Geschickte Hände
Die Varga-Schwestern: Erfolg mit der Geige und im Tischeishockey
Die eine spielt Geige, die andere Querflöte. Die 22-jährige Marie ist eher extrovertiert und kann eine ganze Partygesellschaft bei Laune halten, die 20-jährige Anežka verbringt den Freitagabend auch mal gerne mit einem Buch. Die beiden verbindet jedoch nicht nur die Musik, die Studium, Arbeit und Freizeit bestimmt. Die Schwestern teilen auch ein ungewöhnliches Interesse. Sie gehören nämlich zu den erfolgreichsten Tischeishockey-Spielerinnen, und das nicht nur in Tschechien. Die Musik vernachlässigen sie deshalb aber auf keinen Fall. Beide gehören nämlich auch zu den hoffnungsvollsten jungen tschechischen Musiktalenten und gewinnen regelmäßig internationale Wettbewerbe.
Marie und Anežka haben für die Europameisterschaft 2012 in Riga keine speziellen Trainingsschichten eingelegt. Anežka studiert im ersten Jahr an der Kunsthochschule JAMU in Brno, Marie besucht die Musikuniversität in Wien. Für das Plastikfeld mit den sechs Stürmern, vier Verteidigern und zwei Torhütern blieb deshalb nicht allzu viel Zeit. Zur Teilnahme an dem internationalen Turnier entschieden sie sich spontan. Vor allem ging es ihnen darum, Zeit mit Freunden zu verbringen und die Hauptstadt Lettlands zu sehen.
„Die Entscheidung, nach Riga zu fahren, zu meiner dritten Europameisterschaft, fiel von einem Tag auf den anderen. Tischeishockey spiele ich zwar schon sieben Jahre, aber die vergangenen zwei Jahre aufgrund der Uni eher nur zum Vergnügen, ohne besonderes Training. Ich habe überhaupt nicht damit gerechnet, dort irgendeine Medaille zu erringen“, erzählt Marie, die allerdings zu den Favoritinnen gezählt wurde. Sechsmal wurde sie tschechische Meisterin, bei den Weltmeisterschaften 2006 in Moskau belegte sie den vierten Platz und ist schließlich auch Europameisterin geworden. „Das war 2006 eine große Überraschung, das hat niemand erwartet. Ich auch nicht“.
Hallo Welt, hier kommen wir!
Zusammen mit den Schwestern ist eine etwa fünfzehnköpfige tschechische Mannschaft nach Riga gefahren. „Die Vorrunde lief bei mir so gut wie noch nie, das erste Match in den Play-offs ging gleich gegen Anežka. Das war sehr unangenehm und heftig. Eigentlich sind das immer sehr ausgeglichene Partien, aber dieses Mal gelang mir fast alles“, erzählt Marie. Anežka hatte aber mit der Niederlage gegen die eigene Schwester kein Problem. „Das Erreichen des Play-offs betrachte ich als meinen größten Erfolg im Tischeishockey. Außerdem stimmt es nicht, dass unsere Matches ausgeglichen sind. Marie ist besser“, lacht sie.
Marie wurde auf ihrem Weg zu ihrem erhofften zweiten Europameistertitel 2012 erst im Halbfinale gestoppt, wo sie gegen die spätere Siegerin, die Russin Victoria Laricheva verlor. „Das war ein richtiges Drama. Victorias Angriff war zwar nicht gut, ihre Verteidigung dafür umso besser. Ich gehöre eher zu den offensiven Spielerinnen, aber es ist mir nicht gelungen, Tore zu schießen, und so verlor ich schließlich 4:1“, so Marie.
Die tschechische Mannschaft freute sich aber schließlich nicht nur über Maries Bronzemedaille, sondern auch über Silber im Teamwettbewerb der Frauen. „Nach Riga kamen viele Männer, aber nur 20 Frauen. Es ist eher ein Männersport, Frauen sind bei den Turnieren meistens begleitende Freundinnen der Spieler. Natürlich sorgten wir deshalb für Aufmerksamkeit“, sagt Marie mit einem Lächeln. Anežka hat versucht, eine Gemeinsamkeit zwischen Querflöte und Tischeishockey zu finden. „Hockey ist ein Spiel. Man muss sich konzentrieren können, braucht eine schnelle Auffassungsgabe und einen Sinn fürs Detail. Mit der Flöte ist das ähnlich. Für beides braucht man geschickte Hände. Bei einer Tischeishockey-Aktion ist genauso wie beim Querflötenspiel der gewisse Feinschliff nötig.“
Zum Tischeishockey kamen die beiden Schwestern über ihren Bruder, der in der südböhmischen Kreishauptstadt České Budějovice den bis heute funktionierenden Club BSE České Budějovice gründete. „Es ist ein ungewöhnlicher Sport, wenig bekannt und in den Medien nicht präsent. Am populärsten ist er in den skandinavischen Ländern und vor allem in Russland. Da haben Spieler und Spielerinnen die besten Bedingungen“, erklärt Marie. Dennoch könnten sie und Anežka sich nach dem Erfolg in Riga eigentlich zu den Weltmeisterschaften 2013 nach Norwegen fahren. Aber wahrscheinlich werden diesmal eher die Verpflichtungen an der Uni Priorität haben.