Versager mit Stil
Der Rapper Casper
Der Rapper Casper macht sich zum Sprecher einer unzufriedenen Jugend. Seine bevorzugten Themen sind Leistungsdruck, Einsamkeit und Depressionen.Warum er der neue Stern am deutschen HipHop-Himmel ist.
Die Depression wie einen Mantel anlegen, in ein Kleid aus Melancholie schlüpfen und dabei verdammt gut aussehen. Vielleicht kann man so die Ambivalenz zwischen Wut und Ratlosigkeit, zwischen Ablehnung des „Systems“ und der Erkenntnis, doch nichts an ihm ändern zu können, besser aushalten. Fest steht: Es ist die Haltung, die zu einem wesentlichen Teil die Erklärung dafür liefert, warum das Phänomen Casper so gut funktioniert.
„Depression war nie tragbar, doch steht uns so gut!“, rappt Casper in seinem Song „Xoxo“ auf dem gleichnamigen Album. In dem Lied mit dem ziemlich unmissverständlichen Titel „Der Druck Steigt“ heißt es: „Wir sind Versager mit Stil“. Viele Jugendliche scheinen sich in solchen Zeilen wiederzuerkennen. Das Album des 29-jährigen ehemaligen Pädagogikstudenten erreichte unmittelbar nach der Veröffentlichung im Juli 2011 Platz 1 der deutschen Album-Charts und wurde mit Goldstatus ausgezeichnet.
Letztlich ist es eine passive Perspektive, aus der heraus Casper zu seinen Fans spricht: Weil sie so gut aussieht, die Depression, kann man sich in ihr auch ein Stück weit wohlfühlen. Es ist eine Pose. Eine Pose, die provoziert. Und dazu führen könnte, dass sich viele Eltern über Casper aufregen werden. Stellvertretend für die Haltung vieler Erwachsener steht die Journalistin Laura Ewert. Der wirkliche Casper sei „konservativer als seine Eltern“, schreibt sie in der Welt. Sein Erfolg werfe ein „recht besorgniserregendes Licht auf die Jugend“. Will sagen: Man muss doch etwas tun mit seiner Wut, sie irgendwie kanalisieren, was verändern wollen, rebellieren. Nein, muss man nicht. Jedenfalls nicht sofort.
Die zweite Frage, die in den Feuilletons gestellt wird, ist, ob Casper den HipHop neu erfindet, gar rettet. Die meisten meinen: ja. Und haben fast Recht. DennHipHop erfindet sich ständig neu. Und war nie tot, muss also auch nicht „gerettet werden“. Die Szene kocht, auch wenn sie mal nicht von medialer Öffentlichkeit heimgesucht wird, munter ihr eigenes Süppchen.
Fragen wir also, ob Casper die Evolution des HipHop vorantreibt. Ja, er verpasst dem Genre einen Schub. Das liegt nicht nur an den Texten, die ohne Sexismus, Homophobie und Straßen-Glorifizierung auskommen. Sondern auch an derMusik selbst, einer Mischung aus HipHop und Hardcore-Punk, die ungewöhnlich mitreißend und kraftvoll ist. Seine Texte rappt Casper mit einer heiseren Stimme, die entfernt anTom Waits erinnert. Casper treibt die Evolution des HipHop musikalisch und textlich voran. Auch die des deutschen HipHop? Die erst recht.Was diesen ausmachte, war immer ähnlich: Entweder gehörte man zu den Bösen, wie die Jungs von AggroBerlin. Oder war lustig, wie die Fantastischen Vier oder Fettes Brot.
Casper geht nun einen ganz neuen Weg: Er inszeniert sich spaßfrei, ghettofrei und vor allem viel eleganter als seine Konkurrenten. Als Versager mit Stil. Und das ist auch gut so. Erstmal.
Copyright: Goethe-Institut Prag
Januar 2013