Der indische Subkontinent ist seit dem späten 18. Jahrhundert ein Sehnsuchtsort deutscher Kulturschaffender und Intellektueller. Klassische indische philosophische und religiöse Texte kamen mit britischen Forschern nach Europa und lösten eine Indieneuphorie aus, die ganz ohne Kenntnis der realen Verhältnisse Südasiens auskam. Reisen blieb bis ins 20. Jahrhundert für die meisten Menschen zu ressourcenaufwändig. Dies machte Indien zur idealen Projektionsfläche und zum idealisierten Gegenbild für das Europa der Rationalisierung und Industrialisierung.
Hermann Hesse teilte die Indienbegeisterung seiner Zeit. Anders als viele vor ihm – Herder, Novalis, Schopenhauer, Max Müller – nahm er die weite Reise nach Südasien auf sich. Im Jahr 1911 gelangte er bis nach Ceylon, das heutige Sri Lanka. Die Realität enttäuschte ihn. In seinem Reisetagebuch vermerkt Hesse selbstkritisch, dass die Indiensehnsucht der Europäer wohl eigentlich eine Form des Heimwehs sei – nach einer in Europa verloren geglaubten Ganzheitlichkeit und Spiritualität.
Hesses in der Tradition der romantischen Indienbegeisterung stehender Roman Siddhartha wurde prägend auch für eine spätere Phase der Indieneuphorie, die in den 1960er- und 1970er-Jahren Tausende junge Menschen aus Europa und den USA nach Südasien aufbrechen ließ. Viele von ihnen hatten Siddhartha im Rucksack und suchten nach einem Gegenprogramm zu Rationalität und Fortschritt. Der kulturelle Austausch zwischen Südasien und Europa erlebte eine neue Hochphase – neben den Beatles und den Rolling Stones reisten auch deutsche Bands nach Afghanistan und Indien – unter ihnen die Krautrockband Embryo.
Aus Anlass des 100. Jubiläums sind hier Beiträge zur gegenseitigen Rezeption von Südasien und Deutschland zusammengeführt - in Literatur, Musik, Film und Alltagskultur.