Umweltaktivismus
Klimastreik im Internet
Seit Ausbruch der Corona-Pandemie hat sich der Klimaprotest größtenteils ins Netz verlagert. Ein Einblick in die Onlinewelt der Umweltbewegung.
Von Johannes Zeller
Es war der größte Klimaprotest der Geschichte, als am 20. September 2019 weltweit Millionen Menschen auf die Straßen strömten, um für umweltfreundliche Politik und die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels zu demonstrieren. Allein in Deutschland beteiligten sich laut Angaben von Fridays for Future rund 1,4 Millionen Menschen am globalen Klimastreik, der sich hierzulande unter dem Hashtag #AllesFürsKlima vernetzte. Die Bewegung wurde dadurch spürbar gestärkt und Fridays for Future rief zu wöchentlichen Aktionen auf. Niemand ahnte damals, dass große Menschenansammlungen pandemiebedingt schon bald nicht mehr möglich sein sollten.
Hashtags kombiniert mit Plakaten
Mit Beginn der Corona-Pandemie war der Klimaprotest zwar nicht vorüber, aber er musste sich neu aufstellen. Fridays for Future und andere Klimaaktivist*innen haben ihn dorthin getragen, wo sich seit Pandemiebeginn ein Großteil des sozialen und gesellschaftlichen Lebens abspielt: ins Internet.
Selbstverständlich haben sich Klimaaktivist*innen bereits vor der Pandemie online organisiert und über Messaging-Apps, Gruppenchats und Videokonferenzen vernetzt. Durch die Anti-Corona-Maßnahmen mussten nun aber auch die Protestaktivitäten selbst ins Internet verlagert werden. Hashtags rückten noch mehr ins Zentrum, und statt vor Regierungsgebäuden posierte man nun mit Protestschildern auf Twitter. Als #climatestrikeonline geht der Klimastreik seitdem im Netz weiter, auch ohne Massenproteste auf der Straße. Fridays for Future rief unter dem Hashtag #Netzstreikfuersklima zudem dazu auf, den im Netz organisierten Streik auch offline sichtbar zu machen – mit dem, was eben in Zeiten von Corona noch möglich war: „Wir bringen den Protest von der Straße ins Netz – unsere Demoschilder platzieren wir sichtbar in Fenstern, an Briefkästen, am Arbeitsplatz, im Baum vor der Haustür, im Ladeneingang oder wo sonst es gut sichtbar ist!“, heißt es auf der Webseite.
Onlinekommunikation als Bereicherung
Aber nicht nur die Straßenstreiks, auch andere Aktionen der Klimabewegung sind von den Auswirkungen der Pandemie und den Anti-Corona-Maßnahmen betroffen. So zum Beispiel der Climate Walk: Eine Gruppe von Forscher*innen und Aktivist*innen, bekannt als „Wanderers of Changing Worlds“, planen, 12.000 km quer durch Europa zu Fuß zurückzulegen, um die lokalen Auswirkungen des Klimawandels zu erforschen und zu dokumentieren. Die Ergebnisse werden dann in einer Wanderausstellung, einer Reihe von Vorträgen und einem Dokumentarfilm dargestellt – so zumindest die Idee, für die das Team auch bereits Spendengelder gesammelt hatte. Doch die anhaltenden Einschränkungen aufgrund der Pandemie haben die Organisation des Climate Walk beeinflusst. Das geplante Startdatum der Wanderung etwa, die im Mittelpunkt des Projekts steht, könnte sich jederzeit wieder ändern – beispielsweise, falls der Impfplan nicht klappen sollte. „Wir möchten auch Probe-Walks mit unterschiedlichen Zielgruppen machen, darunter auch Schüler*innen, doch aufgrund von Corona ist die Planung dafür zurzeit sehr schwierig“, erzählt Julia Plattner von Climate Walks.
Derzeit fokussiert sich das Climate-Walk-Team deshalb auf das, was trotz Pandemie möglich ist. Aktuell bereiten sie in Kooperation mit der Universität Wien öffentliche Onlinevorlesungen zum Thema Klimawandel vor, an denen renommierte Naturwissenschaftler*innen und Sozialwissenschaftler*innen mitwirken. Insgesamt kann das Team der Situation auch Positives abgewinnen. So hat sich die Onlinekommunikation zwischen den Teilnehmer*innen als wertvolle Bereicherung für das Projekt herausgestellt. Der Climate Walk hat Partner*innen in ganz Europa und man trifft sich regelmäßig auf Zoom, oft in Einzelgesprächen. „Früher hätte sich das meiste über Emails abgespielt und es wäre wohl nicht so persönlich gewesen,“ resümiert Projektkoordinatorin Eva Holzinger. Das Netzwerk rund um den Climate Walk ist während der Pandemie gewachsen und die Beziehungen wurden gestärkt – natürlich mit der Aussicht, sich auch einmal persönlich treffen zu können.
Wachsende Unterstützung für Umweltprojekte
Wie Umweltaktivismus aus dem Pandemiejahr gestärkt hervorgehen kann, zeigt sich auch an ökologischen Crowdfunding-Plattformen wie EcoCrowd. Ob regenerativer Bio-Gemüseanbau in Thüringen, Brunnenbau in Kalabrien oder eine Dokumentation über den Faktor Mensch im Klimawandel – ab zehn Euro können Aktivist*innen hier Projekte unterstützten, die ökologische und soziale Nachhaltigkeit fördern. EcoCrowd wurde 2014 in Berlin gegründet und wird vom Umweltbundesamt unterstützt. Projekte, die sich erfolgreich darüber finanziert haben, können sich mit einer freiwilligen Provision bedanken. Bis Frühjahr 2020 gehörte auch der Offlinekontakt immer zentral zum Konzept vom EcoCrowd: Auf einer jährlichen Veranstaltung tauschten sich Aktivist*innen miteinander aus und kürten das beste Projekt des Jahres. 2020 gab es zwar kein solches Treffen – trotzdem wurden auf der Plattform mehr Umweltprojekte erfolgreich finanziert als je zuvor. Das Team von EcoCrowd | Foto (Detail): © EcoCrowd