Kafkaesk Kafkas Spuren in der tschechischen Sprache
Das Wort „kafkaesk“ kennt fast jede und jeder. Im Tschechischen gibt es darüber hinaus eine ganze Reihe weiterer Kafka-Vokabeln – wie etwa „unterkafkafiziert“.
Wenn wir im Duden, den deutschen Rechtschreibregeln, unter dem Buchstaben „k“ nachschauen, springt uns unter Anderem der charmante Begriff kafkaesk entgegen. Das Wort ist im Sinne von „auf unergründliche Weise bedrohlich“ zu verstehen und hinter der Bedeutung kommt auch gleich die Erklärung, dass der Ursprung beim österreichischen Schriftsteller F. Kafka (1883–1924) liegt.Lassen wir nun das „österreichisch“ beiseite (wogegen viele sicher Vorbehalte haben) und freuen wir uns darüber, dass das Wort kafkaesk überhaupt im Duden steht, und zwar schon seit 1973. Das ist sicherlich eine große Anerkennung für den Prager Schriftsteller, denn schließlich gibt es im Deutschen kein goethesk oder schilleresk. Auch in anderen Sprachen findet man diesen Begriff: kafkaesque heißt es im Englischen, kafkaïen im Französischen, kafkowski im Polnischen und sogar im Schwedischen gibt es kafkaartad.
Die vermutlich größten Spuren hat Franz Kafka allerdings in der tschechischen Sprache hinterlassen. Meistens handelt es sich dabei zwar um umgangssprachliche Ausdrücke und Wortspiele, die die tschechische Grammatik zulässt, aber insbesondere der Ausdruck kafkárna hat es sehr weit gebracht und wird von vielen tschechischen Muttersprachler*innen fast täglich verwendet. Wie Sie richtig erraten haben, ist kafkárna (im Gegensatz zu kafkaesk) ein Substantiv. Es ist femininum und bezeichnet eine absurde Situation oder eine Institution mit überbordender Bürokratie, in der man sich wie im Irrenhaus fühlen kann.
„Was für eine kafkárna“, sagt zum Beispiel eine Klientin beim Arbeitsamt, die von einem Schalter zum anderen gejagt wird. „Du kannst dir so eine kafkárna gar nicht vorstellen“, erzählt ein Freund einem anderen, wenn er die unlogischen Verhältnisse an seinem Arbeitsplatz beschreibt. Übrigens kennt die tschechische Sprache auch das Wort švejkárna im Sinne von „das Sichdrücken vor Aufgaben“ oder „das Sichlustigmachen über den Vorgesetzen“. Wer hier eine Anspielung auf den braven Soldat Josef Schwejk, eine literarische Figur aus den Büchern von Jaroslav Hašek, hört, liegt richtig.
Aber zurück zu Kafka: Wenn es irgendwo zu viel von ihm gibt (was zum Beispiel in Prager Souvenirläden passieren kann), kann man sagen, dass es da překafkováno ist, also „überfüllt mit Kafka“. Wenn es dagegen zu wenig Franz Kafka gibt, kann man sagen, dass es podkafkováno oder auch nedokafkováno ist (es ist „unterkafkafiziert“, nicht ausreichend mit Kafka erfüllt). Im Wörterbuch der tschechischen Schriftsprache werden Sie keines dieser Wörter finden, aber die Einheimischen werden durchaus verstehen, was damit gemeint ist.
Und natürlich gibt es auch im Tschechischen das Adjektiv kafkaesk. Es heißt übersetzt kafkovský und kann flektiert werden (kafkovská, kafkovské, kafkovští, kafkovským, kafkovskými … und so weiter und so fort) und gesteigert werden: kafkovštější (kafkaesker) und nejkafkovštější (am kafkaeskesten).
Und „kafkaesk“ ist auch eine Situation, in der Tschechen manchmal kafkovitý statt kafkovský sagen (und dieses Wort wiederum auf hundert Arten und Weisen flektieren und steigern), was existenziell, absurd, aber auch düster bedeutet – einfach in dem Sinne, in dem man Kafkas Werk wahrnimmt. Aber natürlich gibt es so viele Meinungen über Kafkas Werk wie es Leser*innen davon gibt. Und so kann die Entscheidung, ob etwas kafkovský oder kafkovitý ist, oft eine ziemlich kafkaeske Aufgabe sein.