Vortrag Sami Khatib

Sami Khatib photo by American University in Cairo

Sa, 19.10.2024

19:00 – 20:00 Uhr

Beursschouwburg

Sami Khatib

Ein philosophischer Beitrag zu kantischen Ideen im Kontext von Kapitalismus und Kolonialismus

AFTER REASON - Productive Undoing Is a Difficult Task lädt Künstler*innen und Denker*innen dazu ein, das paradoxe Erbe der europäischen Aufklärungsideale zu erkunden. In diesem Kontext teilt Philosoph Sami Khatib seine Reflektionen:

After Unreason: Global Injustice and Legacy of Enlightenment

Dieser Vortrag befasst sich mit dem Erbe kantischer Konzepte wie Teleologie, ewiger Frieden und Vernunft im Zeitalter des globalen Kapitals, der Kolonialität und des nekropolitischen „Bevölkerungsmanagements“, das von Inhaftierung bis zum Genozid reicht. Bereits in den 1990er Jahren hat der Übergang von Kants „Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht“ zu Samuel Huntingtons posthistorischen Spekulationen über einen „Kampf der Kulturen“ die früheren Teleologien der Aufklärung ihres historischen Optimismus beraubt. Heute stellt sich das westliche Modell des Kapitalismus als die beste aller möglichen Welten dar, als natürliches Ergebnis und Endpunkt der gesamten historischen Entwicklung. Aus dieser Perspektive erscheinen alle anderen Geschichten notwendigerweise als Umwege, Ablenkungen oder Verzögerungen auf dem Weg zur letzten Stufe der kapitalistischen Moderne, die sich als permanenter „Ausnahmezustand“, als immerwährender, als ewiger Krieg offenbart. Wie also sollen wir die grundlegenden Einsichten der frühen Kritischen Theorie umformulieren, wonach die „Dialektik der Aufklärung“ darauf hinweist, dass Vernunft und Unvernunft, Rationalität und Irrationalität, Zivilisation und Barbarei, Gewalt und Friedfertigkeit keine äußeren Gegensätze sind, sondern einander enthalten.


Gratis und ohne Registrierung zugänglich.
 

Dr. Sami Khatib

...ist Gründungsmitglied des Beirut Institute for Critical Analysis and Research (BICAR) und spezialisiert auf Kritische Theorie mit interdisziplinären Forschungsinteressen in den Bereichen Philosophie, Ästhetische Theorie, Bildende Kunst, Medientheorie und Kulturwissenschaften. Sein Spezialgebiet ist die kontinentale Philosophie des 19. und 20. Jahrhunderts mit Schwerpunkt auf der frühen Frankfurter Schule, Kant, dem deutschen Idealismus, Nietzsche, Marx, Freud und dem Poststrukturalismus. 

Khatib arbeitet seit Oktober 2023 am Orient-Institut Beirut, wo er Praktiken der Kritischen Theorie im Globalen Süden und in der MENA-Region erforscht. In einer Zeit, in der der Konzept der Kritik in der westlichen akademischen Welt unter Beschuss geriet, sei es wegen seines Erbes der europäischen Aufklärung, seiner anthropozentrischen Ausrichtung oder seiner Hinwendung zu einer neoliberalen Logik der Selbstverbesserung und Selbstfürsorge, hat sich die Perspektive und Reichweite der Kritischen Theorie erweitert. Ihre Globalisierung weist über die Binarität von westlichem/nicht-westlichem Denken hinaus. 

Zuvor hatte er Gastprofessuren an verschiedenen europäischen und libanesischen Institutionen inne. Zu seinen Veröffentlichungen gehört die Mitherausgeberschaft des Bandes „Critique: The Stakes of Form“ (Zürich, Berlin: Diaphanes, 2020) und die Autorschaft für das Buch “Teleologie ohne Endzweck: Walter Benjamins Ent-stellung des Messianischen“ (2013). 

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