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Film
Coming out: Der erste und letzte seiner Art

Aus dem Film Comming Out (1989)
Aus dem Film Comming Out (1989) | © DEFA

Am Tag des Mauerfalls hatte der bahnbrechende Film Coming Out Premiere: der erste und letzte Film aus der DDR zum Thema Homosexualität.
 

Von ihrer Gründung 1946 bis zur Wiedervereinigung Deutschlands produzierte die Deutsche Film AG (DEFA) rund 700 Spielfilme, 2.500 Dokumentar- und Kurzfilme sowie 950 Animationsfilme. Dazu gehören legendäre, progressive und kritische Filme - der Zeit und dem Regime gegenüber. Darunter zum Beispiel Coming Out: der erste (und letzte) DDR-Film mit einem homosexuellen Thema.

Die Kritik am politischen System stellte in der DDR ein Tabu dar. Probleme wie Wohnungsnot, Arbeitslosigkeit, Kriminalität oder an westlichen Szenen orientierte Jugendkulturen gab es im sozialistischen Staat aus offizieller Sicht nicht. Alle real existierenden gesellschaftlichen Themen, die das System als problematisch ansah, wurden tabuisiert. Doch genau solchen Themen versuchten viele DEFA-Filmemacher*innen mit ihren Spiel- und Dokumentarfilmen nachzugehen, auch wenn sie dabei mit Konsequenzen zu rechnen hatten. So fanden ihre Filme oft keine Verbreitung in den Kinos oder wurden vom Export ausgeschlossen. Als wichtige Zeitdokumente ermöglichen uns diese Filme heute einen Einblick in das Leben in der DDR.
Aus dem DEFA-Film Coming out (1989) Aus dem DEFA-Film Coming out (1989) | © DEFA-Stiftung

jung und unglücklich

Coming Out wurde kurz vor dem Fall der Berliner Mauer zu einem dieser Filme. Als erster und einziger Spielfilm in der DDR, der offen mit dem Thema Homosexualität umgeht, erzählt das Drama von Regisseur Heiner Carow die Geschichte des jungen Lehrers Philipp, der sich zwischen dem Leben mit seiner schwangeren Partnerin und der Liebe zu seinem Freund Matthias entscheiden muss.

Worum geht es in dem Film? Philipp Klarmann ist ein junger, attraktiver und beliebter Lehrer, der in einer festen Beziehung mit seiner Freundin Tanja ist. Doch innerlich ist er nicht so gefestigt: Als er seinen ehemaligen Klassenkameraden Jacob trifft, wird er mit seiner unterdrückten Homosexualität konfrontiert. Auf der Suche nach sich selbst besucht er eine Schwulenbar und lernt Matthias kennen – die Männer verlieben sich ineinander. Philipp beginnt, ein Doppelleben zu führen und gerät zunehmend in einen emotionalen Konflikt, da er sowohl seine Beziehung zu der schwangeren Tanja als auch seine Beziehung zu Matthias aufrechterhalten will. Ein unangenehmer Selbstfindungsprozess wird in Gang gesetzt, der dazu führt, dass Philipp sich outet und offen zu seiner Homosexualität bekennt. All das inmitten der sozialistischen DDR-Gesellschaft der 1980er Jahre, was Philipp das Leben nicht gerade leichter macht.
Aus dem DEFA-Film Coming out (1989) Aus dem DEFA-Film Coming out (1989) | © DEFA-Stiftung

eine Sensation am Vorabend der Revolution

Ungewöhnlich für die damalige Zeit war nicht nur das Thema, sondern auch die Herangehensweise des Filmemachers. In der Szene, in der ein Arzt Matthias nach einem gescheiterten Selbstmordversuch rettet, versucht Regisseur Heiner Carow beispielsweise gar nicht erst, das Leiden durch einen Schnitt vorzutäuschen, sondern filmt echtes Leiden: Der Schauspieler kämpft mit dem Würgen, bis ihm der Schweiß vom Gesicht tropft. In Carows Inszenierung herrscht ein Realismus, der mitunter auch dem Publikum wehtut.

Auch die Sexszenen inszeniert Carow behutsam, erotisch, aber ohne jene provokante Homo-Exotik, mit der zum Beispiel der (west)deutsche Regisseur Rosa von Praunheim für die Schwulenbewegung gekämpft hat. Viel näher liegt Carow die Haltung Fassbinders, der zu seinem Schwulenfilm Faustrecht der Freiheit erklärt hatte: „Es ist eine Liebe wie jede andere auch!“

Die Uraufführung des Films, am 9. November 1989 in Ostberlin, fand ein so reges Interesse, dass man an diesem Abend zwei Vorführungen organisieren musste. Coming Out wäre eine Sensation gewesen, wenn sie nicht von einer anderen überlagert worden wäre: Die Kinobesucher erfuhren, dass die Grenzübergänge in den Westen geöffnet wurden –  es war der Anfang vom Ende der DDR.

Weitere sozialkritische Filme aus der DEFA Produktion:

  • Unsere Kinder (1989): ein Dokumentarfilm von Roland Steiner, in dem jugendliche Vertreter ostdeutscher Subkulturen zu Wort kommen: Neonazis, Skinheads, Grufties, Punks.
  • Flüstern und Schreien (1988): Dieter Schumanns Dokumentation über die inoffizielle Rockmusikszene in der DDR.
  • Insel der Schwäne (1983): Ein Film, der in der Ostberliner Wohnsiedlung Marzahn spielt und die Wohnungspolitik der DDR und die Schaffung von "Ghettos" kritisiert.
  • Das Fahrrad (1983): Evelyn Schmidts Drama über eine alleinerziehende Mutter, das nach seinem Erscheinen in der DDR stark kritisiert wurde (während westdeutsche feministische Kreise jubelten).

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