Prag mit Hindernissen
Welche Schwierigkeiten haben ältere Menschen, Eltern mit Kinderwagen oder Rollstuhlfahrer in öffentlichen Verkehrsmitteln? Ein Dokumentarfilm aus Prag soll darüber aufklären.
Mitten in der Großstadt: Eine Frau wartet auf die nächste Straßenbahn, Autos fahren an der Haltestelle vorbei, Menschen drängen sich am Bahnsteig. Die Bim (österreichisch für Straßenbahn) kommt, die Frau kann jedoch nicht mitfahren. Die alten Waggons sind nicht barrierefrei, mit einem Rollstuhl ist es unmöglich, einzusteigen.
Situationen wie diese gehören in vielen Städten zum Alltag. Ein 15-minütiger Dokumentarfilm aus Prag hat deshalb dieses Thema aufgegriffen. Praha-Vídeň a zpět (Prag-Wien und zurück) ist der dritte Film, der auf die Situation von Menschen mit Behinderung in Tschechien aufmerksam macht. Der Film zeigt, welche Schwierigkeiten und Barrieren in ihrer Bewegung beeinträchtigte Menschen wirklich beim Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel in Prag haben. Produziert wurde er von AsistencePraha. Die Organisation will Menschen mit Behinderung unterstützen, möglichst aktiv und selbstbestimmend zu leben. Asistence setzt sich schon seit längerem für mehr Barrierefreiheit im öffentlichen Raum ein.
Vorzeigebeispiel WienDer Film soll deshalb in erster Linie die Öffentlichkeit auf die Problematik aufmerksam machen und die Politik dafür sensibilisieren, sagt Erik Čipera, einer der Autoren. Er prangert vor allem die Konzeptlosigkeit der Stadt Prag.
Vorbildlich nennt Čipera die Situation in Bus, U-Bahn und Bim in Wien. Die geografische Nähe war ein weiterer Grund, die beiden Städte miteinander zu vergleichen. Mehrere Personen im Rollstuhl sind deshalb nach Wien gekommen, um die Situation zu testen. Die Ergebnisse sind – zumindest für Prag – erschreckend: Während die U-Bahn in Wien gänzlich barrierefrei ist, sind in der tschechischen Hauptstadt immer noch 23 Stationen (von insgesamt 54) ohne Lift. Zudem ist rund die Hälfte der Prager Straßenbahn-Stationen nicht barrierefrei. Wien setzt bereits ausschließlich Niederflur-Autobusse ein, in Prag sind es 65 Prozent. Die Liste könnte weitergeführt werden, in allen Bereichen, kritisiert Čipera.
Nicht nur Behinderte sind betroffen
Die Zahlen täuschen nicht. Testperson Carolina Chloubová sieht die österreichische Hauptstadt ebenfalls weit vorne: „In Wien habe ich mich nicht benachteiligt gefühlt, dort ist alles zugänglich. Auf der Straße brauche ich als Rollstuhlfahrerin nicht viel Unterstützung, um die Barrieren zu überwinden. Man trifft auch viel mehr Rollstuhlfahre, die alleine unterwegs sind als in Prag.“
Die Stadt Wien hat gemeinsam mit den Wiener Linien [die städtischen Verkehrsbetriebe Wiens, Anm. d. Red.] und Behindertenorganisationen ein Konzept erarbeitet. Im Film wird es ausführlich erläutert. Laut Markus Ladstätter vom Wiener Behindertenberatungszentrum BIZEPS wird die Situation für mobilitätseingeschränkte Personen von Jahr zu Jahr besser, es gebe aber nach wie vor Verbesserungspotential. „In Wien gibt es nur noch Niederflurbusse mit Klapprampen. Busse sind für Eltern mit Kinderwägen ohne fremde Hilfe nutzbar, mobilitätseingeschränkten Personen und Personen im Rollstuhl wird vom Fahrpersonal eine Rampe ausgeklappt“, erklärt Ladstätter. Verbesserungswürdig sei jedoch die Situation bei Straßenbahnen. Die Hälfte ist der Wagen ist noch nicht barrierefrei. Ladstätter wünscht sich deshalb die Anschaffung von neuen Fahrzeugen für die Straßenbahn und die U-Bahn.
Und auch wenn Experten wie Ladstätter auf Probleme hinweisen, die es auch in der österreichen Hauptstadt noch gibt: das Wiener Konzept solle adaptiert und auf Prag übertragen werden, empfiehlt Čipera. Immerhin betreffe es nicht nur Rollstuhlfahrer sondern auch Eltern mit Kinderwägen, ältere Menschen mit Gehwagerl oder Verletzte mit Krücken.