Berlinale-Blogger 2017
„The Other Side of Hope“ ist aktueller denn je
Alle halten ihn für einen Favoriten. Und anders kann es auch nicht sein: Aki Kaurismäki ist ein Festivalregisseur, der Jury wie Publikum gleichermaßen begeistert.
In einem stets zwischen Tragödie und Komödie changierenden Stil erzählt er seit mehr als 30 Jahren von den Paradoxien der westlichen Gesellschaft und nimmt dabei insbesondere seine Heimat Finnland in den Blick. Sein neuer Film ist aktueller denn je. The other side of hope erzählt von der zufälligen Begegnung zwischen einem alten Restaurantbetreiber mit Pokerleidenschaft und einem syrischen Asylbewerber. Zunächst geraten sie aneinander, dann werden die beiden Freunde und helfen sich gegenseitig, wobei den jungen Syrer das Verschwinden seiner im Nahen Osten verbliebenen Schwester umtreibt.
The other side of hope wird am 15. Februar in einer Weltvorpremiere auf der Berlinale gezeigt, für Journalisten gibt es eine Vorführung bereits am Morgen desselben Tages. Sechs Jahre sind seit Le Havre, dem letzten Film von Kaurismäki vergangen. The other side of hope ist gewisserweise eine Fortsetzung: In beiden Werken geht es um Flüchtlinge (im Film aus dem Jahr 2011 steht ein afrikanischer Junge im Mittelpunkt) und beide gehören zu einer Art Trilogie über Hafenstädte, deren dritter Teil bereits im Kopf des Regisseurs Gestalt annimmt, zumindest behauptet er das.
In der Vergangenheit hat Kaurismäki bekräftigt, dass er kein Interesse an Geschichten über reiche Menschen hat. In einer Zeit, da der amerikanische Präsident Trump syrischen Flüchtlingen und Menschen aus Iran, Irak, Jemen, Libyen, Somalia und Sudan die Einreise in die USA zu verweigern sucht, ist es schwierig, die Politik vom roten Teppich der Berlinale fernzuhalten. Kaurismäki dürfte sich wohl kaum zurückhalten. 2003 war er mit The Man without a Past für den Oscar für den besten fremdsprachigen Film nominiert. Er beschloss, die Verleihung zu boykottieren, da die Vereinigten Staaten gerade dabei waren, einen Angriff in Afghanistan zu durchzuführen: „Wir leben nicht in glamourösen Zeiten. Die Regierung der USA bereitet aufgrund schamloser wirtschaftlicher Interessen ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor.“ Einige Monate zuvor hatte Kaurismäki bereits einen Besuch in New York abgesagt, weil seinem iranischen Kollegen Abbas Kiarostami ein Visum verweigert worden war.
Ideen brauchen zum Glück, auch dank der Macht des Kinos, kein Einreisevisum. Sie können überall zirkulieren. In Berlin wie im Rest der Welt.