Maria Wolfring: Grand Dame der Dolmetscherinnen
Dass ihr Deutsch hart „erkämpft” ist, wie sie sagt, ist Maria Wolfring nicht anzumerken. Inzwischen hat sie eine Ausbildung zur Dolmetscherin und 30 Jahre Erfahrung in diesem Beruf hinter sich, Tätigkeiten etwa für die Goethe-Institut Rio de Janeiro und São Paulo, bei brasilianischen Präsident(inn)en-Empfängen, Besuchen deutscher Kanzler/innen und deutsch-brasilianischen Wirtschaftstreffen. Politische wie kulturelle Veranstaltungen findet sie interessant und die Arbeit mit Behinderten liegt ihr besonders am Herzen.
Frau Wolfring, was war ihr erster Kontakt zum Goethe-Institut Rio de Janeiro, erinnern Sie sich noch daran?
Das liegt x Jahrzehnte zurück. Als Kind und Jugendliche hatte ich keinen Kontakt, auch weil ich in Petrópolis aufgewachsen und nur auf eine brasilianische Schule gegangen bin. Ich hatte auch überhaupt keinen Deutschunterricht da oben in den Bergen. Aber ich habe Englisch und Französisch gelernt und Sprachen immer gemocht, außer Englisch und Französisch auch Spanisch, Esperanto; was möglich war, habe ich gemacht. Der Kontakt zum Goethe-Institut kam erst viel später nach meinem Studium, als ich in Rio wohnte und heiratete.
Kommt der Bezug zur deutschen Sprache und Kultur dann über Ihre Familie?
Genau. Mein Vater ist ausgewandert. Er wollte – noch lange vor der Reichskristallnacht – auswandern und als er sich verabschieden wollte, da wurde ihm in der Stahlunion gesagt, dass er auch die Direktion hier in Rio übernehmen könne. Als er sich hier eingerichtet hatte, kam seine Frau, meine Mutter nach. Sie hat ohne Sprache, ohne Freunde, ohne niemand hier angefangen. Die beiden sind aber gut zurechtgekommen, haben Wohlstand erreicht und fünf Kinder groß gezogen. Wir hatten bei Tisch Deutsch zu sprechen. Damit haben meine ganzen Brüder und ich gelernt, bei Tisch sehr ruhig zu sein, es war sehr mühevoll zu reden.
Sie sind dennoch Dolmetscherin geworden, wo sie viel sprechen müssen. Wie haben Sie das gemacht?
Wir haben sehr viel gelesen, und die Bücher, die wir von den Eltern erhielten, waren alle auf Deutsch. Dadurch hatte ich ein gutes Vokabular. Mit 18 bin ich dann nach Deutschland gegangen und habe in München am Dolmetscherinstitut angefangen zu studieren. Und dann bin ich nach Genf gezogen und habe da an der Universität auch die richtige Einordnung mit Muttersprache Portugiesisch vorgefunden; in München musste ich Deutsch als Muttersprache bestehen. Das war ein Ding der Unmöglichkeit. Ich habe es zwar geschafft, aber es war unfair, weil ich nichts Anderes mehr machen konnte als lernen. Mein Deutsch ist hart erkämpft.
Davon ist nichts zu merken.
Jetzt habe ich auch mehr als 30 Jahre Dolmetschen hinter mir. Ich dolmetsche aus Portugiesisch, Deutsch, Englisch, Französisch und Spanisch in Portugiesisch, Deutsch und Englisch. Früher waren bei Kongressen im Wesentlich diese fünf Sprachen gefragt. Das hat sich heutzutage sehr geändert, Bis zu 80 Prozent bestehen die Aufträge aus Portugiesisch – Englisch, Englisch – Portugiesisch. Die ganze Welt kommuniziert ja hauptsächlich in Englisch.
Und so kam dann auch die Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut Rio zustande?
Genauso. In Rio, etwa 1961, habe ich nicht als Dolmetscherin gearbeitet, weil es hieß, wenn es hochkommt, haben wir drei Kongresse im Jahr. Und da waren ältere Dolmetscherinnen und die hatten das fest in der Hand. Zuerst habe ich eine andere Arbeit gesucht und für die Vereinten Nationen in der technischen Hilfeleistung gearbeitet, was man heute wohl “Relocation Management” nennen würde. Irgendwann wurde ich kontaktiert und fing an, Kongresse und Ähnliches zu übersetzten, das war der Anfang der von mir so geschätzten Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut Rio. Das war nach 1967. Und dann kam ich sehr schnell zum Dolmetschen zu den verschiedensten Anlässen, sodass ich und eine andere Dolmetscherin für das Deutsche auch bei Präsident(inn)en-Empfängen oder Besuchen deutschsprachiger Kanzler/innen nach Brasilia gerufen wurden.
Wie intensiv war der Kontakt mit dem Goethe-Institut Rio?
Das Goethe-Institut Rio hatte damals etwa zwei Events im Monat, also das war für die deutschsprachigen Dolmetscherinnen der größte und auch interessanteste Kunde. Damals waren diese Arbeiten konzentriert auf zwei Dolmetscherinnen in Rio und zwei in São Paulo und wenn die zwei in São Paulo schon etwas hatten, sind wir hingereist. Ich war wahnsinnig viel auf der Achse Rio – São Paulo–Brasília. Also war das Goethe-Institut sehr wichtig und sehr willkommen.
Was war für Sie das Highlight?
Highlight aus der Perspektive dessen, was ich am liebsten gemacht habe. Einmal hat eine Künstlerin aus Bielefeld hier immer wieder Veranstaltungen gemacht, bei denen es um die Behandlung behinderter Menschen über Kunst ging. Sie war öfter hier und hat ihre Methode vermittelt. Das habe ich direkt persönlich begleitet und saß nicht in der Kabine wie bei den Kongressen, das war besonders schön. Immer wieder politische Veranstaltungen, die waren sehr interessant, weil da die Leute, die man aus den Zeitungen kennt, plötzlich im persönlichen Kontakt neben mir waren. Alle Arbeiten in Brasilia waren für mich Höhepunkte.
Wenn Sie Bilanz ziehen – wie sehen Sie die Situation für Ihren Beruf, wie die Aussichten für deutsch-brasilianischen Austausch?
Da ist das Goethe-Institut für den kulturellen Austausch natürlich an erster Stelle. Aber es sind auch viele andere Institutionen mit dabei. Die Deutsch-Brasilianische Handelskammer mit den Deutsch-Brasilianischen Wirtschaftstagen. Das ist auch ein Höhepunkt, weil man sieht, wie die Beziehungen immer tiefer und enger werden. Das ist etwas ganz Anderes. Also nicht kulturell, sondern praktisch, industrieller und kommerzieller Austausch. Das ist ein tolles Gebiet, um Frieden in der Welt zu schaffen, außerdem überbrückt die Kultur die Unterschiede und schlägt neue Brücken auf. Da sehe ich eine große Zukunft.