid nimmt, bleibt so etwas wie ein Spiel übrig.
 

Johann Marga

Ich bin in einem Umfeld aufgewachsen, in dem die Kriegssimulation ein Ort war, an dem ich der Monotonie des Alltags entfliehen und etwas erleben konnte, von dem ich dachte, es sei Geschichte. Ich spiele nicht mehr oft, aber ein Teil von mir sehnt sich immer noch nach rauen Schießspielen wie „Team Fortress 2“, bei denen es nur darum geht, endlose Kugeln auf entfernte Silhouetten zu schießen oder mit einem Scharfschützengewehr präzise auf Köpfe zu treffen. Aber was ist es, das die Menschen an Gewalt so anziehend finden?

Gladiatoren und öffentliche Hinrichtungen – Gewalt als Unterhaltung ist nichts Neues, sondern begleitet die Menschen seit Anbeginn der Gesellschaft. Die Friedfertigkeit der modernen Gesellschaft hat solche Beschäftigungen verdrängt, aber dafür neue geschaffen. Gewaltfilme und Videospiele drehen sich oft um Krieg.

Dabei sind interaktive Computerspiele ein Thema für sich. Das Videospiel ist eine Parallelwelt, in der wir selbst entscheiden können, welche Regeln gelten. Im Spiel können wir eine ungewohnte Realität erleben, wobei wir davon ausgehen, dass wir sie jederzeit verlassen können. Kriegsspiele befriedigen unsere instinktiven Bedürfnisse. Sie ermöglichen es uns, von der Realität unabhängig zu sein, wecken den Wunsch nach Wettbewerb und machen auch ohne größere Anleitung genauso Spaß: Sie ermöglichen uns ein Leben, in dem nichts wichtiger ist, als die Verbesserung unserer Waffensammlung. Außerdem ist die Anzahl an Missionen, Schlachtfeldern und Waffen einfach unendlich.

Es liegt auf der Hand, dass Spielehersteller*innen ebenso wie Filmemacher*innen gerne historische Ereignisse nutzen, um das Angebot an Spielen zu erweitern oder Geschichtsinteressierte anzulocken. An dieser Stelle darf das Spiel "ARMA3" nicht fehlen, das zu den vorbildlichsten Vertretern des militärischen Realismus zählt. Die Palette der Missionen reicht vom Zweiten Weltkrieg bis zum Tschetschenienkrieg, und das ist noch nicht alles. Auch der Krieg in der Ukraine steht wieder auf dieser Liste… Spiele wie "Commando: Modern Operations" konzentrieren sich auf die strategische Seite des Krieges und berücksichtigen sowohl geografische als auch logistische Aspekte. Die Spieler*innen steuern Satelliten, U-Boote und sogar die kleinsten Details, um mehr Putin-experience zu bieten. Aber wenn es im Krieg darum geht, ein gutes Videospiel zu sein, ist Krieg dann ein Spiel? Angesichts des Kults um militärische Technik und Strategie stellt sich die Frage, warum Krieg die Menschen begeistert und warum sie nicht dazu neigen, zu erkennen, was Krieg wirklich ist, wenn sie ihn bequem von zu Hause aus als Unterhaltung betrachten.

Keine Menschen, sondern NPCs

Der Krieg in der Ukraine ist der visuellste Krieg der Geschichte – das meiste wurde mit dem Handy gefilmt und die Clips kursieren schnell im Internet, wo sie analysiert und zu Memes transformiert werden. Die von ukrainischen Soldat*innen verbreiteten Aufnahmen zeichnen ein eher spielerisches Bild des Krieges: Bauern, die Panzer im Wert von Millionen hinter Traktoren herziehen, Bayrakter, die russische Kriegsmaschinen mit himmlischer Leichtigkeit sprengen, leblose russische Uniformierte, die am Boden liegen. Die russischen Soldaten sind dort keine Menschen mehr, sondern NPCs (Non-Playable Characters; dt. nichtspielbare Charaktere).

Als nächstes sehen wir Fotos von ukrainischen Straßen, gesäumt von den Leichen der Bombardierung, zum Opfer gefallene Stadtbewohner*innen, die nirgendwo begraben werden können. Dies ist der Moment, in dem ein Mensch begreift, was Krieg heißt. Wenn man in Frieden lebt, ist es fast unmöglich, sich vorzustellen, wie es sich anfühlt. Aber für einen Moment ist es möglich, sich in die Lage eines anderen Menschen zu versetzen. Die Vorstellung, wie es wäre, einen echten Ego-Shooter zu erleben, wird zu einer schrecklichen Dystopie. Für eine Weile vergisst der/die Zuschauer*in all die amüsanten Dinge über den Krieg in der Ukraine und versucht, die Absurdität irgendwie zu begreifen. Die Freaks in russischen Uniformen werden zu Menschen, die von ihren Liebsten gesucht werden, und die Bayrakter zu grausigen Schlachtmaschinen. Hier enden die Ähnlichkeiten zwischen Krieg und Spiel, und die Notwendigkeit von Kriegsspielen kann in Frage gestellt werden.

Gewalt ist eines der Mittel, mit denen sich das Individuum durchsetzt. Mit Gewalt nimmt er sich, was er will. Egozentrismus ist ein Teil des menschlichen Wesens, der mit der Zeit nicht zu verschwinden scheint, wobei das Schicksal einer Person ebenfalls als ein ständiger Konflikt betrachtet werden kann. Kriegssimulationsspiele sind nicht per se schlecht, besonders wenn der Zweck des Spiels darin besteht, die Person, die es spielt, zu unterhalten und nicht zu schaden. Es ist jedoch problematisch, wenn Kriegsspiele unsere Wahrnehmung des Krieges verzerren.

Niemand sollte sich für den Krieg begeistern, sei es, weil er den strategischen Verlauf eines Krieges, Gefechtsaufnahmen oder militärische Ausrüstung beobachten will. Wenn der/die Spieler*in keine Grenzen kennt, verschwimmen Realität und Simulation und der Krieg nimmt unterhaltsame Formen an.

Videospiele mögen den Krieg auf vulgäre, realistische oder historisch korrekte Weise darstellen, aber sie sind Simulationen, die überhaupt keine Konsequenzen haben. Es besteht die Gefahr, dass eine ähnliche Wahrnehmung des Krieges für eine Person entsteht, die das wirkliche Leid, welches der Krieg bringt, nicht sieht. In der Ukraine handelt es sich jedoch um einen echten Krieg, der in seiner ganzen Realität interpretiert werden muss.

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