„Train Jam“
Spielen in vollen Zügen
Ein Flug von Johannesburg nach Kapstadt dauert gut zwei Stunden. Eine Zugfahrt? Mindestens 27 Stunden, ohne Klimaanlage. Beim vom Goethe-Institut unterstützten „Train Jam“, der Spieledesign-Studierende und Spieledesigner*innen vernetzt, gehört das zum Konzept.
Von Judit Hoffkamp, Sören Jonsson und Jonas Radunz
2019 bin ich für mein Buch ‚Terra Bruciata‘ durchs Land gereist. Am Anfang dachte ich, dass Italien von der Klimaerwärmung nicht so schlimm betroffen sei. Doch dann fand ich heraus, dass Italien das am stärksten gefährdete Land in Europa ist. Das Paradoxe ist, dass es unter den westeuropäischen Ländern zugleich jenes ist, in dem man am wenigsten über den Klimawandel spricht.“
Stefano Liberti
„Züge zwingen dein Gehirn, langsamer zu werden. Ohne Internetzugang und mit dem Wissen, dass du einen ganzen Tag im Zug bist, musst du deine kreativen Ressourcen anzapfen.“ Was Lucas Peterson für die New York Times schrieb, kann als Inspiration für die Erfindung des Train Jams gesehen werden: Spieleentwickler*innen nutzen die kreative Atmosphäre auf einer Zugfahrt, um Spiele zu konzeptualisieren und umzusetzen. Was normalerweise Monate dauern kann, passiert hier in Stunden.
Nach einem Vorbild aus den USA haben das Goethe-Institut Südafrika und das A Maze Festival aus Berlin den südafrikanischen Train Jam ins Leben gerufen. In diesem Fall gibt es eine Besonderheit: Das Goethe-Institut übernimmt die kompletten Kosten für 20 junge Spieledesign-Studierende, während das A Maze Festival mit seinen Kontakten auf der ganzen Welt dafür sorgt, dass internationale, professionelle Spieledesigner*innen mit an Bord sind. So entsteht die einmalige Chance für alle Beteiligten, sich beim Reisen und Spiele machen zu vernetzen. Noch in derselben Woche werden die Ergebnisse dann beim Playtopia-Spielefestival in Kapstadt präsentiert.
Die Spielebranche und ihre Funktionsweise
Thorsten Wiedemann, der Leiter von A Maze, betont die Einsteigerfreundlichkeit des Projekts: „Wir wollen besonders Neueinsteiger*innen ansprechen, die Spieledesign studieren. Dank der 20 Plätze des Goethe-Instituts können wir das umsetzen, obwohl es uns schwerfiel, aus den ganzen Bewerbungen die richtigen auszuwählen – wir würden natürlich am liebsten alle mitnehmen!“
Eine der Teilnehmer*innen, die ein Ticket ergattern konnte, ist Sherilynne Herb, eine Spieledesign-Studierende der Wits University in Johannesburg. Sie ist im ersten Semester und war besonders begeistert, wie viel sie lernen konnte: „Ich habe viele wirklich interessante, tolle Leute getroffen. Jeder bringt etwas anderes mit, wir waren eine Menge verschiedener Persönlichkeiten und trotzdem haben wir uns ziemlich gut verstanden. Ich habe viel über die Branche und ihre Funktionsweise gelernt. Es war eine tolle Erfahrung!“
11 Spiele in 36 Stunden
Während laut Fahrplan für die Strecke eigentlich 27 Stunden eingeplant sind, wurden es letztendlich doch 36 Stunden, da außerplanmäßige Halte in der Wüstenlandschaft des südafrikanischen Landesinneren auf dieser Strecke nicht ungewöhnlich sind. Die Hitzewelle, die das Land gerade am Wochenende des Train Jams fest im Griff hatte und die Temperaturen an manchen Orten auf über 50°C steigen ließ, erschwerte die Aufgabe weiter. Nichtsdestotrotz programmierten die Spieledesigner*innen bis zum letzten Augenblick und konzeptualisierten und gestalteten dadurch ganze elf Spiele.
Stefanie Kastner, die Regionalleitung Information für Subsahara-Afrika, hob die besondere Kraft der interkulturellen Zusammenarbeit hervor: „Wir als Goethe-Institut arbeiten daran, Kulturen zu verbinden und Dialog zu schaffen. Hier beim Train Jam sehen wir wieder, wie sehr das gemeinsame Erarbeiten von Ideen eine Lösung für so viele Konflikte in der Welt sein kann.“