Im Verlauf des Jahres 2023 bereitete das Team der Kuratorinnen eine virtuelle Residenz für Künstler*innen aus Argentinien, Brasilien, Chile, Kolumbien, Paraguay, Uruguay und Venezuela vor, welche dann im September stattfand. Dabei tauschten sich die Teilnehmenden über ihre Lebenserfahrungen und künstlerischen Prozesse im Bezug zu den von ihnen bewohnten oder erlebten Hafengebieten aus. Aus der Residenz sind zahlreiche Ideen für lokale Interventionen entstanden.
Der Kurzfilm Meine Schönheit ist keine Schande („Mi belleza no es vergüenza“) ist ein audiovisuelles Projekt, das als Ergebnis der digitalen künstlerischen Residenz „Sur a Süd“ präsentiert wird, an dem die Künstlerinnen Florencia Alvarado und Cecilia Ayelen Garcia des Kollektivs Identidad Marrón teilgenommen haben. In Zusammenarbeit mit der Initiative Octubre Marrón.
Eine dunkelhäutige, indigene Sexarbeiterin reflektiert im Alltag über das koloniale Erbe, die Schönheit indigener Körperlichkeit und die argentinische Identität. Ulrich Schmidls Chronik der ersten kolonialen Reisen und Expeditionen an den Río de la Plata im 16. und 17. Jahrhundert offenbart die Ursprünge des bis heute bestehenden Kollektivbewusstseins. Der kritische Blick der Protagonistin warnt vor der Geschichte, die von weißen und europäischen Männern erzählt wird, und lädt dazu ein, eine Antwort ohne Scham und mit Schönheit zu geben.
Über Octubre Marrón
Diese antirassistische Initiative wurde vor mehr als sechs Jahren mit dem Ziel geschaffen, den strukturellen Rassismus in Argentinien und dem Rest Amerikas sichtbar zu machen. Sie will den Stellenwert in Frage stellen, der indigenen, dunkelhäutigen, ländlichen, schwarzen und migrantischen Menschen sozial und kulturell zugewiesen wurde.
Technische Daten
Schauspielerin: Rebeca López // Identidad Marrón
Künstlerische Leitung und Fotografie: Florencia Alvarado // Identidad Marrón
Kostüme und Make-up: Florencia Alvarado // Identidad Marrón
Audiovisuelle Produktion und Fotografie: Cecilia García // Identidad Marrón
Drehbuch: Mamani Mamani // Identidad Marrón
Drehort: Estudio Fractal y espacio público
Schnitt: Daniela Haikins
Terrapoeisis
Das Werk verwebt Geschichte, Widerstand und die sich wandelnde Identität der Künstlerin auf poetische und dekoloniale Weise. In 33 "falsch geschriebenen" Versen auf Terrakotta-Tonplatten, auf Portugiesisch, Spanisch, Charrúa und anderen indigenen Sprachen verfasst, schafft sie eine Ausdrucksform für eine fragmentierte, sich wandelnde Identität, eine Identität in progress, Zeichen des sprachlichen Widerstands. Diese Verse wurden gemeinsam mit der in Porto Alegre lebenden indigenen Künstlerin Bruna Charrúa verfasst.
Die Poesie wird dem Atlantik durch eine performative Lesung offeriert, als eine symbolische Geste der Liebe und der Wiedergutmachung. In Gedenken an die indigenen Völker dieses Landes, ihres Widerstands und des anhaltenden Kampfes der Black und Indigenous People, die noch immer dort leben und sich für ihre afro-brasilianische, diasporische und indigene Geschichte und Kultur einsetzen.
"Hueguat y Enkruzilhadas"
Die Aktion bestand aus einer Performance am Ufer des Flusses/Kanals/São Gonçalo, der zwei indigene Lagunen verbindet, die Tapeguat (Patos-Lagune) und die Mirim-Lagune (eine Darstellung des Guarani-Aquifers, der im La-Plata-Becken mit dem Meer verbunden ist), nahe dem Hafen von Pelotas. Die Aufführung fand an einem Ort statt, der als Kreuzung der Pombogira bekannt ist (ein feminines Wesen in den afro-indigenen Religionen von Rio Grande do Sul), wo die Straße auf den Flusskanal trifft. Im Mittelpunkt stand eine Zeremonie zu Ehren von Hueguat nem'hue (dem Geist des Wassers nach der Weltanschauung der Charrúa) durch die Übertragung einer indigenen Grafik in Bodyart (Körperkunst, in diesem Fall Selbsttätowierung), die mit dem Thema und dem Vorschlag über das Element Wasser verbunden ist.
Während der virtuellen Residenz Sur a Süd gingen Georgia Macedo aus Porto Alegre und Alejandro Cruz aus Montevideo der Verbindung zwischen sich und ihren Städten nach, deren Häfen von Flüssen durchzogen sind, die dieselben Nebenflüsse teilen.
Gemeinsam erarbeiteten sie eine Kunstaktion, die sich mit der kolonialen Vergangenheit und all ihren früheren und heutigen Auswirkungen befasst. Macedo taucht in das Universum des indigenen Volkes der Kaingang und dessen Beziehung zum Wasser ein. In Zusammenarbeit mit der Community schafft sie Sichtbarkeit und ermöglicht das Hinterfragen der bestehenden Realität im Hafen von Porto Alegre. Auf der anderen Seite ist das Leben von Cruz geprägt von der fehlenden Repräsentation und der Unsichtbarkeit des Afro-Universums in Uruguay.
Die beiden Kunstschaffenden tauschen Fotografien aus, die sie anschließend vervielfältigen und für Interventionen an Wänden verwenden. Macedo konzentriert sich auf einen visuellen Dialog mit Gah Teh, einem Kaingang-Schamanen im Hafen der Stadt, während Cruz Orte kartografiert, die mit der kolonialen Vergangenheit Montevideos verbunden sind und mit der Sklaverei in Verbindung gebracht werden. Dieses Zusammenwirken ermöglicht es den beiden Kunstschaffenden, eine noch tiefere politische und symbolische Bedeutung für ihre Ausdrucksformen zu finden.
"Sonâncias dos fluidos em arritmia"
Dieses Werk ist eine Zusammenführung der Begegnung der Künstlerin mit dem Lauf des Saracura-Bachs und dem inzwischen nicht mehr existierenden Quilombo Saracura in São Paulo. Die noch verbliebenen Bewohner gründeten 1930 die Sambaschule Vai-Vai, die 2019 die Künstlerin bei ihren Arbeitsprozessen unterstützte und damit zu einem Raum der Affekte wurde. Bis zur Mitte der Pandemie befand sich an der Hausmauer von Vai-Vai ein Werk der Künstlerin mit der Frage: Welche Lieder befreien uns aus dem Schicksal des Dienens?
Im Jahr 2023 wird in Begegnungen mit dem Kollektiv NoisRadio (Kolumbien) die neokoloniale Gentrifizierungspolitik, die die Gebiete schwarzer Abstammung in den Regionen des Atlantiks und des Pazifischen Ozeans betrifft, zum Gesprächsgegenstand. Flüsse werden kanalisiert, Bevölkerungen verdrängt und ihre Geschichten durch Interessen, die denen ihrer Bewohner entgegengesetzt sind, zu Boden gestampft.
Aus diesem Dialog entsteht "Sonâncias dos fluidos em arritmia", ein Radiokunstwerk, dessen poetische Sprache den Freiheitssin und die Feierlaune der Künstlerin zum Ausdruck bringt und subjektiv ihre Eindrücke von den Veränderungen der Territorien, den Migrationen, den Gemeinsamkeiten zwischen Brasilien und Kolumbien und den Dialogen der Diaspora wiedergibt. Das Werk ist unter Beteiligung von NoisRadio entstanden und ist Vai-Vai gewidmet, dessen alter Standort am Ende der Pandemie für den Bau einer weiteren U-Bahn-Linie in São Paulo zerstört wurde.
Ich habe eine Weile darüber nachgedacht, was ich dem globalen Norden sagen möchte, bis mir klar wurde, dass es nichts gibt, was ich sagen möchte, nicht dem so genannten hegemonialen weißen Norden, aber es gibt etwas, das ich mit dem im Süden geborenen Norden teilen kann. Ein Großteil meines künstlerischen Prozesses dreht sich um Erinnerungen und Familienaufzeichnungen, und während der Residenz war das nicht anders. Mein ursprüngliches Projekt war es, eine Fahne zu entwerfen, eine Fahne der Zuneigung, fast wie ein visuelles Manifest des Glücks, des Jubels, ein Schwarz-Werden durch Lächeln. Aber im Austausch mit Ana Lira, einer großartigen Kollegin, die mich sehr unterstützt hat und weiter begleitet, habe ich das Konzept geändert, aber ich verfolge immer noch denselben Weg. Ich arbeite weiter an einer Dokumentation der Zuneigung zwischen schwarzen Menschen, aber diesmal in Form eines Videobriefs an meine verstorbene Großmutter. Wie ihr alle wisst, habe ich im November eine meiner Großmütter verloren, aber schon 2009 hatte ich mich von meiner Großmutter mütterlicherseits verabschieden müssen, zu einer Zeit, als ich gerade meine Sexualität entdeckte, die Oberschule abschloss und anfing zu schreiben.
Als meine Großmutter mütterlicherseits starb, hatte ich nicht ⅓ des Wissens über die Welt, das ich heute habe, ich wusste nicht, wie verzweifelt ich in der Zukunft sein würde, weil ich nichts über die Vergangenheit wusste. Die ungestellten Fragen, die Lücken, die kollektiven "was wäre wenn" verfolgen viele Menschen genauso wie mich. Meine Großmutter väterlicherseits war in meinem Leben nie sehr präsent, der Versuch, ihr näher zu kommen, fand zufällig kurz vor der Diagnose Alzheimer statt, und es gab nur wenige Momente, in denen sie bei unseren letzten Gesprächen anwesend war, ebenso wie es nur wenige Dinge gibt, die ich über sie weiß, ohne dass eines ihrer Kinder es mir erzählt. Da ich keinen Kontakt zur Familie meines Vaters hatte, beschloss ich, den Weg der Familie meiner Mutter zu gehen und einen Videobrief an meine Großmutter Elenita zu drehen.
Das Video zeigt Bilder meiner Mutter, einiger Onkel, meiner Schwester, von Freunden und Fotos aus meiner Kindheit, gemischt mit Bildern der ladeira porto geral, einem Ort, der zu meinen schönsten Erinnerungen gehört, weil ich dort immer Schulsachen kaufte und ich mich unglaublich wohl fühlte. Mit Ana dorthin zu gehen, um das zu finden, was mir heute noch vertraut ist, war sehr beeindruckend. Es erinnerte mich daran, wie es war, als Kind vom Land in einem Meer von Großstädtern aufzuwachsen, und mir wurde klar, dass ich nie ganz aufgehört hatte, mich wie ein Mädchen vom Land zu fühlen.
'Eine Spekulation zur dystopischen Natur'
Die Ausstellung geht von der Annahme aus, dass es einen Entwurf des Todes gibt, dem wir ergeben sind und der durch unsere hochtechnisierte Gesellschaft aufrechterhalten wird. Das Gebiet, auf das diese Annahme angewandt wird, ist Mejillones, eine Wüstengemeinde an der Küste. Mejillones kann als Beispiel für die durch das Ungleichgewicht des Anthropozäns verursachte Diaspora gesehen werden, in der das tierische Leben unter anderem durch die Erwärmung des Wassers und der Entsalzung für den menschlichen Konsum beeinträchtigt wird.
'Sloman (oder die Poetik der Ausbeutung)'
Das kapitalistische Handeln und die Kapitalströme der deutschen Salpeterindustrie prägten Anfang des 20. Jahrhunderts die Atacama-Wüste, in der Pampa del Toco im unteren Loa-Becken. Diese Publikation und Ausstellung gehen der Frage nach, wohin die Gewinne aus den Salpeterbüros bei Quillagua gingen, die den Hafen von Tocopilla verließen.
Runder Diskussionstisch im Radio
Wir beginnen in Cali, Kolumbien, mit zwei runden Diskussionstischen im Radio, bei denen die Ursprünge, Veränderungen und Strecken untersucht werden, die durch die Flussnetze erschlossen wurden, um den Hafen von Buenaventura zu erreichen. Aus Sicht der lokalen Akteure diskutieren wir die politische und soziale Realität, die dieses Gebiet geprägt hat und die wir heute leben.
Ein generationsübergreifendes Gespräch, das sich der Identität der Bevölkerung Buenaventuras widmet und sich auf die Suche nach neuen Identifikationsmöglichkeiten begibt. als Schwarzes Gemeinschaft, als Volk des Wassers. Ein Ort, dessen Gemeinschaft durch ständige Bewegung aufrechterhalten wird, wie Wasser, das unaufhörlich fließt, das sich seinen Weg bahnt und weiterfließt trotz der Enteignungspolitik und des neoliberalen "guten Willens", der alles korrumpiert und alles privatisiert.
Wir, das Wasser. Das Wasser, wir. Ein Spaziergang durch vier Jahrzehnte, ausgehend von der Geschichte des Aquädukts, über Migration bis zum Riss in der kollektiven Identität. Wasser ist ein Klebstoff", sagt Narcilo Rosero, das verbindende Element einer zerbrochenen Identität, eine Brücke und ein Weg, ein Kompass, der uns, ungeachtet des Nordens, im Süden verankert. In Buenaventura und den vielen Buenaventuras außerhalb von hier.
Mayeli Villalba stellte sich den Weg vor, den ihre afrikanischen Vorfahren genommen haben könnten, um das Gebiet zu erreichen, aus dem ihre Familie stammt. Die Kreation dieser potenziellen Wasserroute basiert auf den Erinnerungen, die ihr zweiter Onkel Tiburcio Acevedo Rojas mit ihr teilte. Er erzählte ihr, dass ihre Vorfahren aus Brasilien kamen.
Paraguay brachte früher versklavte Menschen aus Brasilien und Argentinien, weil es ein Binnenstaat ist. In Anbetracht der Tatsache, dass afrikanische Menschen hauptsächlich auf dem Seeweg verschleppt wurden, stellt sich die Künstlerin vor, dass die Reise ihrer Vorfahren nach Paraguay mit der Ankunft an der brasilianischen Atlantikküste begann, von wo aus sie zum Rio Grande gelangten, da dieser ein Nebenfluss des Parana-Flusses ist, der sich näher am Meer befindet. Schließlich wird angenommen, dass sie über den Parana-Fluss in den Paraguay-Fluss gelangten.
Die spärlichen und oft fehlenden offiziellen Daten über die afro-paraguayische Präsenz zeugen zwar von den Versuchen, sie aus den hegemonialen Narrativen auszulöschen, aber sie verleihen auch der Vorstellungskraft viel mehr Kraft, wenn es darum geht, das Recht auf Narrative einzufordern, die die historische Präsenz dieser Bevölkerung bekräftigen.Dies ist auch ein wichtiger Teil der nationalen Identität.
Mayeli verbreitete im Hafengelände von Asunción mehrere "Landkarten der Erinnerung". In ihrer Vorstellung gibt es dort afrikanische Seelen, die dorthin gebracht wurden, ohne dass man weiß, wo sie jetzt sind oder woher sie kommen. Sie glaubt auch, dass die Weitergabe der Erinnerungen ihres Onkels Tibu einigen Zeitgenossen, die wie sie auf der Suche nach Antworten sind, als Anhaltspunkt dienen könnte.
'Schwimmende Residenz: Deixis des Flusses'
Deixis ( aus dem Griechischen, zeigen/ verweisen auf) ist ein sprachliches Element, das "die Verwendung eines Bezugspunkts in der Rede anzeigt, der nur durch den Kontext identifiziert werden kann. Deiktika sind grammatikalische Elemente, deren volle Bedeutung und genaue Interpretation sich je nach der persönlichen, räumlichen oder zeitlichen Perspektive des Sprechers völlig ändert". Beispiel: Personalpronomen (ich/du/sie), Temporaladverbien (jetzt, heute, gestern) und Lokaladverbien (hier, dort, hinter).
Ich verbinde dieses Konzept mit dem Bild eines Flusses - in diesem Fall des Flusses Paraguay , der sowohl Asunción mit Concepción und Puerto Casado, als auch die östliche Region Paraguays mit dem Chaco verbindet (oder teilt). Wie verändert sich unser Wissen über den Fluss je nach dem Ort, an dem wir uns befinden und unserem Bezugspunkt?
Während unserer schwimmenden Residenz werden wir uns mit Ansprechpartnern aus dem Kulturbereich (Historikern, Kulturmanagern, Schauspielern, Künstlern, Lehrern, Sozialarbeitern) in Concepción und Puerto Casado austauschen, um zu fragen, welche Beziehung die Gemeinschaft zu ihrem Hafen und ihrem Fluss hat. Ist der Fluss, über den ich spreche, derselbe Fluss, über den du sprichst? (Zitat meines Kollegens des Puertos Sur nach Süd- Projekt, Manuel Eduardo González).
Diese Künstlerresidenz orientiert sich an Erlebnissen und ist investigativ. Die Teilnehmenden werden ihre Eindrücke unter anderem in Zeichnungen, Protokollen, Fotografien und audiovisuellen Aufnahmen dokumentieren.
Hafen ohne Hafen: Die Umpflanzung des Mutterlandes
PUERTO (IM) PUESTO
PUERTO (IN) PUESTO
Die Fotoperformance rückt die Erinnerung an den Schwarzen Körper sowie die persönliche Erinnerung und die Möglichkeiten der politischen Vorstellungskraft in den Mittelpunkt, um die traditionellen Erzählungen über die nationale Identität und die Geschichte Uruguays sowie auch die Rolle der Kunst, der Repräsentation und der (homogenen und durchweg weißen) Museen bei deren Aufrechterhaltung, in Frage zu stellen. In der Performance stehen zwei afro-uruguayische Personen am Denkmal zum Gedenken an die verschwundenen Häftlinge im Carlos-Vaz-Ferreira-Park in Montevideo mit einem Bild von Juan Manuel Blanes' Werk "El Altar de la Patria" von 1896, das Uruguay allegorisch als weiße Frau darstellt.
Die Aktion nimmt die maritimen Seile der erzwungenen Migration des transatlantischen Sklavenhandels und das Erbe der Sklaverei in Uruguay auf und schlägt einen Heilungsprozess vor, der durch das Flechten und Binden von aromatischen Pflanzen symbolisiert wird, um eine alternative Erzählung zu weben, die die ausgeblendeten Geschichten sichtbar macht, und die Existenz, die Beiträge und die Formen des Widerstands der afro-uruguayischen Bevölkerung von der Zeit des Sklavenhandels bis heute anerkennt.
Hafen ohne Hafen: Pfade
PUERTO (IM) PUESTO
PUERTO (IN) PUESTO
Serie von Aufnahmen einer Reise an der Grenze zwischen Venezuela und Kolumbien
George Lavarca hat ein visuelles Gedicht geschaffen, das die Verschmelzung von Identität und Sprache erforscht. Inspiriert von seinen Erfahrungen als indigener Wayuú und den Worten von Ramón Paz Ipuana, der die Wayuú-Männer und -Frauen als Dichter beschreibt, die mit Fäden schreiben und mit ihren Händen Linien ziehen.
Auf diese Weise inspiriert, beschloss er, die Grenze zwischen Venezuela und Kolumbien auf einem als La Raya bekannten Weg zu überqueren und dabei eine gewebte Flagge auf den Schultern zu tragen. In seinen Worten: "Für uns, die Wayuú, die in Venezuela und Kolumbien leben, ist diese Grenzlinie ein freier Abschnitt, der Teil unseres täglichen Weges ist; das Kommen und Gehen ist unsere tägliche Routine, denn unsere ethnische Gruppe befindet sich genau auf der Linie, die die beiden Länder trennt, eine Linie, die für uns nichts weiter als etwas Imaginäres ist".
Sowohl "La Raya" als auch die Flagge verdeutlichen die Durchlässigkeit der Grenzen, eine kulturelle, soziale und wirtschaftliche Praxis, die in der Wayuú-Gesellschaft verwurzelt ist. Dieser Übergang bedeutet eine Neuschreibung von Wegen und Geschichte, die sich in den hängenden Fäden der Flagge manifestiert. Diese Fäden, die ineinander verschlungen sind und wie Pinsel wirken, wollen nicht nur eine Spur hinterlassen, sondern auch Spuren des venezolanischen und kolumbianischen Bodens mit sich führen und so zu einer wandelnden Erinnerung werden.
'Von Stille umgeben'
Rodeados de silencio (Von Stille umgeben) ist eine ortsspezifische Installation, die zur Reflexion über die koloniale Vergangenheit von La Guaira, einer Stadt in der venezolanischen Karibik, anregen will. Durch eine Aktion mit Fahnen, die auf den Metallsockeln der Fahnenmasten in der Straße San Francisco installiert werden, wird eine Verbindung zwischen verschiedenen Häusern geschaffen und der Weg zum Meer gezeichnet. Ziel dieser Intervention ist es, den Raum und die Erinnerungen, die ihn bewohnen, zu dekolonisieren, indem Körper und eine kollektive Kunstaktion einbezogen werden. Durch diese Begegnung soll hinterfragt werden, aus welcher Perspektive Geschichte geschrieben wird und wer an diesem Prozess teilnimmt.
Die Stadt La Guaira wird von einem Fluss durchquert, der ins Meer mündet. Sie verfügt über einen der wichtigsten Hafen des Landes. Die Installation lädt uns ein, über den geografischen Kontext und die Kolonialgeschichte der Stadt nachzudenken. Rodeados de silencio (Von Stille umgeben) bietet die Gelegenheit, unsere Beziehung zu Raum und Geschichte zu überdenken und zu reflektieren, wie diese kolonialen Einflüsse unsere Wahrnehmung der Altstadt und ihre Identität geprägt haben.