„Diese seltsamen, stoffeligen Typen mit Hornbrille“ – Nerds
Ob Fantasy, Science-Fiction oder Comic-Superhelden: Womit sich früher nur „Nerds“ beschäftigt haben, ist heute im Mainstream angekommen. Trifft das Klischee vom eigenbrötlerischen Brillenträger ohne Freunde somit überhaupt noch zu? Ein „Star-Trek“-Fan, ein Magic-Spieler und eine Fan-Fiction-Autorin antworten – und erzählen von ihrer Leidenschaft.
Caroline, 24, Fan der Serie Star Trek („Trekkie“) aus München
Eigentlich bin ich noch nicht so lange „Trekkie“. Das hat erst mit den neuen Star-Trek-Kinofilmen von J.J. Abrams angefangen. Weil mir die sehr gut gefallen haben, habe ich online viel darüber nachgelesen und da hieß es immer, man müsse die Original-Serie gesehen haben, um den Film wirklich zu verstehen. Zuerst war ich skeptisch, weil die ja aus den 1960ern stammt, aber dann war ich wirklich sehr begeistert von der Serie.
Mich faszinieren an Star Trek vor allem die soziologischen Aspekte und die Beziehungen zwischen den Charakteren. Gerade bei den Hauptfiguren, also Spock, Captain Kirk und so weiter, geht es auch immer viel um den Konflikt zwischen Logik und Emotion, das zieht sich durch die gesamte Serie. Die utopische Gesellschaft in der Welt von Star Trek, die frei ist von Dingen wie Diskriminierung und Rassenhass, trägt auch viele progressive Züge, was gerade in der damaligen Zeit wirklich spannend war.
Es gibt aber unterschiedliche Arten von Star-Trek-Fans. Andere interessieren sich eher für die Technik, die in der Serie gezeigt wird, also ob der Warp-Antrieb wirklich realistisch ist und so. Die bestehen auch darauf, dass man die Serie ohne das ganze technische Hintergrundwissen nicht verstehen kann, aber das glaube ich nicht.
Der meiste Kontakt zwischen Star-Trek-Fans geschieht im Internet. Früher fanden die meisten Diskussionen auf der Blogger-Plattform LiveJournal statt, aber mittlerweile ist die Mehrheit auf Tumblr umgezogen. Tumblr ist das Schlaraffenland für Nerds! Es gibt spezielle Hashtags wie #spacehusbands oder #mirrorverse, die gibt man ein und dann kommt man relativ schnell zu den Inhalten, die sich wirklich tiefgehend mit Star Trek beschäftigen. Solche Hashtags sind wie Codes – die muss man halt kennen und dann ist man auch Teil der Community.
Maximilian, 22, Magic-the-Gathering-Spieler aus Tuntenhausen
Ich bezeichne mich selbst manchmal schon als Nerd, aber ich benutze den Ausdruck eher ironisch. Nerds sind für mich diese seltsamen, stoffeligen Typen mit Hornbrille, die nur daheim sitzen und nichts anderes machen. Aber ich gehe ja auch mal vor die Tür (lacht). Ich war früher zum Beispiel sehr aktiv in der Punk-Szene und habe dort immer noch viele Freunde. Mit denen sind meine nerdigen Hobbys ab und an ein Thema, aber mehr eigentlich auch nicht.
Magic: the Gathering ist ein strategisches Sammelkartenspiel mit Fantasy-Hintergrund, das wahnsinnig komplex ist. Diese Komplexität schätze ich auch am meisten an dem Spiel. Ich spiele jetzt schon relativ lange, aber ich habe immer noch das Gefühl, dass ich erst an der Oberfläche kratze. Und das motiviert ungemein im Vergleich zu anderen Kartenspielen.
Meine erste Berührung mit dem Spiel hatte ich mit so sieben, acht Jahren. Unter den Karten aus meiner ersten Packung war so ein doppelköpfiger Drache, den fand ich so toll, dass ich gleich am Haken war. In der Pubertät hatte ich dann eher andere Interessen, aber mein Bruder und ich haben dann um 2011 herum wieder angefangen, ein bisschen zu spielen. Aus Neugier bin ich dann mal wieder in den örtlichen Laden in Rosenheim gegangen, habe dort ein paar nette Leute kennengelernt und bin auf diese Weise langsam in die Magic-Turnierszene hineingerutscht. Mein erstes internationales Turnier war 2012 in Malmö. Ich habe nicht besonders gut abgeschnitten, aber ich hatte jede Menge Spaß. Und seitdem versuche ich, so viel mitzunehmen wie möglich.
Je länger man spielt, desto mehr spielt man das Spiel auch wegen der Leute. Um das ganze Spiel hat sich ein eigener Freundeskreis gebildet. So wie ich meine Punk-Freunde habe, habe ich jetzt eben auch meine Magic-Freunde. Wenn die nicht wären und ich ständig alleine auf Turniere fahren müsste, hätte ich wahrscheinlich schon wieder aufgehört.
Alexandra, 32, Autorin von Fan-Fiction-Geschichten aus Berlin
Ich weiß nicht, ob ich mich als Nerd bezeichnen würde. Ich fühle mich davon aber eher geschmeichelt, weil das für mich aussagt, dass ich Ahnung von Comics und TV-Serien habe und mich für etwas begeistern kann. Der Begriff Nerd ist heutzutage ohnehin aufgeweicht, weil es „in“ ist, ein Nerd zu sein und unheimlich viele Sachen unter diese Kategorie fallen. Ich würde mich aber eher als „Fangirl“ bezeichnen.
Ich weiß auch gar nicht, wann das bei mir angefangen hat; ich glaube, ich war schon immer so. Leute, die so drauf sind wie ich, sehen einen Film und denken sich: „Okay, jetzt möchte ich alles dazu wissen!“ Eines meiner Lieblingsbücher ist zum Beispiel Der Pate, und nachdem ich das Buch zu Ende gelesen hatte, wollte ich sofort noch 500 weitere Geschichten zur Mafia-Familie Corleone haben. So fing es bei mir dann auch mit der Fan-Fiction an.
Bei der Fan-Fiction nimmt man ein bereits existierendes Universum – etwa das von Batman oder Harry Potter – und schreibt eigene Geschichten, die innerhalb dieser Welt spielen. Und wenn man dann eben wissen will, wie es mit dieser und jener Figur weitergeht, man aber im Hauptwerk keine Antwort darauf erhält, dann schreibt man einfach eine eigene Version davon.
Besonders wichtig in der Fan-Fiction ist das sogenannte „Shipping“, wo man Paare zusammenbringt, die in der Hauptgeschichte nie zusammengekommen sind. Harry Potter und Hermine sind da ein beliebtes Beispiel. Zum Teil sind das dann auch richtige Erotik-Geschichten. Ich glaube, diese Geschichten sind so populär, weil viele mit Fan-Fiction im Teenager-Alter anfangen, und das ist ja die Zeit, wo Romantik und Erotik für einen persönlich zum Thema werden. Und Fan-Fiction ist dann ein gutes Mittel, dieses Feld zu erforschen.
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März 2014