Buchkritik #15
Charlott liest "Alles dazwischen, darüber hinaus“

Wortlos, aber nicht sprachlos. Für ihre letzte Rezension für #Vorzeichen hat Charlott Maë Schwinghammers autobiografischen Roman Alles dazwischen, darüber hinaus gelesen. Sie ist begeistert davon, wie mitreißend und poetisch der Roman Marginalisierungserfahrungen erzählt und die Komplexität der Hauptperson erfasst.

Zu sehen ist das Portrait einer jungen weißen Frau, die eine Sonnenbrille und Kopfhörer trägt. Im Hintergrund sind Bäume und ein Weg zu erkennen. Oben rechts in der Ecke ist ein halbtransparentes Hashtag-Zeichen und darüber in weiß das Wort Vorzeichen zu sehen. Unten rechts in der Ecke befindet sich das Logo des Goethe-Instituts.  © Charlott Schönwetter Wie eine eigene Sprache finden in einer Welt voller Fremdzuschreibungen? Wie kommunizieren in einer ableistischen Gesellschaft, die sich selten bemüht, Kommunikationsversuche außerhalb der Norm zu verstehen? Wie passend erzählen, wenn die eigene Geschichte auf vielen Ebenen mit Marginalisierungserfahrungen durchdrungen ist? Diesen Fragen nähert sich Maë Schwinghammer im mitreißend und poetisch erzählten Debut-Roman Alles dazwischen, darüber hinaus an.

Der autofiktionale Roman folgt seiner Protagonist*in von der Kindheit bis ins Erwachsenenleben. In Vignetten von meist nur wenigen Seiten wird vom Aufwachsen in der Arbeiter*innenklasse erzählt; vom Leben in Österreich und Sommerbesuchen bei der Familie in Serbien, von Sprachtherapie und den Grenzen von Kommunikation, von Mobbing, Queer- und Transfeindlichkeit. Aber Alles dazwischen, darüber hinaus erzählt auch von der Annäherung an Eltern im Erwachsenenalter, von Freund*innenschaften und dem langen Weg, sich selbst zu finden.

„Wortlos war ich, aber nie sprachlos“, schreibt Schwinghammer in der Danksagung. Besonders eindrücklich im Roman ist, dass viele der Worte, die die Erfahrungen di*er Protagonist*in kategorisieren, wie etwa Autismus und genderqueer, erst sehr spät in der Erzählung eingeführt werden. Davor finden sich die Wiedergaben von Beschimpfungen oder auch eher missachtende Diagnosen in der Kindheit – und natürlich die dichten Beobachtungen –, nah an di*er Protagonist*in. Durch diesen Aufbau wird deutlich, dass diese konkreten Worte/ Konzepte für di*er Protagonist*in wichtig werden zur besseren Einordnung des eignen Erlebens, aber wer genau zuhört (oder mit eigenen Erfahrungen anschließen kann), braucht die konkreten Begriffe nicht, denn alles ist schon da in den kleinen Anekdoten und Gefühlsdarstellungen.

Alles dazwischen, darüber hinaus fasst viele Themen an, ohne dass dies zu viel erscheint. Vielmehr erlaubt der Roman so eine*r ganz besonderen Protagonist*in mit aller Komplexität in den Mittelpunkt zu rücken, di*er ich in der deutschsprachigen Literatur bisher kaum begegnet bin.
 

Eine Hand hält den Roman "Alles dazwischen, darüber hinaus" vor einem Bücherregal. © Charlott Schönwetter