„Entdecke und interpretiere“
Malte Pietschmann lebt eigentlich in Berlin. Doch er arbeitet nicht nur in Deutschland, sondern auf der ganzen Welt. Mit seiner Kamera ist Malte, der in der Nähe von München geboren ist und in den Niederlanden und der Türkei studiert hat, so oft es geht vor allem in Asien unterwegs. Im Interview erzählt er über seine Liebe zum Reisen und welche Rolle dabei die Fotografie spielt.
Malte, wie würdest du deine Werke selbst charakterisieren?
Ich habe auf einer Reise nach Indien das Fotografieren und insbesondere das Portrait entdeckt. Ich denke dadurch steht bei mir der Mensch im Vordergrund. Ich finde es spannend welche Tiefe ein Blick vermitteln kann, wie man sich in Gesichtern verlieren und etwas erzählen kann ohne wirklich viel zeigen zu müssen.
Was ist das Entscheidende an einem Menschen, dass er für dich als Motiv interessant wird?
Das ist schwer zu sagen. Da gibt es kein festes Raster oder Beuteschema. Ich denke das ist wie mit Musik: entweder du spürst es oder eben nicht. Es muss auf jeden Fall ein Charakter sein. Mir sind die Augen wichtig. Da muss etwas los sein. Wenn der Blick nichts sagt und transportiert, dann war es kein echter Moment. Und ich glaube das spürt der Betrachter.
Du bist viel unterwegs und auf Reisen. Warum entscheidest du dich immer wieder loszuziehen?
Kontraste und die Distanz. Ich glaube man kann seine eigene Kultur besser verstehen, wenn man sie in Relation zu anderen setzt; da kann man viel lernen.
Es scheint als hättest du deine Kamera immer im Gepäck. Wie fühlt es sich an auf Reisen zu arbeiten?
Die Fotografie ist für mich der Grund, auf Reisen zu gehen. Für mich ist sie ein schöner Grund genauer hinzusehen und die Umgebung, in der ich bin, zu entdecken und zu verstehen; insofern fühlt sich das nicht wie Arbeit an. Die Kamera ist sozusagen mein Alibi, ein Land mit einer anderen Wahrnehmung zu erkunden, dort hinzugehen wo man sonst nicht hingehen würde. Wenn sie allerdings immer mit dabei wäre, hätte man keine ruhige Minute mehr. Ich arbeite also eher punktuell und dann sehr konzentriert an einer Strecke.
Mir ist aufgefallen, dass du vor allem in Asien unterwegs bist. Was fasziniert dich daran?
Egal ob der Mittlere Osten, China oder Indien – Asiens Entwicklung in den nächsten Jahren wird einen großen Einfluss darauf haben, wie es bei uns weitergeht. Die Medien können uns da nur Wissen vermitteln, nicht aber das Gefühl was das eigentlich wirklich bedeutet. Ich denke es ist ganz gut, sich ein eigenes Bild zu machen.
Welche Ratschläge würdest du jemanden geben, der das erste Mal zu einer größeren Reise aufbricht?
Sich Ziele suchen, die man nicht versteht, und dann: get lost! Die großen, authentischen Momente, das was Bestand hat, erlebt man glaube ich selten innerhalb der eigenen comfort zone, nicht in schönen Hotelanlagen und auch nicht auf den abgesteckten Touristenpfaden. Deswegen den Reiseführer einfach mal beiseitelegen, sich an die Locals halten und auf das eigene Bauchgefühl hören.
Du warst besonders oft in Indien. Hat das einen bestimmten Grund?
Ja, Reichtum und Armut, Tradition und Moderne, das Zusammenspiel aller Weltreligionen im Alltag – Indien schlägt extrem in alle Richtungen aus. Und das schafft einen Raum, der sehr faszinierend ist. Ich denke, die Inder selbst haben es oft schwer ihr eigenes Land zu beschreiben. Je mehr man von Indien gesehen hat, desto schwieriger fällt es, dieses Land klar zu definieren, weil es eben so viel mehr ist als sein Klischee.
Ob und wie finden sich deine Reiseerfahrungen in deinen Arbeiten, die du in Deutschland anfertigst, wieder?
Was ich hier in Deutschland produziere findet sich in den Arbeiten aus Asien wieder und umgekehrt. In meinem Kopf gibt es da keine klare Grenze zwischen „hier" und „dort". Wäre ja auch schade, wenn.
Was treibt dich an neu aufzubrechen?
Entdecken und interpretieren.