Margherita Bettoni Strada del Sole

 Blick auf Chianciano Terme
Blick auf Chianciano Terme, unweit der Autostrada del Sole | © iStock / Jaroslaw Pawlak

Die Autostrada del Sole ist Italiens längste Autobahn. Für viele Deutsche steht sie für den Weg in den Urlaub schlechthin. Rechts und links von ihr liegen Ortschaften, die wenig bekannt sind und sich optimal für einen Abstecher anbieten.

Schon ihr Name lässt Deutsche tagträumen: die Autostrada del Sole, die Sonnenautobahn. Mit ihren rund 760 Kilometern ist die A1 – für Kenner einfach „Autosole“ – Italiens längste Verkehrsader. Sie führt von Mailand über Bologna und Florenz bis nach Neapel. Acht Jahre hat es gedauert, bis sie 1964 fertiggestellt wurde. Ihr Bau hat Italien zusammengeführt: Brauchte man bis dahin rund zwei Tage, um von Mailand nach Neapel zu fahren, war nun die Fahrt an weniger als einem Tag möglich. Für viele – in Italien wie in Deutschland – ist die A1 eng mit dem Weg in den Urlaub verbunden, mit vielen Erinnerungen also: mit Liedern und Spielen im Kindersitz auf der Rückbank, mit Cappuccino und Panino am Autogrill, aber auch mit der schönen Landschaft drumherum. Die Autosole führt vorbei an toskanischen Zypressen, den Bergen des Apennin, aber auch an alten, verschlafenen Dörfern, die rechts und links auf Hügeln thronen. Wenn man in den Urlaub fährt, ist das Ziel meist: Ankommen. Doch entlang der Autosole gibt es in jeder der sechs Regionen, die sich durchquert, noch nicht so bekannte Orte, die einen kurzen Abstecher wert sind. Eine Auswahl:

Lodi (Lombardei)

Unweit der gleichnamigen Autobahnausfahrt liegt die geschichtsträchtige Stadt Lodi. Friedrich Barbarossa ließ sie 1158 errichten. Heute kann man die jahrhundertealte Geschichte der Stadt an ihren Kirchen beobachten: Der Dom hat eine romanische Fassade, der Tempio dell‘Incoronata mit seinen elaborierten Fresken ist ein kleines Renaissance-Juwel, während die Kirche von San Filippo Neri ein Triumph von Marmorelementen im Rokoko-Stil ist. Auch wer gerne gut isst, wird in Lodi durch die große Vielfalt an lokalen Produkten glücklich. Als Vorspeise gibt es den weltberühmten Grana Padano und ein Stück Pannerone, ein buttriger Käse, den man am besten mit Butter und Honig begleitet. Dazu ein Risotto alla Lodigiana mit Salasiccia-Wurst und rotem Paprika und als Nachspeise Amaretti-Kekse aus Sant’Angelo Lodigiano, mit Mandeln und Bitterkakao. Und schon ist der Bauch satt und die Weiterfahrt Richtung Urlaub viel besser zu bewältigen, sogar wenn es mal staut.

Fontanellato (Emilia Romagna)

Hast du Lust, dich einmal so richtig zu verlieren? Dann solltest du die Autosole bei Parma Ovest verlassen und Fontanellato besuchen. Hier hat der italienische Verleger, Grafikdesigner und Kunstmäzen Franco Maria Ricci 2015 das Labirinto della Masone, das wohl größte Labyrinth der Welt, eingeweiht. Die Wände bestehen aus rund 300.000 Bambuspflanzen, die teilweise so ineinander verwoben sind, dass man das Gefühl bekommt, unter einer grünen Kuppel zu spazieren. In der Mitte des Labyrinths liegt ein Anwesen, in dem man Riccis Kunstsammlung bewundern kann, mit Werken von Annibale Carracci, Francesco Hayez und Antonio Ligabue. Sehr schön ist auch die imposante Rocca Sanvitale, die mittelalterliche Burg mitten in der Stadt. Fontanellato ist außerdem genau der richtige Ort, an dem man die Vielfalt der Aufschnitte aus der Region Parma verkosten kann – von der Salami Culaccia di Fontanellato bis hin zum Rohschinken Culatello. Dazu serviert man hier Torta Fritta, ein in Schweineschmalz frittiertes Gebäck.

Labirinto della Masone © iStock / Kateryna Kravchuk-Rudomotkina

Chianciano Terme (Toskana)

Inmitten von Hügeln und Wäldern liegt Chianciano Terme. Wie der Name schon verrät, dreht sich hier viel um das Thermalwasser, das bereits die Etrusker zu schätzen wussten. Es soll für die Leber besonders gut sein, so gut, dass in den 1970er-Jahren Werbeplakate entworfen wurden, auf denen der Slogan thronte: „Chianciano, fegato san“ (zu Deutsch: „Chianciano, gesunde Leber“). Heute noch gehören die Thermen zu den Hauptattraktionen der Stadt. Doch wer Chianciano besucht, sollte sich auf keinen Fall das archäologische Museum entgehen lassen. Hier kann man sich auf Zeitreise begeben und sich einen Eindruck verschaffen, wie die Etrusker lebten. Zu guter Letzt: Wer nicht am Steuer sitzt, kann sich ein Gläschen des lokalen Amaros Santoni gönnen. Der Likör wird aus 34 Kräutern hergestellt, im Zentrum des Rezepts steht allerdings Rhabarber. Chianciano erreicht man, indem man die Autosole bei der Ausfahrt Chiusi-Chianciano oder Fabro verlässt.

Rhabarber © Unsplash / Heather Barnes

Città della Pieve (Umbrien)

Schon von weitem sieht man die Stadt mit ihren Kirchtürmen auf einem Hügel thronen: Città della Pieve. Das mittelalterliche Städtchen ist durchsetzt von kleinen, verwinkelten Gassen. Man kann eine gute Stunde damit verbringen, ziellos umherzuirren: Immer wieder gelangt man an einen Aussichtspunkt, von dem man die Landschaft des Chiana-Tals bewundern kann. Città della Pieve ist der Geburtsort eines der wichtigsten Maler der italienischen Renaissance: Pietro Vannucci, genannt Perugino. Seine Werke kann man unter anderem in der lokalen Kathedrale bewundern. Kulinarisch dreht sich hier einiges um ein lokales Produkt: Safran. Die Fäden werden etwa benutzt, um das Risotto alla Giorgione mit Karotten und Eigelb zu verfeinern, oder um Rinder-Gulasch aus Chianina-Fleisch eine besondere Note zu geben. So wie Chianciano Terme, lässt sich auch Città della Pieve über die Autobahnausfahrt Chiusi-Chianciano schnell erreichen.

Bomarzo (Latium)

Ein riesiger Ungeheuerkopf mit offenem Mund, durch den man in einen Raum gelangt. Ein Haus, das schief gebaut ist. Ein Elefant, Sphinxen und Löwen. Was zunächst wie eine Mischung aus einem Gruselpark klingt, entstand bereits im 16. Jahrhundert auf Wunsch des schillernden Adeligen Pier Francesco Orsini: Der Sacro Bosco (zu Deutsch: Heiliger Wald), auch bekannt als – Überraschung – Ungeheuerpark. Er liegt unweit der Kleinstadt Bomarzo. Nach Orsinis Tod geriet der Park in Vergessenheit, nur wenige Menschen statteten ihm einen Besuch ab. Unter ihnen: Johann Wolfgang von Goethe bei seiner Italienreise. Erst im 20. Jahrhundert wurde der Park wiederentdeckt. Der Park ist in guten zwei Stunden besucht und daher ein perfekter Abstecher, um eine längere Fahrt auf der A1 zu unterbrechen. Wer sich mehr Zeit lassen möchte, kann auch die altchristliche Nekropole der heiligen Cäcilia besuchen oder sich mit einem Teller Acquacotta stärken. Die Suppe aus altem Brot, Gemüse und Ei war die einfache Mahlzeit der lokalen Hirten. Bomarzo erreicht man von der Autobahnausfahrt Orte, wenn man von Süden kommt, oder Attigliano, wenn man von Norden kommt.

Kopf des Proteus im Monsterpark von Bomarzo © iStock / Wirestock

Santa Maria Capua Vetere (Kampanien)

Kurz vor Ende der Autosole liegt die Ausfahrt Santa Maria Capua Vetere. Vielleicht auch weil sie unweit des berühmten Schlosses Caserta liegt, wird die gleichnamige Stadt oft ignoriert. Cicero nannte sie „altera Roma“, das zweite Rom. An römische Zeiten erinnert etwa das Anfiteatro Campano, Italiens zweitgrößtes Amphitheater nach dem Kolosseum, oder das Mithräum, ein Tempel für den Mithras-Kult. Die Stadt bietet auch mehrere sehenswerte Kirchen. Im Dom gibt es eine ganz besondere Kapelle. Sie ist Santa Maria Suricorum gewidmet, der Heiligen Maria der Mäuse. Sie erzählt eine besondere Volksgeschichte: Kleine Mäuse sollen die Lepra-Wunden eines langobardischen Prinzen geleckt und ihn somit geheilt haben.

Amphitheater von Santa Maria Capua Vetere © iStock / serfeo

Ob Lodi, Chianciano oder Bomarzo – wer dort nicht hängenbleibt, fährt weiter. Wir haben nun das Ende der Autosole erreicht und sind ganz unten im Süden. Und jetzt heißt es wirklich: Ankommen.