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Berlinale Blogger*innen 2024
„Gloria!“, das Regiedebüt von Margherita Vicario

Szene aus „Gloria!“ von Margherita Vicario
Gloria! von Margherita Vicario | Foto: © tempesta srl

Margherita Vicarios Erstlingswerk als Regisseurin geht bei der Berlinale in der Sektion Wettbewerb ins Rennen. Der Spielfilm kommt am 11. April in die italienischen Kinos.

Von Sara De Pascale

Der Film

Frühes 19. Jahrhundert, in einem Waisenhaus nahe Venedig: Eine Gruppe Waisenmädchen musiziert im Kirchenorchester. Ihr beengter Alltag in den Gemäuern des Kollegiums Sant’Ignazio wird völlig auf den Kopf gestellt, als sie im Keller ein geheimnisvolles Geschenk aufstöbern. Da beschließen sie, die Musik zu ihrem Werkzeug der Befreiung für Körper und Geist zu machen.

Die Stärken einer neuen Erzählweise

Der Film legt ein rasantes Tempo vor und macht von Anfang an klar, dass er kein Musical, sondern ein musikalischer Spielfilm sein will. Der bisweilen „cartoonistische“ Schnitt erinnert in den improvisierten musikalischen Einlagen, in denen Alltagsgegenstände zu klingenden Instrumenten werden, an einen Disney-Film. Der Prolog macht Lust auf mehr, er lässt das Publikum eintauchen in die vergnügte und engagierte Erzählweise der Regisseurin und verdeutlicht die Teamarbeit des Ensembles.

Gloria! gibt Gas, lässt Köpfe im Takt mitnicken, sorgt für gute Laune und setzt erfolgreich die Absicht um, das Ideal der Schwesterlichkeit als einzigen Weg zur wahren Befreiung der Frau auf die Leinwand zu bringen.

Die wunden Punkte des Konzepts

Aber irgendetwas stimmt nicht. Damit meine ich nicht die unscharfen historischen Bezüge – an künstlerische Freiheiten gewöhnt man sich, und für eine moderne, musikalische Aschenputtel-Version ist formale Stringenz nebensächlich. Der Film ist ein Märchen, das auf reale historische Fakten aufgepfropft ist, ohne sich um diese drehen, und das ist auch gut so. Problematisch sind an Gloria! in den Augen der Verfasserin im Wesentlichen zwei Aspekte: der zweite Teil des Drehbuchs und die Entscheidung, in einem Film über junge Musikerinnen Schauspielerinnen auftreten zu lassen, die eigentlich nicht musizieren können.

Ab der Mitte des Films schwächelt die Handlung und die Figuren treten nicht so plastisch hervor, wie die Regisseurin es sich vielleicht gewünscht hätte: Die gewählte filmische Form folgt dem Prinzip eines Chores, das Ziel war also nicht, eine einzelne Protagonistin ins Zentrum des Geschehens zu stellen; in dieser chorischen Anlage wird jedoch keine Figur wirklich greifbar, und während die erste Hälfte des Films die charakterlichen Grundlagen für die Protagonistinnen schafft, verblassen diese in der zweiten. Übrig bleiben grobe Skizzen, mit Ausnahme des Priesters von Sant’Ignazio (Paolo Rossi), einer klar konturierten und überzeugend erzählten Figur.

Das Ensemble spielt gut und führt neue Gesichter in die Filmlandschaft ein, aber da die Schauspielerinnen – ausgenommen Veronica Lucchesi, die selbst Singer-Songwriterin ist – nicht auch Musikerinnen sind, gestaltet sich der Schnitt der Musikszenen problematisch (und von denen gibt es etliche in einem Film, der sich um Musik dreht): Beim Versuch, den leider ungeübten Händen der Schauspielerinnen auszuweichen, verliert sich die Regie in einer Unzahl von Schuss-Gegenschuss-Einstellungen.

Musikfilme und Musicals

Ich bin nicht der Meinung, dass jeder Film, der mit Musik zu tun hat, ausschließlich mit Musiker*innen und Singer-Songwriter*innen besetzt werden darf. Doch hier hatte der Film eine ähnliche Intention wie ein Musical – ein Genre, in dem die Protagonist*innen nicht nur schauspielerisch, sondern auch tänzerisch, sängerisch und musizierend tätig sind –, und diese Wahl schadet der Struktur sehr. Gloria! ist ein Debütfilm und die Zielsetzung ist klar, auch wenn das Ergebnis auf formaler Ebene nicht überzeugt. Aber die Regisseurin wird noch viel Zeit haben, um ihre erzählerischen Eingebungen reifen zu lassen.

Besonderer Applaus gilt Veronica Lucchesi und Carlotta Gamba: Letztere wirkt auch als Schauspielerin in der Serie Dostoevskij von den D’Innocenzo-Brüdern mit, die in der Berlinale-Sektion Special gespielt wird, und beide liefern eine sehr sympathische, bühnenhafte Schauspielleistung ab.

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