Das Ungewöhnliche im Gewöhnlichen
Ein Gespräch mit dem Fotografen Martin Faltejsek, dessen Bilder auf ganz besondere Art und Weise entstehen
„Es macht mir Spaß, aus gewöhnlichen Dingen ungewöhnliche zu machen, mit Farben zu arbeiten und die Realität zu verändern“, sagt der 19-jährige Fotograf-Autodidakt Martin Faltejsek aus Lanškroun. Er beschäftigt sich vor allem mit Selbstporträts und konzeptueller Porträt-Fotografie. In seinen Fotos vermischt er die reale Welt mit seiner Fantasie; dadurch strahlen seine Bilder eine ungewöhnliche Atmosphäre aus. Im Gespräch verrät Martin Faltejsek, was ihn inspiriert und wie sich sein besonderen Stil entwickelt hat.
Martin, Anfang Mai hattest du in České Budějovice deine erste Vernissage. Wie würdest du deine Arbeiten beschreiben?
Vor allem ist in meinem Werk viel von mir selbst drin. Ich mache hauptsächlich Selbstporträts und konzeptuelle Porträts anderer Menschen. In den Selbstporträts kommen zumeist meine unterschiedlichen Emotionen zum Ausdruck – Frust, Angst und Hoffnung sind die häufigsten Motive. Ich weiß auch nicht warum, aber wenn ich schlechter Stimmung bin, bin ich am kreativsten. Zu konzeptuellen Porträts anderer Menschen inspiriert mich fast immer die Natur – ich bin ständig fasziniert von bestimmten Szenen, auf die ich bei meinen Spaziergängen rund um die hiesige Teichlandschaft stoße. Es kommt oft vor, dass ich staunend innehalte. Ich könnte das dann ganz normal fotografieren, aber das möchte ich nicht. Ich merke mir den Ort und kehre später mit einer bestimmten Vision, mit Requisiten und mit einem Model dorthin zurück. Ich fotografiere auch gerne Momentaufnahmen, suche nach ungewöhnlichen Blickwinkeln und spiele viel mit der Tiefenschärfe. Es macht mir Spaß, aus gewöhnlichen Dingen ungewöhnliche zu machen, mit Farben zu arbeiten und die Realität zu verändern. Ich schockiere die Menschen gerne und lasse sie dabei im Unklaren, wie ich dieses oder jenes gemacht habe.
Hast du dich von Anfang an mit Porträtfotografie beschäftigt?
Von Anfang an sicherlich nicht. Früher bin ich hauptsächlich mit einem Fotoapparat durch die Landschaft spaziert und habe geknipst was mir gefallen hat. Im Laufe der Zeit wurde das aber ein wenig langweilig, und ich wollte etwas Kreativeres machen. Und wenn sonst niemand da war, habe ich mich fotografiert. Später ist dann noch meine Schwester dazu gestoßen, die wollte nämlich ein Foto für ihr Facebook-Profil, und ich habe mich entschieden, das auf eine ungewöhnliche Art und Weise zu machen. Also sind wir durch Second-Hand-Shops gelaufen und haben verschiedene Hemden und Kleider gesucht. Eigentlich ist diese Methode bis heute die gleiche geblieben.
Wie viel Zeit investierst du in diese Arbeit? Könntest du uns den kreativen Prozess schildern, wie sieht der Weg von der Inspiration bis zum fertigen Foto aus?
Ehrlich gesagt, entstehen rund 50 Prozent der Dinge ganz spontan. Viele Fotos sind ungeplant entstanden. Es reicht beispielsweise aus, wenn mir beim Joggen ein interessanter Ort mit einem tollen Licht auffällt – sobald ich zu Hause bin, schnappe ich mir den Fotoapparat und kehre zu der Stelle zurück. Aber natürlich läuft das nicht immer so. Viele Bilder entstehen ganz entgegengesetzt – mit einer langen Vorbereitungszeit. Die kann bei einem konzeptuellen Porträt auch mal drei Monate dauern. Meistens warte ich auf das geeignete Licht, also besonderes Wetter oder die richtige Jahreszeit. Zur Vorbereitung gehört auch die Auswahl der Requisiten und des Models. Das eigentliche Fotografieren dauert dann zwei bis drei Stunden, da kommt es immer auf das konkrete Projekt an. Mit der Bildbearbeitung ist es schon schwieriger. Wenn es eine kompliziertere Idee ist, bei der dieses gewisse Übernatürliche eine Rolle spielen soll, dann kann ich auch schon mal vier oder fünf Stunden damit beschäftigt sein. Normalerweise dauert die Bearbeitung aber ungefähr eine halbe Stunde.
Das Fotografieren ist für dich derzeit eher ein Zusatzverdienst. Denkst du darüber nach, später mal professioneller Fotograf zu werden? Kann man davon deiner Meinung nach leben?
Ich wäre gerne professioneller Fotograf. Ich bin mir aber noch nicht ganz sicher, welche Richtung ich einschlagen soll. Ich würde auch in Zukunft gerne diese kreativen Porträts machen, die ich jetzt mehr oder weniger nur für mich mache. Derzeit ist die Reportage-Fotografie lukrativer. Man kann mit Fotografieren seinen Lebensunterhalt verdienen, das weiß ich und daran glaube ich. Alle die das geschafft haben, sehe ich als Motivation. Alles braucht seine Zeit. Und natürlich Ausdauer.
Wie beurteilst du die Bedingungen für junge kreative Fotografen in Tschechien?
Wenn ich mal von mir ausgehen darf, dann denke ich, dass in Tschechien nichts los ist. Interesse an kreativer Porträt-Fotografie ist gewissermaßen nicht vorhanden. Vielleicht ganz minimal, aber so wie ich die ausländischen Fotografen verfolge, habe ich den Eindruck, dass die Menschen anderswo ganz anders drauf sind. Die haben keine Angst zu experimentieren und für ein Foto auch Opfer zu bringen. In Amerika beispielsweise gibt es immer mehr und mehr normale Menschen, die bereit sind, für ein kreatives Porträt Geld auszugeben, das gibt es in Tschechien selten. Es nervt mich, dass man hier das klassische Foto bevorzugt – einfach steif vor die Linse gestellt, klick klick und fertig.
Verfolgst du die aktuellen Trends der Fotografie?
Ich weiß nicht wie sehr ich die Trends verfolge oder nicht verfolge. Aber wenn ich wieder von Amerika oder auch England spreche, dann nehme ich schon wahr, dass es unter den dortigen Fotografen eine Art Zusammenhalt gibt. Einer fängt mit irgendetwas an, und die anderen folgen ihm. Im Ergebnis ist das aber kein bloßes Nachmachen, sondern eher ein gegenseitiges Vervollständigen. Die Leute haben viel mehr Kontakt miteinander und halten zusammen. Das fehlt mir hier.
Bist du mit anderen jungen Fotografen hier in Tschechien oder im Ausland in Verbindung?
Ja, darum bemühe ich mich die ganze Zeit. Ich bin mit vielen Fotografen befreundet, und dafür bin ich auch dankbar. Ich würde sogar gerne – hoffentlich im nächsten Jahr – ein größeres Treffen junger Fotografen organisieren, wo wir Gedanken austauschen können uns gegenseitig inspirieren und gemeinsam etwas auf die Beine stellen.
Man spürt, dass die kreative Porträt-Fotografie dein Thema ist. Hast du aber auch noch andere Pläne? Möchtest du nicht in Zukunft noch etwas anderes ausprobieren, und wenn ja, in welche Richtung?
Ich bin der Meinung, dass es nicht gut ist, zu sehr und zu schnell von einem Stil zum anderen zu wechseln. Ich will mich den Details widmen. Ich stelle immer mehr fest, dass ich sowieso nicht alles schaffen kann. In Zukunft würde ich gerne mit einem großen Team von Leuten zusammenarbeiten, die so denken wie ich und kreativ sind in Bereichen wie Styling und so weiter, also Sachen, von denen ich ganz wenig Ahnung habe. Mein Traum ist es, mit inspirierenden Menschen zusammenzuarbeiten und dabei das Gefühl zu haben, dass ich wiederum inspirierend für andere bin. Gerne würde ich auch große Serien für einige bekannte (Mode-) Zeitschriften fotografieren.
Deine Facebook-Seite hat über 5000 Fans. Was denkt deine Familie und dein Umfeld über deine Arbeit?
Ich habe eine bestimmte Gruppe von Freunden die mich unterstützen. Meine Familie ist manchmal in gewisser Weise skeptisch, was meine allgemeine Vorstellung vom Leben angeht. Meine Oma versteht nicht, warum ich Models in Feuchtbiotope schleppe. Meine Eltern staunen darüber, dass ich bis nachts Fotos bearbeite und eine Menge Geld für Requisiten ausgebe, die ich tagelang aufzutreiben versuche und so weiter. Aber andererseits hilft mir meine Mutter auch manchmal bei der Bearbeitung der Requisiten. Ich kann also auch nicht sagen, dass es da keine Unterstützung gäbe. Aber um die Finanzierung kümmere ich mich von Anfang an selbst. Für die anderen Leute in meinem Umfeld ist das alles nicht ganz so wichtig. Die Facebook-Fans freuen mich natürlich, es ist schön zu sehen, dass es so viele Menschen gibt, denen mein Stil gefällt.
Mit einem Kompakt-Apparat wären solche Bilder wahrscheinlich nicht möglich. Welche Rolle spielt für dich die technische Ausrüstung? Garantiert ein teurer Fotoapparat hochwertige Fotos?
Diesem Mythos möchte ich zur Hälfte widersprechen. Ich fotografiere nämlich auch viel mit dem iPhone, das ich immer bei mir habe, und ich bin immer wieder erstaunt, was man damit alles machen kann. Aber ansonsten bin ich ein großer Technik-Fan. Regelmäßig lese ich Rezensionen neuer Apparate oder Objektive. Aber ich bin jetzt auch nicht so ein Fotograf, der ein ganzes Arsenal an Objektiven hätte. Mir reicht vollkommen mein 50mm-Objektiv – auch für ein ganzes Hochzeitsfest.
Welchen Tipp kannst du jenen geben, die sich noch keinen teuren Fotoapparat leisten können?
Verfolgt euer Ziel und glaubt an euch. Vor zwei Jahren konnte ich von meinem Wunschapparat nur träumen und ihn nur traurig im Schaufenster betrachten. Der Traum ist Wirklichkeit geworden und ich bin jetzt ein glücklicher Besitzer meines Wunsch-Fotoapparates. Zumindest die „technischen Träume“ sind also in Erfüllung gegangen.