Fotoreportage Hier lebte Franz Kafka

Auf Kafkas Spuren durch Prag: Wo hat Franz Kafka gelebt und gearbeitet, wo verbrachte er seine Freizeit? Eine Foto-Tour.

Es wäre ein Fehler, Franz Kafka auf die hunderttürmige tschechische Hauptstadt zu beschränken. Denn wo bleibt dann Zürau, jenes böhmische Dorf, wo er sich gerne auf dem Landsitz seiner Schwester aufgehalten hat? Wo bleibt das mährische Dorf Triesch, wo er seine Ferien zu verbringen pflegte? Wo bleiben Weimar, Paris, Lugano oder Brescia und all die anderen Orte, die er allein oder mit seinem Freund Max Brod besucht hat? Und was ist mit Berlin, Wien oder dem berüchtigten Kierling?

Doch so wie wir die Geschichte eines bestimmten Menschen nie vollständig erzählen können, können wir auch nicht alle seine Spuren aufzeichnen. Bleiben wir also im guten alten Prag. Wie Kafka über seine Heimatstadt schrieb: Dieses Mütterchen hat Krallen. Und es muss betont werden, dass diese „Krallen" nach über hundert Jahren genauso stark und mit Geschichten gefüllt sind. Sie packen einen und lassen nicht mehr los, unabhängig davon, ob man ein gebürtiger Prager, ein Einwanderer oder ein Tourist ist.

Häuser, Wohnungen, Cafés, Kinos, Büros und hier und da ein zweifelhaftes Etablissement: Wie jeder Mensch hat Franz Kafka gelebt, gearbeitet und geliebt. Werfen wir nun einen Blick darauf. Wir laden Sie zu einem historischen und architektonischen Spaziergang durch das alte Prag ein.

Haus am Turm

Franz-Kafka-Platz 3 Haus am Turm, Franz-Kafka-Platz 3 Haus am Turm, Franz-Kafka-Platz 3 | Foto: Petr Machan; © Goethe-Institut Tschechien Fangen wir mal an, Prag genau so zu entdecken, wie Franz Kafka es getan hat. Hier, in diesem Eckhaus am Rande des Altstädter Ringes, wurde Franz Kafka geboren. Oder auch nicht: Wenig ist in der hunderttürmigen Stadt so, wie es auf den ersten Blick scheint, und hier, auf dem heutigen Franz-Kafka-Platz, gilt das gleich doppelt.

Kafka wurde am 3. Juli 1883 im Barockhaus Am Turm (es geht um den Turm der benachbarten St.-Nikolaus-Kirche) geboren, und am achten Tag nach seiner Geburt wurde er hier auch, nach jüdischem Brauch, beschnitten. Seine ersten Schritte konnte er hier allerdings nur begrenzt machen: Bereits 1885, als Franz zwei Jahre alt war, zog die Familie um. Grund dafür war die Sanierung des benachbarten Josefov, eines jüdischen Ghettos, dem auch das Barockhaus Am Turm zum Opfer fiel. Einige Jahre später wurde jedoch ein ziemlich originaltreuer Nachbau errichtet: Obwohl er einige Meter weiter hinten steht und etwas höher ist als das ursprüngliche Haus, wurden das ursprüngliche Barockportal und der Balkon in das neue Gebäude integriert. Also ja und nein: Kafka wurde zwar nicht in diesem Eckhaus geboren, aber sein Weg in die Welt führte durch das schöne Portal, das Sie auf dem Foto sehen.

Das Haus zur Minute

Altstädter Ring 2
Haus zur Minute, Altstädter Ring 2 Haus zur Minute, Altstädter Ring 2 | Foto: Petr Machan; © Goethe-Institut Tschechien Die Kafkas zogen noch durch ein paar andere Wohnungen, dann aber landeten sie nicht weit weg: nur 190 Meter entfernt vom Haus am Turm, etwa drei Minuten Fußweg. Sie fanden ein Zuhause in dem spätgotischen Haus Zur Minute (Bildmitte). Heute besticht es durch sein schönes Renaissance-Sgraffito aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, aber Kafka kannte es als Kind nicht so; damals war es noch weiß getüncht.

Alle drei Schwestern Kafkas, Gabrielle (Elli), Valerie (Valli) und Ottilie (Ottla), wurden kurz hintereinander in diesem Haus geboren, dessen Name vom italienischen al minuto (es wurden hier kleine Waren verkauft) stammt. Und wahrscheinlich war es auch die hiesige Pawlatsche, auf die der kleine Kafka eines Nachts zur Strafe hinausgeschubst wurde, ein Erlebnis, das er viele Jahre später in seinem berühmten und nie abgeschickten Brief an den Vater beschrieben hat.

Und noch eine Erinnerung: Im September 1889 ging Franz Kafka von hier aus zum ersten Mal zur Schule. Es war kein langer aber ein durchaus anstrengender Weg: Den großen Platz überquerte er noch, aber in den verwinkelten gotischen Gassen rund um die Teynkirche fing der kleine Franz an, die Köchin (der Familie), die ihn zur Schule brachte, am Rock zu packen und sich an den Hausecken festzuhalten – er hatte Angst, zur Schule zu gehen, obwohl er eigentlich keinen Grund dazu hatte. Lesen Sie seine Briefe an Milena, in denen er seine Schulwege sehr schön beschreibt.

Das Haus bei den Drei Königen

Celetná 3
Haus bei den Drei Königen, Celetná 3 Haus bei den Drei Königen, Celetná 3 | Foto: Petr Machan; © Goethe-Institut Tschechien Als Kafka neun Jahre alt war, zog er erneut um. Diesmal jedoch nicht an einen völlig unbekannten Ort. Kafkas Vater Hermann betrieb seit 1887 im Erdgeschoss des Dreikönigshauses (manchmal auch Haus bei den drei Königen genannt) einen Geschäftsladen und ein Lager; Geschäftsräume befinden sich auch heute noch im Haus. Wir wissen, dass Franz Kafka hier sehr oft war (schließlich sind es kaum zwei Minuten Fußweg vom Haus Zur Minute). Später zog die Familie ganz hierher um, in den zweiten Stock, wo sie eine Sechs-Zimmer-Wohnung bewohnte.

Kafka verbrachte hier seine gesamte Gymnasial- und Studienzeit. Die tschechische Gouvernante seiner Schwestern erinnerte sich: „Der junge Herr war groß, schlank, von ernster Natur, er redete nicht viel … die Tür seines Zimmers war immer offen. Neben der Tür stand ein Schreibtisch, darauf lag ein zweibändiges römisches Recht.“ Und auch Reiner Stach erinnert sich im Kapitel Verführungen des ersten Bandes seiner Kafka-Trilogie mit dem Titel Kafka: Die frühen Jahre an das römische Recht, ein zweibändiges Faszikel von fast 2.500 Seiten. Es ist dieses Buch, das Kafka dazu gebracht haben soll, etwas anderes als juristische Phrasen zu lernen. Von seinem Platz vor dem Lehrbuch aus, das auf einem Tisch am offenen Fenster lag, soll er oft auf die Celetná-Straße hinuntergeschaut haben, wo sich ein Bekleidungsgeschäft mit einer hübschen Verkäuferin befand. Die Verkäuferin schaute sich nach dem hübschen Studenten im Fenster um. Der Rest ist Klatsch und Tratsch, aber eines ist sicher: Die liebe Verkäuferin gehörte letztendlich nicht zu Kafkas schicksalhaftem Vierergespann von Frauen.

Palais Hrzan von Harras

Celetná 12
Palais Hrzan von Harras, Celetná 12 Palais Hrzan von Harras, Celetná 12 | Foto: Petr Machan; © Goethe-Institut Tschechien Im Jahr 1906 zog Hermann Kafka wiederum mit seinem Geschäft und einige Jahre später mit seiner ganzen Familie um. Man kann nicht einmal sagen, dass es um die Ecke war – schließlich war es kaum über die Straße, nur etwa 60 Meter weit entfernt. Das Palais Hrzan von Harras, ein hochbarocker Bau des Architekten Giovanni Battista Alliprandi mit romanischen Fundamenten und gotischem Kern, wurde 1907 Franz Kafkas Wohnsitz.

Zu dieser Zeit hatte Kafka bereits die Beschreibung eines Kampfes (1904/05) geschrieben und arbeitete an der Kurzgeschichte Hochzeitsvorbereitungen auf dem Lande (1907/1908). Die Celetná-Straße 12 war auch seine Wohnadresse, als er zum Beispiel das Interview mit einem Betrunkenen (1909) schrieb (und veröffentlichte!) oder als er im Rahmen seiner Italienreise mit Max Brod den Bericht Die Aeroplane in Brescia (1909) verfasste.

Palais Goltz-Kinsky

Altstädter Ring 3
Palais Goltz-Kinsky, Altstädter Ring 3 Palais Goltz-Kinsky, Altstädter Ring 3 | Foto: Petr Machan; © Goethe-Institut Tschechien Im Oktober 1912 zog Hermann Kafka zum letzten Mal mit seinem Geschäft um. Auch diesmal war es nicht weit, dafür ging es nun allerdings zu einer sehr prestigeträchtigen Adresse: ins Palais Goltz-Kinsky, direkt am Altstädter Ring. Es war übrigens derselbe Palast, in dem Kafkas Eltern ihre Hochzeit gefeiert haben und in dem sich auch das Deutsche Gymnasium befand, welches Franz Kafka besuchte.

Der Altstädter Ring (damals noch Großer Ring) war das Zentrum Prags und hier an bester Adresse zu wohnen – oder zu arbeiten – war ein Zeichen von Erfolg und sozialer Errungenschaft. Für Kafkas Mutter, Julia geborene Löwy, war das hier nichts Neues – ihre Familie lebte schon lange an diesem Platz und sie selbst war hier aufgewachsen. Aber für Hermann Kafka, einen Kaufmann aus einer armen Familie in Südböhmen, war es eine Bestätigung seines gesellschaftlichen Aufstiegs, hier oder in unmittelbarer Nähe zu wohnen.

Haus Zum Schiff

Pařížská-Straße 36
Haus Zum Schiff, heute Hotel Intercontinental, Pařížská-Straße 36 Haus Zum Schiff, heute Hotel Intercontinental, Pařížská-Straße 36 | Foto: Petr Machan; © Goethe-Institut Tschechien Im vierten Stock des neuen Jugendstilhauses Zum Schiff wohnten Franz Kafka und seine Familie zwischen 1907 und 1913. Das Haus wurde auf den Ruinen des ehemaligen jüdischen Ghettos errichtet, nur wenige hundert Meter vom Altstädter Ring entfernt. Heute würden wir dort weder sie noch das Haus finden, das den Ereignissen des Zweiten Weltkriegs zum Opfer fiel, genauer gesagt dem Prager Aufstand vom Mai 1945, als die Nazis die Pařížská-Straße und den Altstädter Ring von den gegenüberliegenden Hügeln der Letná aus beschossen. Seit 1974 steht an dieser Stelle das brutalistische Hotel Intercontinental.

Im September 1912 schrieb Franz Kafka hier in einer Nacht seine Kurzgeschichte Das Urteil. Und im selben Jahr entstand hier ein weiteres Werk: Die Verwandlung. Liest man es aufmerksam und vergleicht es mit dem, was wir über die Kafka-Wohnung im Haus Zum Schiff wissen, so stellt man fest, dass es genau dort spielt. Die berühmte Wohnung mit Kafkas Durchgangszimmer, in der Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, gibt es jedoch nicht mehr. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass der Ort, an dem Die Verwandlung geschrieben wurde, selbst längst bis zur Unkenntlichkeit verwandelt worden ist.

Oppelts Haus

Altstädter Ring 5
Oppelts Haus, Altstädter Ring 5 Oppelts Haus, Altstädter Ring 5 | Foto: Petr Machan; © Goethe-Institut Tschechien An der Ecke des Altstädter Ringes und der ehemaligen Mikulášská-Straße, der heutigen Pařížská-Straße, steht das prächtige Oppelt-Haus. Kafkas Familie zog 1913 dort ein, doch Kafka weilte nur mit zunehmenden Unterbrechungen hier. Kein Wunder – er war zu diesem Zeitpunkt bereits dreißig Jahre alt. Zeit, ein wenig unabhängiger zu werden.

Nach dem Ausbruch seiner Krankheit im Jahr 1917 kehrte er von Zeit zu Zeit in die Wohnung seiner Eltern zurück, die nur 100 Meter von seinem Geburtshaus entfernt lag. Einmal zeigte er seinem Hebräischlehrer Friedrich Thieberger den Blick aus dem Fenster vom Oppelt-Haus und sagte: „Hier war mein Gymnasium, dort in dem Gebäude, das herübersieht, die Universität und ein Stückchen weiter links hin mein Büro. In diesem kleinen Kreis“ – und mit seinem Finger zog er ein paar kleine Kreise – „ist mein ganzes Leben eingeschlossen“.

Prager Burg

Goldenes Gässchen 22
Prager Burg, Goldenes Gässchen 22 Prager Burg, Goldenes Gässchen 22 | Foto: Petr Machan; © Goethe-Institut Tschechien Einer der Orte in Prag, die fest mit Franz Kafka verbunden sind – und die daher ein entsprechender Touristenmagnet sind – ist das charmante Häuschen im Goldenen Gässchen Nummer 22, direkt auf dem Gelände der Prager Burg. In der engen Gasse wohnten früher Mitglieder der Burgwache, angeblich auch Alchimisten, die Gold herstellten, und später eine Reihe von Künstlern und Schriftstellern: zum Beispiel Gustav Meyrink, der hier die Handlung seines Golem ansiedelte.

Im Sommer 1916 mietete Kafkas Schwester Ottla das Haus Nr. 22, überließ es aber ihrem Bruder, der etwa von November 1916 bis März 1917 hier her kam, um zu schreiben. Er suchte Ruhe, denn seine Junggesellenwohnung im Haus Beim Goldenen Wels in der Dlouhá-Straße bot nicht die nötige Stille. Und was hat er hier geschrieben? Im Schatten der St.-Wenzels-Kathedrale, mitten im Herzen der pulsierenden Hauptstadt, schuf er ein Werk, das ganz und gar unstädtisch war: eine Sammlung von Kurzgeschichten mit dem Titel Der Landarzt. Das Vorbild für den Arzt war übrigens sein Onkel mütterlicherseits, Siegfried Löwy.

Palais Schönborn

Tržiště 15
Palais Schönborn, Tržiště 15 Palais Schönborn, Tržiště 15 | Foto: Petr Machan; © Goethe-Institut Tschechien „Zu jener Zeit etwa kam ich aus München mit neuem Mut zurück, ging in ein Wohnungsbüro, wo mir als erstes fast eine Wohnung in einem der schönsten Palais genannt wurde. Zwei Zimmer, ein Vorzimmer, dessen eine Hälfte als Badezimmer eingerichtet war. Sechshundert Kronen jährlich. Es war wie die Erfüllung eines Traumes. Ich ging hin. Zimmer hoch und schön, rot und gold, wie etwa in Versailles. Vier Fenster in einen ganz versunken stillen Hof, ein Fenster in den Garten. Der Garten! Wenn man in den Torweg des Schlosses kommt, glaubt man kaum, was man sieht,“ schrieb Kafka an Felice Bauer im Winter 1916/1917.

Seine Begeisterung kühlte sich allerdings bald ab: Er bekam zwar eine Wohnung im Palais Schönborn, einem prächtigen Barockbau aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, aber eine andere. Sie war etwas kleiner, leicht gemütlicher, im zweiten Stock und mit Blick auf die Straße: „Ich bekomme jene Gassenwohnung um sechshundert, allerdings ohne Möbel, auf die ich gerechnet hatte. Es sind zwei Zimmer, ein Vorzimmer. Elektrisches Licht ist da, allerdings kein Badezimmer, keine Wanne, aber ich brauche sie auch nicht.“ Als er ein kleines geliehenes Bett in das große Zimmer des Barockschlosses stellte, wurde es ihm ungemütlich und er blieb dort nur von März bis September 1917. Dann kehrte er in die elterliche Wohnung im Oppelt-Haus zurück und schrieb am 2. September 1917 an seine Schwester Ottla: „Also übersiedelt. Die Fenster im Palais zum letzten Mal geschlossen, die Tür abgesperrt, wie ähnlich das dem Sterben sein muß.“

Seit 1924 beherbergt der Palast die US-Botschaft.

Assicurazioni Generali

Wenzelsplatz 19
Assicurazioni Generali, Wenzelsplatz 19 Assicurazioni Generali, Wenzelsplatz 19 | Foto: Petr Machan; © Goethe-Institut Tschechien Als Franz Kafka 24 Jahre alt war, schlug er eine Beamtenlaufbahn ein. Er hatte einen frischen Doktortitel in Jura in der Tasche, aber im Kopf – und auch im Herzen – hatte er noch eine recht vage Vorstellung von seiner Zukunft. Da kam ein weiterer Onkel mütterlicherseits ins Spiel: Der einflussreiche Direktor der Madrider Eisenbahnen, Alfred Löwy, verschaffte Franz eine Stelle in der Prager Niederlassung der italienischen Versicherungsgesellschaft Assicurazioni Generali.

Voller Optimismus (im Rahmen seiner Möglichkeiten) betrat Franz Kafka das prächtige neobarocke Gebäude am Wenzelsplatz, das die Versicherungsgesellschaft bei Friedrich Ohmann in Auftrag gegeben (und von Osvald Polívka umbauen lassen) hatte. Doch schon bald ging ihm die Anstellung auf die Nerven: Er beklagte sich vor allem über den Mangel an Freizeit und träumte davon, dass sein Onkel in Madrid ihm eine andere, bessere, exotischere Arbeitsstelle besorgen könnte: am besten irgendwo in Übersee. Doch dazu kam es nicht, und nach neun Monaten kündigte Kafka seinen Job (angeblich aus gesundheitlichen Gründen) und ging nicht nach Übersee sondern nur ein paar Straßen weiter, zur Arbeiter-Unfall-Versicherungsgesellschaft des Königreichs Böhmen.

Kino Ponrepo

Karlova-Straße 20
Das ehemalige Kino Ponrepo, Karlova-Straße 20 Das ehemalige Kino Ponrepo, Karlova-Straße 20 | Foto: Petr Machan; © Goethe-Institut Tschechien Es war längst nicht nur die Arbeit, für die Kafka lebte. Wie wir aus dem Buch Kafka geht ins Kino des deutschen Publizisten Hanns Zischler wissen (ein Auszug wird in dem Artikel Kafka im Kino von Alice Aronová vorgestellt), war Franz Kafka ein begeisterter Kinoliebhaber. Und in welches Kino ging er? Unter anderem in das allererste Lichtspielhaus, das in Prag eingerichtet wurde. Ab 1907 befand es sich in der Karlova-Straße 20, in der Nähe der berühmten Karlsbrücke, in einem schönen hellblauen Haus namens Beim Blauen Hecht.

Dieses erste Prager Kino hieß Ponrepo und wurde von dem Illusionisten Viktor Ponrepo (der eigentlich Dismas Šlambor hieß) betrieben. Das Kino gibt es an der Adresse heute nicht mehr, aber das Ponrepo-Kino existiert immer noch, nur ein paar Straßen weiter. Auch wenn Franz Kafka die heutige Adresse in der Bartolomějská-Straße nicht mehr aufsuchen konnte, ist er dort noch heute präsent: Das vom Tschechischen Nationalen Filmarchiv betriebene Kino widmet sich Kafka gerne von Zeit zu Zeit auf der Leinwand. Zum Beispiel durch die Vorführung von Kafkas Lieblingsfilmen wie Die weiße Sklavin (Den hvide sklavehandel, 1911). Dies natürlich mit Unterstützung des Goethe-Instituts.

Cafe Arco

Dlážďěná-Straße 6
Cafe Arco, Dlážďěná-Straße 6 Cafe Arco, Dlážďěná-Straße 6 | Foto: Petr Machan; © Goethe-Institut Tschechien Das imposante Eckgebäude in der Nähe des heutigen Masaryk-Bahnhofs (damals Staatsbahnhof Prag) wurde 1907 von dem Cafébesitzer Josef Suchánek erbaut und teilweise als Café eröffnet. Schon bald traf sich in seinen Mauern die nach dem Gebäude benannte Prager deutschsprachige literarische Gesellschaft.

Zum Café Arco gehörten viele deutschsprachige Autoren wie Egon Erwin Kisch, Franz Werfel, Oskar Baum und Max Brod, der seinen Freund Franz Kafka einlud. Letzterer hielt sich hier gerne auf, kam aber im Gegensatz zu den Genannten eher unregelmäßig. Dennoch ist er heute die erste Person, an die sich die Prager im Zusammenhang mit dem Café Arco erinnern. So hat es Kafka geschafft, beispielsweise die Erinnerung an Albert Einstein zu verdrängen, der während seines Aufenthalts in Prag in den Jahren 1911 und 1912 oft im Acro verkehrte.

Salon GoGo

Kamzíkova 6
Haus zum Roten Pfau, Kamzíkova 6 Haus zum Roten Pfau, Kamzíkova 6 | Foto: Petr Machan; © Goethe-Institut Tschechien Das tschechische Nationainstitut für Denkmalpflege beschreibt das Haus Beim Roten Pfau als einen klassischen Neubau, der nach den Plänen von Jan Maxmilian Heger 1836 an der Stelle zweier kleiner mittelalterlicher Häuser errichtet wurde. Was jedoch nicht erwähnt wird, ist, dass es seit 1866 eines der berühmtesten Prager Bordelle beherbergte, das auch von vielen Persönlichkeiten, darunter Franz Kafka, nicht gemieden wurde.

Der Gogo-Salon, benannt nach seinem ersten Betreiber, Abraham „Gogo“ Goldschmied, liegt zwar zentral (Hermann Kafkas Geschäft am Altstädter Ring ist nur drei Gehminuten entfernt), aber – wie es sich für ein Etablissement dieses Rufs gehört – schön versteckt in der verwinkelten und unscheinbaren Kamzíkova-Straße. Dem Straßennamen nach (Kamzík bedeutet Gämse auf Tschechisch) witzelten die Gäste übrigens darüber, dass sie ins Haus Beim Roten Pfau auf „Gamsjagd“ gehen, womit sie den Besuch leichter Frauen meinten. Wir wissen nicht, wie viele „Gämsen“ Franz Kafka in diesem Haus gejagt und gefangen hat. Dass er dem Nachtleben in Etablissements wie GoGo, Trocadero oder Eldorado nicht abgeneigt war, erzählte er uns allerdings selber. „Ich ging an dem Bordell vorüber, wie an dem Haus einer Geliebten“, schrieb er zum Beispiel am 1. Januar 1910 in sein Tagebuch.

Arbeiter-Unfallversicherungs-Anstalt

Na Poříčí 7
Arbeiter-Unfallversicherungs-Anstalt, Na Poříčí 7 Arbeiter-Unfallversicherungs-Anstalt, Na Poříčí 7 | Foto: Petr Machan; © Goethe-Institut Tschechien Franz Kafka verbrachte jedoch die meiste Zeit seines Lebens weder in Cafés noch in Puffs. Und auch nicht auf seinen Reisen außerhalb Prags, obwohl er sicherlich dazu geneigt gewesen wäre. Nein, einen Großteil seiner Zeit musste er der Arbeit widmen und leider nicht dem Schreiben.

Nachdem er die Assicurazioni Generali verlassen hatte, war Kafkas Arbeitsplatz für die nächsten (und letzten) 14 Jahre seines Lebens das neobarocke Gebäude der Arbeiter-Unfall-Versicherungsanstalt für das Königreich Böhmen. Es war das größte Finanzinstitut der Österreichisch-Ungarischen Monarchie, das sich mit Unfallversicherungen befasste. Kafka hatte etwa 260 Kolleginnen und Kollegen, Tschechen und Deutsche: Nur drei Juden arbeiteten dort zum Zeitpunkt seiner Anstellung. Während Kafka im Laufe der Jahre in der Hierarchie aufstieg, sank die Lage seines Büros: Zunächst saß er im vierten Stock, nach seiner Ernennung zum stellvertretenden Sekretär hatte er aber sein Büro im ersten Stock, gleich neben dem Büro des Direktors. Übrigens ist das Gebäude heute ein Hotel, das sich seiner mit Kafka verbundenen Vergangenheit wohl bewusst ist.

Neuer jüdischer Friedhof

Izraelská-Straße 1
Neuer jüdischer Friedhof, Izraelská-Straße 1 Neuer jüdischer Friedhof, Izraelská-Straße 1 | Foto: Petr Machan; © Goethe-Institut Tschechien Der Lebensweg von Franz Kafka endete am 3. Juni 1924 in Kierling bei Wien. Am achten Tag nach seinem Tod wurde sein Leichnam auf dem Neuen Jüdischen Friedhof in Prag beigesetzt, fast genau fünf Kilometer von dem Ort entfernt, an dem Kafka am 3. Juli 1883 geboren wurde. Einige Jahre später wurden auch die sterblichen Überreste seiner Eltern in demselben Grab beigesetzt. Der Friedhof ist für die Öffentlichkeit zugänglich, so dass Sie einen kleinen Stein auf Kafkas Grab als jüdisches Andenken niederlegen können.

Franz-Kafka-Denkmal

Dušní-Straße 1
Jaroslav Róna, Franz-Kafka-Denkmal, Dušní-Straße 1 Jaroslav Róna, Franz-Kafka-Denkmal, Dušní-Straße 1 | Foto: Petr Machan; © Goethe-Institut Tschechien In ganz Prag gibt es zahlreiche Erinnerungen an Franz Kafka. Dazu gehören eine Gedenktafel an Kafkas Geburtshaus, Zeichnungen im Inneren des Hotels Century, der ehemaligen Arbeiter-Unfall-Versicherungsanstalt, eine drehbare Skulptur des Kopfes von Franz Kafka von David Černý im Kaufhaus Quadrio oder das Franz-Kafka-Museum in der Cihelná-Straße 635.

Betrachten wir eines der Denkmäler genauer: das Bronzedenkmal für Franz Kafka, das seit 2003 in der Nähe der Spanischen Synagoge steht. Es wurde für die Franz-Kafka-Gesellschaft von dem berühmten tschechischen Bildhauer Jaroslav Róna geschaffen, der sich von einem Zitat aus Die Beschreibung eines Kampfes inspirieren ließ: „Schon sprang ich mit ungewohnter Geschicklichkeit meinem Bekannten auf die Schultern und brachte ihn dadurch, daß ich meine Fäuste in seinen Rücken stieß, in einen leichten Trab.“