Spillages So zerronnen
Ausgelaufene Fässer, entlaufene Schweine, Schleimspuren: Unfälle im Lastverkehr, sogenannte spills, haben häufig überraschende Konsequenzen. Komm mit uns auf die Reise und entdecke einige der abscheulichsten, lustigsten und überraschendsten Unfälle im Lastverkehr aus aller Welt.
Der weitaus überwiegende Anteil des Güterverkehrs findet immer noch auf der Straße statt: Rund drei Milliarden Tonnen Güter, von Salatköpfen, Unterhemden und Autoreifen bis hin zu Dosenheringen und Aluminiumknöpfen zählt das Kraftfahrt-Bundesamt im Jahre 2022 im Auftrag des Statistischen Bundesamts in Deutschland. Auch wenn der Fernkraftverkehr als grundsätzlich sicherer gilt als der zur Raserei neigende Personenkraftverkehr – ganz ohne Missgeschicke läuft es auch hier nicht ab: Rund 31.000 Unfälle mit Sachschäden zählte der Güterkraftverkehr im Jahre 2020 in Deutschland, rund ein Drittel davon (9.383 Personen- und Sachschäden, 3.113 nur Sachschäden) entfielen auf den Autobahnverkehr.Dabei sind die Konsequenzen der meisten dieser Vorfälle nicht von weiterem Interesse. Manchmal allerdings, und das ist gefundenes Fressen für die sozialen Medien, kommt es zu spektakulären Szenen. Hier, ohne der Reihenfolge eine Wertung beimessen zu wollen, die internationalen Favoriten unserer Redaktion:
Zwölf Tonnen Schokolade in Polen
Die Ursache ist unklar, aber an einem schönen Frühlingsmorgen im Jahre 2007 kippte ein mit flüssiger Schokolade gefüllter Tanklaster auf einer polnischen Autobahn um. Als problematisch erwies sich dabei die Tatsache, dass die Schokolade auf der Fahrbahn erhärtete. Die Reinigung dauerte darum den ganzen Tag, und es erforderte große Mengen erhitzten Wassers, um die klebrige Masse wieder zu schmelzen.
19 Schweine in Japan
Dieser Fall soll für all die Tiere stehen, denen bei ähnlichen Vorkommnissen zumindest temporär die Flucht gelungen ist. Bei einem Auffahrunfall im Jahre 2017 in Japan wurde der Käfig eines sich auf dem Weg zum Schlachthof befindlichen Tiertransportes so stark beschädigt, dass 19 von 37 Schweinen die Flucht gelang. Die schlauen Tiere machten das Beste aus diesem für sie glücklichen Umstand und genossen einen entspannten Spaziergang entlang der nunmehr blockierten Autostraße.
Weiße Farbe in Kanada
Infolge eines plötzlichen Bremsmanövers verlor an einem Dienstagmorgen im September 2023 ein mit weißer Farbe beladener Tankwagen im kanadischen Montréal seine Fracht. Das wäre ja nicht so schlimm gewesen, nur hatte auf der vielbefahrenen Stadtautobahn im morgendlichen Berufsverkehr niemand Lust anzuhalten, so dass die Farbe von den nachfolgenden Fahrzeugen kilometerweit über die Fahrbahn verteilt wurde.
Sellerie in Kanada
Was vielen der Unfälle mit verschütteter Ladung gemein ist, ist die Abwesenheit von Erkenntnissen über die Ursachen. Da macht auch dieses schöne Beispiel vollständiger Entleerung eines Lastwagens mit einer Ladung Sellerie keine Ausnahme. Wie es der Fahrerin oder dem Fahrer gelungen ist, im Oktober 2023 im kanadischen Aurora, etwas nördlich von Toronto, bei bestem Wetter auf einem schnurgeraden Streckenabschnitt den Lastwagen samt Hänger vollständig umzukippen, konnte nicht ermittelt werden, was für alle Beteiligten vermutlich auch das Beste ist.
Ziegelsteine in Indien
Starke Regenfälle sind für Straßen, die nicht aus Asphalt gebaut sind, stark strukturverändernd. Diesen Hinweis hatte die Fahrerin oder der Fahrer eines mit Ziegelsteinen beladenen Lasters im indischen Uttar Pradesh im März 2015 nicht bedacht: Der Wagen neigte sich so stark, dass die Ladetür beschädigt wurde und die schwere Ladung in die Umwelt entließ. Sicherlich vor allem unter den herrschenden klimatischen Umständen ein buchstäblich schwer zu behebendes Unterfangen.© Shutterstock, pjhpix
Legosteine in West Virginia
Glück für Kinder (und andere Fans der dänischen Plastikbauklötzchen) auf dem Highway I-79 in West Virginia, USA: Ein Transporter hatte eine ganz Ladung an Lego-Steinen verloren, die bei der feuchtkalten Wetterlage zu einer handfesten Rutschgefahr wurden. Der Highway musste auf eine Spur reduziert werden, eine Aufräum-Crew hatte die vergnügliche Aufgabe, die Steinchen wieder einzusammeln. Ob sie diese mit nach Hause nehmen durften?Foto von Eric McClain, Anmoore fire department
Schleimaale in Oregon
Dieses Unglück ist ein Highlight unserer Sammlung. Nicht nur wegen der besonderen Ekligkeit, sondern auch wegen des Umstands, dass gänzlich Unbeteiligte die Hauptleidtragenden waren. Im Juli 2017 rutschte einem Transporter auf dem Highway 101 in Oregon aufgrund eines plötzlichen Bremsmanövers eine von 13 Kisten mit Schleimaalen von der offenen Ladefläche, schoss über die Fahrbahn und traf dort einen unbeteiligten Personenwagen. Das Besondere an Schleimaalen ist ihr Verteidigungsmechanismus: Bei Gefahr sondern sie einen konzentrierten Schleim ab, der in Kontakt mit Wasser auf das 10.000-fache anwächst und zu einer klebrigen Masse wird, die natürlichen Feinden die Kiemen verstopft. So auf ein fremdes Auto katapultiert, waren die Aale natürlich hinreichend gestresst und fingen zum Leidwesen der Fahrzeuginsassen an, munter herumzuschleimen. Zu den Opfern muss man allerdings auch die Tiere zählen, von denen ein Großteil beim Aufprall verstarb.© Oregon State Police Department
Tomaten in Kalifornien
Der Verlust einer Ladung Tomaten führte im August 2022 zu einer Vollsperrung des kalifornischen Highway 80. Ein vollbeladener Lastwagen hatte, wieder einmal aus unbekannter Ursache, einige Fahrzeuge gestreift und war dann in die Mittelstreifen-Abgrenzung der breiten Straße geknallt, was dazu führte, dass sich 150.000 Tomaten auf die Fahrbahn ergossen und dort entweder direkt zerplatzten oder zerfahren wurden. Auf rund 70 Metern entstand eine 50 Zentimeter dicke Schicht aus Fruchtfleisch und Haut der Frucht und bildete einen extrem rutschigen Belag. Der Abschnitt wurde unbefahrbar und musste umgehend geschlossen werden.
Allerdings blieb bisher die Frage offen, wer denn für die Verzögerung und die Beschädigung oder den Verlust der Ware aufzukommen hat. Das ist im regulären Frachtverkehr in Deutschland (und auch international) klar geregelt: Die sogenannte Transportgefahr geht auf den Empfänger der Ware in dem Moment über, in dem die Ware dem Transportunternehmen übergeben wird. Der Verkäufer haftet nur, wenn zum Beispiel Verpackungsfehler nachgewiesen werden konnten. Allerdings kann der Käufer in Fällen von durch Unachtsamkeit oder Fahrlässigkeit verschuldeten Unfällen das Transportunternehmen in die Pflicht nehmen. Für dieses empfiehlt sich eine Frachtführerversicherung, die für Fahrzeuge ab 3,5 Tonnen Gewicht ohnehin gesetzlich vorgeschrieben ist.
Man kann sich daher ohne schlechtes Gewissen auf die inspirierende Schönheit und Kuriosität der Autobahn-Frachtunfälle konzentrieren. Haltet bei eurer nächsten Fahrt also die Augen offen: Schon hinter der nächsten Kurve könnten euch ein glitschiger Tomaten-Belag, Schleimaale oder ein Schweinchen begegnen!