Die Zukunft der Erinnerung

El futuro de la memoria Foto: Sitio de la Memoria ESMA

12.08 und 19.08.2017

Die Zukunft der Erinnerung mit dem Goethe-Institut als Impulsgeber schlägt einen alternativen Raum für dringende Fragestellungen vor, welche sich mit Erinnerung und Vergangenheitsbewältigung der Diktaturen, bewaffneten Konflikte und Gewaltverbrechen in den vergangenen Dekaden in Argentinien, Brasilien, Chile, Kolumbien, Peru und Uruguay befassen.

Programmvorschau Zukunft der Erinnerung in Buenos Aires:
 
SAMSTAG, 12. AUGUST
 
Episodios – Episoden. Performatischer Rundgang in der Gedenkstätte Espacio de Memoria y Derechos Humanos (Ex-ESMA) + Work-in-progress-Präsentation des Projekts
Die vom Goethe-Institut einberufenen Künstler Gabriela Golder, Marcelo Brodsky, Mariano Speratti und das Kollektiv Etcétera (Loreto Garín Guzmán und Federico Zukerfeld) präsentieren die ersten Ergebnisse ihrer künstlerischen Recherchen rund um mögliche zukünftige Formen der Erinnerungskultur.
Nach mehreren Monaten des Austauschs über den Stellenwert des Gedenkens der Vergangenheit im aktuellen Kontext stellt jeder Künstler seine Vision dessen vor, was diese Erinnerung in der Zukunft ausmachen könnte.  In Theaterfiktionen, Videos, Fotografie, Performance oder auch Interventionen beschäftigen sich vier Episoden mit verschiedenen Themenschwerpunkten: die führende Rolle der neuen Generationen (Kinder und Jugendliche) in der „Zukunft der Erinnerung“, die mündliche Erzählung als fundamentale Quelle für die Konstruktion einer kollektiven Erinnerung, die Komplizenschaft von Unternehmen in Fällen von Verbrechen gegen die Menschheit. Der Prozess wird im März 2018 mit einer Ausstellung der Werk-Aktionen im Parque de la Memoria seinen Höhepunkt erreichen.
 
Programm und Treffpunkte:
 
16:00 Uhr Sitio de Memoria ESMA
Gedenkstätte Espacio Memoria y Derechos Humanos (ex ESMA), Avenida del Libertador 8151, Buenos Aires
 
17:30 Uhr Präsentation des work in progress

Auditorium der Casa por la identidad, Espacio Memoria y Derechos Humanos (ex ESMA), Avenida del Libertador 8151, Buenos Aires
 
Die Aktion beginnt mit verschiedenen Interventionen der Künstler-Kuratoren im Sitio de Memoria ESMA und bewegt sich dann in der Gruppe durch das Gelände begleitet von weiteren Interventionen, Lesungen und Performances bis zur Casa por la identidad (Abuelas-Großmütter). Dort findet die formale Präsentation der vier Episoden statt:
 
Reverberaciones del Futuro – Nachhall der Zukunft (Mariano Speratti)

Wir schreiben das Jahr 2076. Zum Anlass des hundertjährigen Gedenkens an den Militärputsch entscheidet sich der Staat, der Öffentlichkeit Geheimakten zugänglich zu machen. Die Kinder werden damit beauftragt die Erinnerung zu kontrollieren und verwalten.
 
Deriva a través de la Memoria Extractiva – Es entspringt dem extraktiven Andenken (Grupo Etcétera)
Ein imaginärer Rundgang durch das Museum des Neo-Extraktivismus stellt eine Verbindung zwischen den während der letzten Militärdiktatur begangenen Verbrechen gegen die Menschheit und dem heutigen Neo-Extraktivismus her und produziert dabei imaginäre Fluchtwege in Richtung Zukunft.
 
Allí estaban ellos, dignos, invisibles – Dort waren sie, würdevoll, unsichtbar (Gabriela Golder)
Eine Performance, die von der Sammlung der Briefe der Diktatur der Nationalbibliothek ausgeht, welche in verschiedenen Gefängnissen auf argentinischem Boden, im Exil oder aus dem Untergrund geschrieben wurden.
 
Archivo vivo – Lebendiges Archiv (Marcelo Brodsky)
Eine narrative Auseinandersetzung mit dem visuellen und textuellen Archivmaterial des Zentrums für Rechts- und Sozialstudien (CELS) in Form von intervenierten Fotografien.
 
Im Anschluss hat das Publikum die Möglichkeit mit den Künstler-Kuratoren und Organisatoren in Austausch zu treten.
 
SAMSTAG, 19. AUGUST
 
18:00 Uhr – Filmvorführung von Austerlitz und Podiumsgespräch mit Alejandra Naftal, Nora Hochbaum, Albertina Carri moderiert von Julian Gorodischer.
Centro Cultural de la Memoria Haroldo Conti – Espacio de Memoria y Derechos Humanos (ex ESMA), Avenida del Libertador 8151, Buenos Aires.

Austerlitz Foto: déjà-vu film
Austerlitz
Dokumentarfilm von Sergei Loznitsa, Deutschland 2016, 94 Minuten.
 
„Loznitsa befindet sich im Konzentrationslager Sachsenhausen und schafft es mit  vierzig  statischen Einstellungen die unermesslichen Erlebnisse von Tausenden von Menschen an diesem Ort sichtbar zu machen. Gleicher Ort, andere Zeit:  Ist es möglich auf dem Fundament der Vernichtung Tourismus zu betreiben?“ (Roger Koza/2017)
 
„Was tun mit dem historischen Andenken? Wie verhindert man seine Institutionalisierung? Ist es möglich aus einem Vernichtungslager einen Ort der Reflexion zu machen, ohne dass es sich in ein bloßes Konsumobjekt, einen weiteren Stopp auf einer touristischen Rundfahrt entwickelt? All diese Fragen treten in Austerlitz zutage, dem jüngsten, außergewöhnlichen Dokumentarfilm des Ukrainers Sergei Loznitsa (in Deutschland produziert und auf den Filmfestivals in Venedig, Toronto, Mar del Plata und Bafici Buenos Aires präsentiert). Bemerkenswert ist, dass der Regisseur – vielleicht der wichtigste Dokumentarfilmer der letzten zehn Jahre – sie niemals explizit ausspricht oder formuliert. So, wie es ihm eigen ist, lässt er die Bilder für sich sprechen und sich in das Bewusstsein des Zuschauers einbrennen.“ (Luciano Monteagudo, Katalog 19. Bafici)
 
Podiumsgespräch
Die künstlerische Poetik und die Zukunft der Erinnerung

Die Leiterinnen des Parque de la Memoria, Nora Hochbaum, und der Gedenkstätte ESMA, Alejandra Naftal, werden zusammen mit der Filmemacherin Albertina Carri über die Zukunft der Erinnerungsstätten reflektieren und über deren Zusammentreffen mit der Kunst als Stimulus und Spiegel für die Gültigkeit des historischen Gedenkens und der Menschenrechte sprechen. Mit der Moderation von Julian Gorodischer.
 
ÜBER DAS PROJEKT
 
Woran erinnern wir als Individuen und Gesellschaft? Was vergessen wir? Wie werden wir mit diesen Themen in der Zukunft umgehen? Ist Erinnerung eine unveränderliche Aufzeichnung der Vergangenheit oder ist es eher ein dynamisch sich stetig veränderndes Archiv? In einem regional, transdisziplinär und kontinuierlich geführten Dialog, sucht die Zukunft der Erinnerung, andere künstlerische Formate und Modalitäten zu identifizieren und zu entwickeln, die das Nachdenken über die Erinnerungskultur in unserer Region ermöglichen. In Buenos Aires wird die Plattform Episodios – Episoden die Gegenwart mit einem Ausblick auf die Zukunft hinterfragen und im gleichen Atemzug ihr Verhältnis mit der argentinischen Vergangenheit untersuchen.
 
Die Zukunft der Erinnerung
kann als ein Zusammenspiel künstlerischer Interventionen in verschiedenen lateinamerikanischen Städten (Bogotá, Buenos Aires, Lima, Rio de Janeiro, Santiago de Chile und São Paulo) gelesen oder als Kartographie der Möglichkeiten, Gedenken in unserer Region zu gestalten, verstanden werden.
 
Organisiert vom Goethe-Institut in Kooperation mit verschiedenen lokalen Institutionen, schlägt Die Zukunft der Erinnerung eine Reihe von Zusammentreffen, Ausstellungen, Vorführungen und Performances in sieben Städten Südamerikas vor. In Buenos Aires wird sich die Plattform Episodios – Episoden – bestehend aus den Künstler-Kuratoren Gabriela Golder, Marcelo Brodsky, Mariano Speratti und dem Kollektiv Etcétera (Loreto Garín Guzman und Federico Zukerfeld) -  der Aufgabe annehmen, die Gegenwart aus der Zukunft heraus zu befragen und im gleichen Atemzug ihr Verhältnis mit der argentinischen Vergangenheit untersuchen. Die Künstler werden im Dialog mit verschiedenen Erinnerungsstätten und Institutionen für die Wahrung der Menschenrechte arbeiten: dem Parque de la Memoria – Monument für die Opfer des Staatsterrorismus und dem Sitio de Memoria ESMA, die in den Räumen der ehemaligen Escuela Mecánica de la Armada (Technikschule der Marine), eines der illegalen Haft-, Folter und Vernichtungszentren während der letzten Militärdiktatur, funktioniert.
 
Die Werke und Interventionen des Projekts sind in vier Episoden organisiert. Narrative und Fiktionen entstehen aus der gemeinsamen Absicht, die zukünftige Erinnerung zu erkunden, nach ihr zu bohren,  sich dabei zu irren, in Dialog mit ihr zu treten, sie zu erahnen. Ausgangspunkt ist die Auseinandersetzung mit unserer Vergangenheit und ihrer Beziehung zum gegenwärtigen Kontext.
In der derzeitigen Forschungsphase stehen der Dialog zwischen den Künstlern, sowie die Erkundung von (öffentlichen und privaten) Archiven, Orten, Zeugenaussagen, Spuren, Fährten usw. im Vordergrund.
 
Die vorläufigen Ergebnisse der Projekte werden am 12. August bei einem performatischen Rundgang durch die ehemalige ESMA vorgestellt. Höhepunkt und Abschluss des künstlerischen Rechercheprozesses ist die Präsentation der  Werke und Aktionen in einer Ausstellung im Saal Pays (Anwesend, jetzt und für immer) des Parque de la Memoria im März 2018. Die Ausstellung wird die Unterteilung in vier Episoden beibehalten und anhand von Theaterfiktionen, Performances, Situationen, Interventionen, Videos und Fotografien eine kollektive Erzählung aufbauen. Gleichzeitig wird ein Begleitprogramm mit Versammlungen, Arbeitsgruppen und öffentlichen Diskussionen zum zentralen Thema des Regionalprojekts angeboten.
 
Thematische Schwerpunkte von EPISODIOS sind mündliche Erzählungen als Hauptquelle für die Entwicklung einer kollektiven Erinnerung, die zentrale Rolle junger Generationen (Kinder und Jugendliche) in Hinblick auf die Zukunft der Erinnerung sowie korporative Komplizenschaft in Verbrechen gegen die Menschheit. Diese Themen erhalten einen neuen Stellenwert im Kontext der starken Rückschritte, welche die Erinnerungspolitik Argentiniens in diesem Jahr verzeichnete: So wurde die offizielle Zahl der 30.000 während der Militärdiktatur Verschwundenen in Frage gestellt, Protagonisten sozialer Bewegungen wurden vor ihren rechtmäßigen Gerichtsprozessen inhaftiert und der Oberste Gerichtshof bekräftigte das Privileg der Haftkürzung („2 für 1“) für wegen Verbrechen gegen die Menschheit Verurteilter.
 
In diesem historischen Kontext werden die Fragen im Innern des Projekts lauter und die künstlerischen Arbeiten wählen neue Strategien, welche gemeinsam mit Experten und den beteiligten Institutionen eine mögliche Zukunft für die Erinnerung diskutieren und vordenken wollen.
 
Weitere Informationen über Episodios-Episoden und das Regionalprojekt unter:
www.goethe.de/argentina/memoria
 

Zurück