Buchkritik #2
Yeama liest "Weiße Wolken"

Yeama hat für #Vorzeichen Weiße Wolken von Yandé Seck gelesen. Das Buch ist im Februar im KiWi-Verlag erschienen. Was es mit der Metapher der weißen Wolken auf sich hat, erfahrt ihr in Yeamas Rezension. 

Zu sehen ist das Portrait einer jungen Schwarzen Frau, die vor einer Hecke mit grünen Blättern und rosa Blüten steht. Oben links in der Ecke ist ein halbtransparentes Hashtag-Zeichen und darüber in weiß das Wort Vorzeichen zu sehen. Unten rechts in der Ecke befindet sich das Logo des Goethe-Instituts. © Josiane A.-H.
Der Debütroman Weiße Wolken von Yandé Seck reißt mich sofort mitten ins Geschehen: Vor meinem inneren Auge erscheint der “zu einer Haube aus goldbrauner Zuckerwatte” gewachsene Afro von Zazie. Im Hintergrund höre ich ein Sprachengemenge aus Deutsch, Französisch und Wolof. Plötzlich bin ich wieder in Frankfurt angekommen.

Yandé Seck legt ein gelungenes Debüt im popliterarischen Gewand vor, denn wir springen von einer Momentaufnahme voller popkultureller Referenzen in die nächste und wechseln zwischen den Perspektiven von Dieo, Zazie und Simon. Die dreifache Mutter Dieo arbeitet sich am bürgerlichen Familienideal ab und versucht, ihre Ausbildung zur Psychoanalytikerin, den massiven Mental Load und ihre Ehe mit Simon so gut es geht auszubalancieren. Ihre jüngere Schwester Zazie versteht ihr Schwarzsein als politische Kategorie, hat gerade ihren Master abgeschlossen und würde am liebsten alle -ismen dieser Welt bekämpfen. Simon, der weiße Ehemann von Dieo, arbeitet als Angestellter in einem Finanz-Start-up und möchte so vieles sein, aber auf keinen Fall zu spießig wirken. Durch den plötzlichen Tod des Vaters der beiden Schwestern gerät das fragile Familiengefüge ins Wanken.
 

Transparentes weißes Buchcover im Hintergrund, dasselbe Cover in klein im Vordergrund. Buchcover © KiWi Verlag


Yandé Seck zeigt gewitzt und klug auf, wie sich Ambivalenzen in Identitäten verhalten. Sie zeichnet dabei ein komplexes Bild von Wirklichkeit, das Platz lässt für viele Schattierungen. Wir können die weißen Wolken – »die Spuren, die unsere sogenannte Identität bei uns hinterlässt« – in jeder Figur erkennen. Diese schöne Metapher teilt Zazie mit uns und Simon in einer amüsanten Cafészene und gibt dem sehr gegenwärtigen Roman seinen Titel. Es werden Fragen nach Zugehörigkeit und Familiendynamiken gestellt und die Antworten darauf lassen sich vor allem im Kleinen und Unausgesprochenen finden. Eines fällt im Schreiben von Seck besonders auf. Sie beherrscht die Partitur der kaum wahrnehmbaren Gefühle gekonnt, wenn sie uns die Distanz oder Nähe zwischen Figuren fühlen lässt, ohne sie explizit zu benennen.