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Film
Sozialkritisches Filmschaffen in der DDR

Aus dem DEFA-Film Insel der Schwäne
Aus dem DEFA-Film Insel der Schwäne | © DEFA-Stiftung

Die Kritik am politischen System stellte in der DDR ein Tabu dar. Probleme wie Wohnungsnot, Arbeitslosigkeit, Kriminalität oder an westliche Szenen orientierte Jugendkulturen gab es im sozialistischen Staat aus offizieller Sicht nicht. Alle real existierenden gesellschaftlichen Themen, die das System als problematisch ansah, wurden tabuisiert. Doch genau diesen Themen versuchten viele DEFA-Filmemacher*innen mit ihren Spiel- und Dokumentarfilmen nachzugehen, auch wenn sie dabei mit Konsequenzen zu rechnen hatten. Lange Produktionszeiträume oder ausbleibende Erfolge waren häufige Folgen. So fanden ihre Filme oft keine Verbreitung in den Kinos oder wurden vom Export ausgeschlossen.
 

Von Goethe-Institut

Als wichtige Zeitdokumente ermöglichen uns diese Filme heute einen Einblick in das Leben in der DDR. Wir präsentieren  Ihnen eine Übersicht von  sozialkritischen Filmen aus der DEFA-Produktion.

Z východoněmeckého filmu Šeptání & výkřiky Z východoněmeckého filmu Šeptání & výkřiky | © DEFA-Stiftung

FLÜSTERN & SCHREIEN

DDR, 1988, Regie: Dieter Schumann, 120 Minuten.

Der Dokumentarfilm Flüstern & Schreien ist ein Zeugnis der ostdeutschen Musikszene der späten 1980er Jahre. Sie dokumentiert die Rockszene der DDR und den musikalischen Umgang einer ganzen Generation mit ihrem Leben. 

Nicht nur berühmte Rockbands wie "Silly" werden interviewt, sondern auch Underground-Bands, ihre Fans und Konzertbesucher. Sie alle sprechen über die Rolle, die Musik in ihrem Leben spielt. Was bedeutet Rock für sie und wie bringt er ihre Lebenseinstellung zum Ausdruck? Sie sprechen auch über Konflikte mit ihren Eltern und das politische Klima in der Deutschen Demokratischen Republik.

Flüstern & Schreien zeigt Musik als Protestmittel einer Subkultur, die ihre Rebellion gegen das politische System zum Ausdruck bringt. Auf dem Weg zu dieser Revolte entstehen im Milieu des Ostrocks mit Bands wie "Feeling B.", "Sandow" und "Chicorée" lebendige Bilder von Mode, Jugend und Gegenkulturen. Der Erfolg des Films spricht für sich: Als die ostdeutsche DEFA den Film ein Jahr vor dem Fall der Berliner Mauer in die DDR-Kinos brachte, war die Reaktion der offiziellen Stellen sehr verhalten, aber die Besucherzahlen gingen in die Hunderttausende.

Z východoněmeckého filmu Naše děti Z východoněmeckého filmu Naše děti | © DEFA-Stiftung

UNSERE KINDER

DDR, 1989, Regie: Roland Steiner, 88 Minuten.

Aus der offiziellen Sicht der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) gehörten die Jugendlichen, die sich in Subkulturen organisierten, zu den sogenannten Randgruppen. Nach der herrschenden politischen Auffassung sollte und durfte es sie nicht geben. Wie die Jugendlichen in Westdeutschland orientierten sich aber auch viele junge Menschen im Osten an einer "alternativen" Musikkultur, rebellierten gegen Konventionen oder lehnten sich gegen staatliche Einschränkungen auf.

Es sind Skinheads, Punks, Gruftis oder Neonazis, die sich in diesem Dokumentarfilm - zum ersten Mal in der DDR - vor dem Mikrofon eines Filmteams äußern. Die Interviews zeigen, dass junge Menschen, die mit ihren Problemen in der sozialistischen Gesellschaft allein gelassen wurden, nach eigenen Wegen und neuen Idealen suchten.

Der Regisseur Roland Steiner arbeitete vier Jahre lang an diesem Film und war einer der ersten Filmemacher, der Zugang und Vertrauen zu den Gesprächspartnern in diesen subkulturellen Kreisen gewinnen konnte. Sein Film Unsere Kinder versucht herauszufinden, wo die Ursachen für den wachsenden Extremismus in der ostdeutschen Jugendkultur lagen. Warum wird die Neonazi-Szene in der sozialistischen Gesellschaft immer stärker? Der Film fängt auch die Ansichten und Thesen von zwei bedeutenden Schriftstellern, StefanHeym und Christa Wolf, ein. Der Idealismus von Christa Wolf (1922-2011), Autorin des legendären Buches Der geteilte Himmel (1963), wird in der Dokumentation in einem Interview mit zwei jungen Rechtsradikalen konfrontiert.

Der Film Unsere Kinder behandelt ein Thema, das bis dahin tabu war. Wenige Tage vor dem Fall der Berliner Mauer in die Kinos gekommen, wurde der Film nach seiner Premiere am 1. November 1989 auf der Leipziger Dokumentar- und Kurzfilmwoche nicht nur heftig diskutiert, sondern auch mit dem Hauptpreis ausgezeichnet.
Z východoněmeckého filmu Ostrov labutí Z východoněmeckého filmu Ostrov labutí | © DEFA-Stiftung

INSEL DER SCHWÄNE

DDR, 1982, Herrmann Zschoche, 88 Minuten.

Stefan, ein Junge an der Schwelle zur Pubertät, zieht mit seinen Eltern aus der verträumten Dorfidylle nach Ost-Berlin, genauer gesagt in die Neubausiedlung Berlin-Marzahn. Während sein Vater einen Job als Bauarbeiter annimmt, muss sich Stefan in sein neues soziales Umfeld integrieren. Schon bald stellt er fest, dass der Alltag und die gesellschaftlichen Verhältnisse in Marzahn ganz anders sind, als er es gewohnt ist. Die Beziehungen zwischen den Jugendlichen sind hart,entsprechen nicht den Bildern in den sozialistischen Lehrbüchern, und der Schulalltag ist von einer kalten Routine geprägt.

Insel der Schwäne ist ein ehrlicher und gesellschaftskritischer Film, der sich für die Ängste junger Menschen einsetzt, die nicht nur in der ehemaligen DDR vom geistigen Ersticken bedroht sind. Nach seiner Premiere wurde der Film in einer von der SED-Führung initiierten Pressekampagne als "Angriff auf die Wohnungspolitik der Partei" angeprangert. Dem Autor des Films, Regisseur Ulrich Plenzdorf, wurde "ein verzerrtes Bild unserer Wirklichkeit" vorgeworfen. Aus diesem Grund fiel die Schlusssequenz später der Zensur zum Opfer. Der Film wurde 1990, nach dem Sturz des Regimes, in seiner ursprünglichen Form rekonstruiert. 
Aus dem DEFA-Film Das Fahrrad Aus dem DEFA-Film Das Fahrrad | © DEFA-Stiftung

DAS FAHRRAD

DDR, 1982, Regie: Evelyn Schmidt, 89 Minuten.

Ein wiederentdeckter Film über die Suche einer Frau nach Selbstbestimmung, der bis heute nichts von seiner Aktualität verloren hat: Als eine der wenigen Frauen unter den DEFA-Filmemacher*innen ist Evelyn Schmidt das bewegende Porträt einer alleinerziehenden Mutter gelungen, die mit dem Gesetz in Konflikt gerät und schließlich mit dem Unverständnis ihres Partners konfrontiert wird. 

Als ungelernte Arbeiterin, die mit ihrem Kind allein ist, ist Susannes finanzielle Situation mehr schlecht als recht. Ihre Unzufriedenheit wächst, als sie Thomas, einen erfolgreichen Ingenieur, kennenlernt. Sie gibt ihren Job auf, gerät in finanzielle Schwierigkeiten und meldet ihr Fahrrad als gestohlen, um das Geld der Versicherung zu bekommen. Als der Betrug aufgedeckt wird, drohen ihr rechtliche Schritte. Thomas, der nichts von dem Vorfall weiß, hält zu Susanne. Als sie ihm jedoch ihr Verbrechen und den bevorstehenden Prozess gesteht, stößt sie auf Unverständnis. Susanne ist gerührt von seiner Reaktion. Da sie die Beziehung nicht länger ertragen kann, ist sie entschlossen, ihr Leben zu ändern - koste es, was es wolle.

Der Film, in dem eine alleinerziehende kriminelle Mutter dargestellt wird, wurde in der DDR sehr kritisch aufgenommen. Die Kritiker taten ihn als schlechten, ideologisch zweifelhaften Film ab. Der Film war im Ausland verboten, mit einer Ausnahme: Nach drei Jahren durfte er in den westdeutschen Kinos gezeigt werden. Am 2. Juli 1985 wurde Das Fahrrad im Rahmen der Reihe Filme von Frauen im ZDF erstmals im westdeutschen Fernsehen gezeigt und stieß dort vor allem in feministischen Kreisen auf Begeisterung. Die positive westdeutsche Kritik führte auch in der DDR zu einer Neubewertung des Films. Bereits auf dem Fünften Kongress der Film- und Fernsehschaffenden der DDR 1988 wurde der Film als "eines der konsequentesten Werke der neuen Generation" bezeichnet. Dank seiner seltenen weiblichen Perspektive auf die Lebenswirklichkeit von Frauen in der DDR ist Das Fahrrad heute ein seltenes (filmisches) historisches Dokument. 
Z filmu Coming Out (1989) Z filmu Coming Out (1989) | © DEFA

COMING OUT

DDR, 1988/89, Regie: Heiner Carow, 112 Minuten.

Ost-Berlin, Ende der 1980er Jahre: Philipp, ein junger Lehrer, beginnt eine Liebesaffäre mit seiner Kollegin Tanja. Seine wahren sexuellen Neigungen verheimlicht er allerdings, bis er sich seines unterdrückten Verlangens bewusst wird, als er seinen ehemaligen homosexuellen Freund Jacob wiedertrifft. Kurz danach lernt Philipp Mathias in einer Schwulenbar kennen und verliebt sich in ihn. Von da an führt der Lehrer ein Doppelleben: Tanja darf nichts von Matthias wissen und er hält seine Beziehung zu Tanja vor Matthias geheim. Das hält nicht lange an.

Die Premiere des Films am 9. November 1989 war in Ost-Berlin so populär, dass an diesem Abend gleich zwei Vorführungen stattfinden mussten. Coming Out wäre eine Sensation gewesen, wenn er nicht von einem anderen Ereignis überschattet worden wäre: Das Kinopublikum erfuhr, dass die Grenzübergänge zum Westen geöffnet worden waren - der Anfang vom Ende der DDR. Lesen Sie mehr darüber hier.

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