Hurrikan-Jäger
Im Auge des Sturms

Im Inneren von Dorian Foto mit freundlicher Genehmigung von Garrett Black /U.S. Air Force

Jeder Hurrikan hat eine Insel der friedvollen Stille: das Auge. Die wenigsten von uns werden ihm jemals persönlich gegenübertreten, aber für Captain Garrett Black von der U.S. Air Force ist das Teil seiner Arbeit. Unsere Autorin Arabelle Liepold sprach mit ihm darüber, wie er buchstäblich die Ruhe inmitten des Sturms erlebt hat.

Arabelle Liepold

Während seiner Kindheit in Kansas waren Tornados für Captain Garrett Black immer Thema, wenn es ums Wetter ging. Seine Faszination für Tornados brachte ihn schließlich dazu, andere Arten von Naturkatastrophen, insbesondere Hurrikane, besser verstehen zu wollen. Heute arbeitet er auf der Keesler Air Force Base in Biloxi, Mississippi.

Als Luftaufklärungswetteroffizier der 53. Wetteraufklärungsstaffel, auch als Hurrikan‑Jäger bekannt, ist er dafür verantwortlich, sein Flugzeug vom Typ WC‑130J so zu steuern, dass er die entscheidenden Daten für das meteorologische Team des National Hurricane Center in Miami sammeln kann. „Diese wertvollen Informationen verbessern letztlich die Intensitätsvorhersage und grenzen den ‚Cone of Uncertainty‘ ein, also die Unsicherheit, wohin sich der Sturm bewegen wird“, erklärt Captain Black. Anders ausgedrückt, nützen diese Daten den Menschen vor Ort, indem sie ihnen genügend Vorlauf geben, sich auf das Unausweichliche vorzubereiten und sich in Sicherheit zu bringen.

Tief durchatmen

Ein wichtiger Faktor, um ins windstille Zentrum des Sturms zu gelangen, ist etwas, das auf keinem der Displays im Cockpit angezeigt wird – man muss innerlich zur Ruhe kommen. Wenn alles andere in Bewegung ist, atmen Captain Black und seine Crew tief durch und lenken ihr Flugzeug durch den Augenwall, den Bereich um das Auge des Hurrikans, bis um sie herum nichts als blauer Himmel und Reglosigkeit sind.

Captain Black beschreibt das Gefühl, sich im Auge eines großen Hurrikans zu befinden, als surreal. „Es gibt einen Moment, in dem man die Macht der Natur sowohl anerkennt als auch fürchtet. Das Wetter ändert sich in der Regel dramatisch, sobald wir den Augenwall verlassen und uns dem Auge des Sturms nähern. Bei großen Hurrikanen klart der Himmel gewöhnlich auf, das Wetter beruhigt sich, und Wind und Druck sinken rapide.“

„Stadioneffekt“

Das geschah auch am 1. September 2019, als die Besatzung direkt in das Auge des Hurrikans Dorian flog, eines Sturms der Kategorie 5, der über die Bahamas mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 350 Kilometer pro Stunde und Sturmfluten von bis zu sieben Metern Höhe hinwegfegte und damit einer der stärksten atlantischen Wirbelstürme war, die bisher auf Land trafen.

Das Bild, das Captain Black mit seiner Kamera aus dem Cockpit schoss, verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Es zeigt die Spitze des Flugzeugpropellers, umgeben von einer riesigen Wolkenwand und einem strahlenden, sonnigen Himmel darüber. In der Wissenschaft wird das als „Stadioneffekt“ bezeichnet, der durch aufgetürmte Gewitter im Augenwall extrem starker Hurrikane entsteht.

  • Dorian von der ISS aus gesehen Foto mit freundlicher Genehmigung der NASA / Christina Koch
    NASA-Astronautin Christina Koch nahm dieses Bild des Hurrikans Dorian auf der Internationalen Raumstation während eines Überflugs am 2. September 2019 auf. Die Station umkreist die Erde in einer Höhe von rund 400 Kilometern.
  • Sicht aus dem All auf das Auge von Dorian Foto mit freundlicher Genehmigung der NASA / Nick Hague
    An Bord der Internationalen Raumstation postete Astronaut Nick Hague dieses Foto des Hurrikans Dorian am 2. September 2019 auf Twitter. Er fügte hinzu: „Man kann die Kraft des Sturms spüren, wenn man von oben in sein Auge blickt. Passt auf euch auf!“
  • Im Inneren von Dorian Foto mit freundlicher Genehmigung der U.S. Air Force / Captain Garrett Black
    Dem Meteorologen und Hurrikan-Jäger der U.S. Air Force Garrett Black gelang am 1. September 2019 eine atemberaubende, seltene Aufnahme vom Auge des Hurrikans Dorian.
  • Garrett Black auf der Keesler Air Force Base Foto mit freundlicher Genehmigung der U.S. Air Force / Tech. Sgt. Ryan Labadens
    Captain Garrett Black, Luftaufklärungswetteroffizier der 53. Wetteraufklärungsstaffel der U.S. Air Force, im Gespräch mit den Medien.
Der Flug durch Dorian war für Captain Black die bisher eindrucksvollste Begegnung mit einem Hurrikan. „Als wir uns in den Sturm begaben, wussten wir, dass er sich zu einem sehr mächtigen Hurrikan entwickeln würde. Das Besondere an Dorian war für mich, dass der Druck bei jedem Durchflug durch das Auge des Sturms rasant fiel, was zeigte, wie sehr Dorian an Stärke zunahm. Aus erster Hand mitzuerleben, wie ein Hurrikan zu einem gewaltigen Wirbelsturm der Kategorie 5 heranwächst, ist eine einzigartige Erfahrung.“

Wird der Flug in Wirbelstürme jemals zur Routine? „Das kommt darauf an“, meint Captain Black. „Wenn es wirklich viele Wirbelstürme in einer Saison gibt, kommt der Punkt, an dem man müde wird und es zu einer Routine werden kann. Dennoch nehme ich mir Zeit, um über die Einzigartigkeit meiner Arbeit nachzudenken und mir die Menschen ins Gedächtnis zu rufen, denen die Daten helfen. Oftmals sind wir so sehr darauf konzentriert, den Auftrag zu erfüllen, dass wir uns erst danach der Außergewöhnlichkeit unserer Mission bewusst werden.“

Man könnte meinen, dass ein Hurrikan‑Jäger außerhalb der Saison zur Ruhe kommt, doch weit gefehlt. „Wenn keine Hurrikan‑Saison ist, erfüllen wir eine Vielzahl anderer Aufgaben, darunter die Erkundung von Winterstürmen, die typischerweise an der Ostküste auftreten, und von atmosphärischen Flüssen, die für wichtige Niederschläge an der Westküste der Vereinigten Staaten verantwortlich sind.“

Wenn Sie sich also das nächste Mal Gedanken über das Stressniveau in Ihrem derzeitigen Job machen, gehen Sie in sich.

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