Digitale Kunst
Bonbonfarbene Emanzipation
![Amalia Ulman, Excellences & Perfections, 2014 Amalia Ulman, Excellences & Perfections, 2014](/resources/files/jpg585/491-excellences--perfections-instagram-update-1st-june-2014-formatkey-jpg-w320m.jpg)
Junge Netzkünstlerinnen kämpfen auf Instagram, Tumblr, Facebook und Twitter mit ihren Smartphones und Hashtags für die Akzeptanz von Körperhaaren, Körperflüssigkeiten, Hautunreinheiten und blutigen Höschen.
Von Anika Meier
Feministinnen der sogenannten „Vierten Welle“ brauchen nicht unbedingt eine politische Haltung. Sie verkaufen – wie Mayan Toledano über ihr Label Me and You – Statements gedruckt auf niedliche Oma-Schlüpfer oder Sweatshirts. „Feminist“. „Don’t touch“. „Not Your Pussy“. Viele von ihnen sind zu jung, um sich Gedanken über Gleichstellung im Beruf und faire Bezahlung machen zu müssen. Alles, was sie kennen, ist das Internet mit seinen sozialen Medien und einem popkulturellen Überangebot. Instagram und Tumblr sind der Schulhof, auf dem sie wegen Äußerlichkeiten nicht akzeptiert werden.
Diese Erfahrung hat im Jahr 2013 die kanadische Künstlerin und Fotografin Petra Collins gemacht. Sie gilt quasi als das Postergirl des Feminismus 4.0. Mit 15 fing sie an zu fotografieren, sich, ihren Körper, all das, was sich in der Pubertät veränderte und sie verunsicherte.
![Petra Collins | „Babe” (Buch) Petra Collins | „Babe” (Buch)](/resources/files/jpg584/491-petra-collins_babe-1-formatkey-jpg-w320m.jpg)
Deshalb gründete sie mit der Online-Plattform The Ardorous einen Publikationsort für junge Mädchen, die sich mit dem Bild der Frau in der Werbung nicht identifizieren können. Body Positivity statt Body Shaming lautet das Motto. Und natürlich wusste sie, was sie tat, als sie ein Foto von sich im grünen Bikinihöschen mit unrasierter Bikinizone auf Instagram teilte. Das Bild wurde zensiert, weil sich ihr Schamhaar etwas zu gut sichtbar kräuselte. Die Net Artists sammeln Bilder, die von Instagram mit seiner puritanischen Bildpolitik gelöscht wurden und veröffentlichen sie in einem Buch. Ende April 2017 erscheint der Band Pics or It Didn’t Happen. Images Banned From Instagram beim Prestel Verlag, herausgegeben von Arvida Byström und Molly Soda.
Tabubruch
![Rachel Hodgson in: Petra Collins | „Babe“ (Hg) Rachel Hodgson in: Petra Collins | „Babe“ (Hg)](/resources/files/jpg584/071_rachelhodgson-formatkey-jpg-w320m.jpg)
Fiktive Identitäten
Die deutsche Netzkünstlerin Cornelia Sollfrank erhob 1997 mit einem Hack unter dem Titel Female Extension als Reaktion auf die Ausschreibung der Hamburger Kunsthalle zum Thema Extension. Das Internet als Malerei und Gegenstand Einspruch. Sie fürchtete, zu wenige Frauen würden sich bewerben und schuf deshalb 289 fiktive Identitäten samt Werken von internationalen Künstlerinnen. Alle wurden sie zugelassen. Und da die Unterwanderung nicht bemerkt wurde, musste Sollfrank selbst ihre Intervention aufdecken.
Kampf gegen Stereotype
Im 20. Jahrhundert kämpften die Suffragetten, wie die Mitglieder der ersten Frauenbewegung abwertend genannt wurden, für das Frauenwahlrecht, das Recht auf Bildung und Erwerbsarbeit. Seit Ende der 1960er Jahre, der zweiten Welle des Feminismus mit der ersten Generation feministischer Künstlerinnen, organisieren sich Frauen in der Kunstszene ausgehend von Großbritannien und Amerika. Sie kämpfen für die Gleichstellung von Männern und Frauen und gegen Stereotype und die Objektivierung der Frau durch den Blick der Männer.
Mit jeder Welle und jeder Generation ändern sich die Prioritäten und Medien und mit den Medien die Möglichkeiten. Marina Abramovic führte 1974 mit ihrer 6-stündigen Performance Rhythm 0, bei der die Besucher 72 Objekte von einem Tisch nehmen und ihrem Körper damit zu Leibe rücken konnten, die weibliche Passivität vor Augen. Barbara Kruger fand sich mit dem Stereotyp der Frau als „Shopping Queen“ nicht ab, Martha Rosler setzte dem Stereotyp der Frau als „Heimchen am Herd“ und ihrer Repräsentation in den Massenmedien die Parodie Semiotics of the Kitchen entgegen.
Selfie-Performance
Amalia Ulman inszenierte sich auf Instagram in ihrer Performance Excellences & Perfections im Jahr 2014 als braves Mädchen aus der Vorstadt, aus dem nach einem Umzug in die Großstadt ein „Hot Babe“ wurde. Ihre damals knapp 5.000 Follower konnten den Wandel mitverfolgen. Ulman „durchlebte“ daraufhin sämtliche Stereotype, die sie in den sozialen Medien ausmachte: Schönheitsoperation, Drogensumpf, Absturz, Auferstehung wie ein Phönix aus der Asche nach einer Runde Yoga. Sie teilte Selfies, fast ein halbes Jahr lang, wie es auf Instagram üblich ist – im Badezimmer, im Bett, beim Workout, beim Essen. Erst nach knapp einem halben Jahr löste Ulman die Fälschung der Geschichte auf. Alles nur gespielt, denn, wie sie sagte, jeder sei online ein Lügner. Und das wollte sie mit ihrer Performance zeigen.
So pretty