Lorenzo Graf
Kurator

Was ich esse, was ich anhabe, welchen Sport ich treibe, welche Location ich poste oder welche Vintage-Objekte ich aufwerte: Ein kreativ durchkomponiertes Konsumverhalten inszeniert und verdeutlicht, wie ich den Weg zu mir selbst gefunden habe. Diesem Phänomen begegnet die Ausstellung „Found and Lost“ mit Phung-Tien Phan und Marina Xenofontos. Bereits bestehende und neuproduzierte Skulpturen, Installationen und Videoarbeiten der deutschen und zypriotischen Künstlerinnen treten am historisch aufgeladenen Standort des Goethe-Instituts in Nikosias Pufferzone in Austausch.

In Phung-Tien Phans Videoarbeit Girl at heart (2020) steht der suchende Kamerablick im Zentrum. Wenn er die blendenden Glanzeffekte auf trivialen Materialoberflächen, wie Fensterrahmen oder Spielplatzschaukeln, erforscht, wühlt er im lustvoll Alltäglichen, um Einzigartiges zu finden. Das Gefundene und sorgfältig Ausgewählte soll den eigenen selbstverwirklichten Zugang zur Welt beweisen. Doch die Selbstinszenierungen, die die Objektkompositionen in Phan’s Dizzzy (2021) und Dino at risk (2021) darstellen, haben Risse. Das Stofftier, der Geschirrtrockner und die Sprudelmaschine bilden zwar ausgewogene Arrangements, die den gelungenen Balanceakt zwischen erfolgreich dargestellter Selbstfindung und Haushalts- und Fürsorgearbeit behauptet. Aber der spitze Spachtel und das Sägeblatt deuten auf potentiell gewaltvolle Ausbrüche: Ist doch nicht alles glatt gelaufen? Die Zweifel werden auch in das scheinbar perfekte Bild integriert — wer weiß, ob sich Verlust nicht auch verwerten lässt.

Auch die wertvoll anmutenden Fensterbretter und Tore aus oxidiertem Aluminium, die Marina Xenofontos in Class Memorial Children's Bed (2021) verarbeitet hat, sind gelungen ausgewählte Fundstücke. Seit den Siebzigern simulieren diese Elemente in zypriotischen Häusern Wohlstand. Xenofontos gestaltet sie zu einem leeren Kinderbett um. Ihre künstlerische Aneignung und Transformation zeugen von der Fähigkeit, aus Alltäglichem eine Erzählung über die unerfüllten Träume der Elterngeneration spinnen zu können. Die eigene Selbstverwirklichung muss auf zertrümmerten Erwartungen stattfinden. So blinkt die bunte Lichtshow in Xenofontos Dragmonster 1974 (2022) zum Rhythmus einer abwesenden Partymusik, die eine euphorische Selbstwahrnehmung mit einer ernüchternden Wirklichkeit konfrontiert. Versagen und Enttäuschung bieten eine unerwartete Möglichkeit, die Welt in dunkleren Tönen wieder zu verzaubern.

Irgendwo zwischen Selbstironie und Verzweiflung schweben die Werke von Phan und Xenofontos. Gemeinsam bilden sie ein gemischtes Daseinsgefühl in einer Welt ab, die wie ein in seiner Funktionsweise invertiertes Fundbüro wirkt, ein „Found and Lost“: Hier unterliegt Alltägliches dem Zwang, wie ein besonderes Fundstück verwertet zu werden, aber dabei löst es, entrissen und austauschbar, ein Gefühl von Verlorensein aus.

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