Ab morgen ohne Fleisch
Vegetarier werden ist einfach, einer bleiben schon ein bisschen schwieriger. Was bringt einen Menschen zum Vegetarismus und worin bestehen dann seine ersten Schritte? Darüber berichtet der Fotograf Honza, der dieses Jahr den Entschluss fasste, kein Fleisch mehr zu essen.
„Ich überlege, ganz zum Vegetarier zu werden“, schrieb mir mein Freund Honza kürzlich auf Facebook. Ich bin selbst seit sechs Jahren Vegetarierin und im Kopf schwirrten mir die ganzen Gedanken und angesammelten Informationen, Warnungen und Ermunterungen. Wichtig ist, ihm nicht abzuraten. „Der erste und schwierigste Schritt wird es, sich dazu zu bekennen. Du bist die erste, der ich das sage“, fügte Honza hinzu und ich fühlte mich geschmeichelt. Wie kam er zu der Entscheidung? Ja, er isst zwar nur dann Fleisch, wenn es ihm jemand zubereitet, und Würstchen sind sowieso nur „Mehl, Soja und Mäuse“, wie er sich einmal lächelnd ausdrückte, aber Fleisch komplett von der Speisekarte zu streichen, das ist etwas anderes. Diese Feststellung steht ihm noch bevor. „Ich würde gerne besser auf mich achten und Ernährung ist die Basis. Bestimmt werde ich ein besseres Gefühl damit haben, dass ich etwas für die Erde tue, auch wenn es die Frage ist, was ich als Einzelner damit erreichen kann. Aber ich weiß, dass ich die Menschen in meinem Umfeld beeinflussen kann, was schon mal super ist. Fleisch ganz abzulehnen kann doch so ein Anfang sein“, so fasste der 23-jährige Fotograf seine Gründe für den Vegetarismus zusammen.
So gehört Honza nun zu der Gruppe von Menschen, die Fleisch komplett von ihrer Speisekarte gestrichen haben, auch wenn alle ganz unterschiedliche Gründe dafür haben. Viele Leute verzichten auf Fleisch – und oft auf alle tierischen Produkte – seit sie den Film Erdlinge (Earthlings) gesehen haben, der mit versteckten Aufnahmen die Situation der Tiere zeigt, die für die Schlachtbank bestimmt sind, oder die von den Menschen zur Unterhaltung im Zirkus oder beim Rodeo benutzt werden oder zur Herstellung von Lederbekleidung. Weitere Motivationen, Vegetarier zu werden, sind oft gesundheitliche Probleme oder religiöse Gründe, vor allem Buddhismus. Und das ist noch lange nicht alles. „Mir ist bewusst geworden, dass ein unglaublicher Verbrauch pflanzlicher Nahrungsmittel stattfindet, um eine große Menge an Nutztieren zu füttern, die im Endeffekt einen minimalen Teil der Bevölkerung ernähren können“, sagt die 26-jährige Vegetarierin Zuzana über weitere Gründe für den Vegetarismus.
Wir sterben nicht an Unterernährung
Aber was kocht man sich anstelle von Fleisch? Die ersten „vegetarischen Schritte“ führten Honza in den Bioladen. Der kann für einen Laien, der sich mit Kartoffelbeilage in fünf Zubereitungsvarianten zufrieden gibt, wie ein Spaziergang durch Alices Wunderland sein. Eine großartige Bereicherung des Speiseplans sind zum Beispiel basale Zutaten wie Hirse, Bulgur, Couscous, Buchweizen, rote Linsen, weiße Bohnen, Kichererbsen und andere, die nicht jeder kennt oder benutzt. Aber Honza kannte außer Hirse alle diese Nahrungsmittel bereits.
Im Kühlschrank des Bioladens entdeckte Honza auch verschiedene Fleischersatzprodukte, wie vegetarische Würstchen, Salami, Frikadellen, „Steaks“, auf chinesische Art eingelegte Sojanudeln, in den Regalen mehrere Sorten Pastete, Soja-, Bohnen-, Provence- oder Champignonaufstrich. Außerdem gab es Fertiggerichte mit traditionellen Namen im Angebot – etwa Svíčková (Lendenbraten), wenn auch aus Seitan. „In Bioläden habe ich angefangen, Tofu zu kaufen, der billiger ist als im Supermarkt, auch abgewogene Nüsse, getrocknete Früchte und Getreide, dem ich mehr vertraue als anderem. Man bekommt alle Nüsse auch im Supermarkt, aber ihre Qualität ist erschreckend und die Preise völlig wahnsinnig“, kommentiert Honza seine ersten Erfahrungen mit dem fleischlosen Einkauf.
Weil Honza nach der Studienzeit einige Jahre alleine wohnte, kann er schnell und lecker kochen. „Am häufigsten koche ich mit Gemüse und Hülsenfrüchten. Außerdem habe ich irgendwann große Lust bekommen auf Nüsse, getrocknete Früchte, Goji wegen dem Vitamin C. Man kann jeden Tag irgendeine Zutat entdecken, von der man zuvor noch nie gehört hat.“ Zunächst nahm er vor allem Änderungen an schon ausprobierten Gerichten vor, erst später begann er, mit den Bestandteilen zu experimentieren. Wenn er etwas Neues versuchen will, schaut er auf einen der zahlreichen Vegetarierblogs oder eine der Gruppen in den sozialen Netzwerken. Am liebsten besucht er die Facebook-Gruppe Veganská DIY kuchařka (Veganes DIY Kochbuch), wo er schon leidenschaftliche Debatten mit Fleischfressern verfolgte oder Diskussionen über Palmöl, sich vor allem aber inspirieren ließ für seinen eigenen Speiseplan.
Nicht immer jedoch hat Honza Zeit, sich etwas vorzukochen, und muss doch in der Stadt essen. In den Mensen ist es mit fleischlosem Essen schon etwas komplizierter. Die Uni-Mensa der Masaryk-Universität in Brno, wo Honza studiert hat, wechselt zwischen fünf Sorten Soße ab, die sich eher durch die Bezeichnung als durch den Geschmack unterscheiden, sowie Salaten und Linsen. Wenn man nach fünfzehn Uhr zum Mittagessen kommt, gibt es meist nur noch Fertiggerichte, für Vegetarier also panierten Käse mit Beilage. Es sind allerdings auch oft noch Gerichte mit Robi-Fleisch übrig und einige Mensen haben ein größeres Angebot, zum Beispiel überbackene Kartoffeln mit Spinat. Deswegen geht Honza manchmal ins Restaurant. „Vor ein paar Jahren noch hätte ich im Restaurant nur panierten Käse und irgendeinen Salat bestellen können. Heute ist ein vegetarisches Sortiment von ungefähr fünf Gerichten, aus denen ich wählen kann, schon Standard. Ein Problem ist es mit dem fleischlosen Essen bei bestimmten Veranstaltungen. Gibt es etwa ein Schwedisches Kaltes Buffet, sind für mich nur Käsesorten und Gemüse dabei. Und die sind als erstes weg, also muss ich immer gierig möglichst viel von allem erbeuten“, lacht er. Aber als er kürzlich als Fotograf auf einer Zahnarztkonferenz nach zwölf Stunden Arbeit nur Kartoffelsalat auf den Teller bekam, war ihm nicht so sehr zum Lachen zumute. „In kleinen Städten ist es schwierig für mich, Essen zu bekommen, und im Hochseilgarten, wo ich in den Ferien jobbe, erwartet mich auch nur Camembert mit Kartoffeln.“
Zwischen zwei Positionen
Am Anfang kämpft man als Vegetarier aber mehr mit seinem Umfeld als mit dem Essen. Auf der einen Seite stehen die Familie und Freunde, die sich um deine Gesundheit Sorgen machen, sich möglicherweise wünschen, du wärst „normal“ und würdest ihnen vor allem beim Grillen nicht von Leichen und Konzentrationslagern erzählen. „Auch nach zwei Jahren muss ich mich noch verteidigen gegen die klassischen Argumente, dass im Fleisch Dinge sind, die nirgendwo anders drin sind, ich ohne sie krank werde und nach kurzer Zeit an Unterernährung sterbe, weil ich doch ohne Fleisch nicht ausreichend Nahrung zu mir nehme,“ erzählt Sophie Šteffková, die seit zwei Jahren Vegetarierin ist. Aber erfahrene Vegetarier wissen, dass sie auf die ausreichende Einnahme von Jod, Vitamin D und Selen achten müssen, was übrigens auch für diejenigen gilt, die Fleisch essen. Ein Vitamin, das Diskussionen hervorruft, ist B12. Das ergänzen viele Vegetarier und Veganer in Form von Nahrungsergänzungsmitteln. Als wäre die Diskussion mit besorgten Verwandten nicht genug, muss sich ein beginnender Vegetarier noch von Veganern anhören, er sei ein Heuchler. Ihrer Ansicht nach ist es wichtig, nicht nur an die Schlachttiere zu denken, sondern an alle Nutztiere und die Bedingungen, unter denen sie gehalten werden.
Honza hat allerdings ganz andere Erfahrungen gemacht. Ein Bekannter lachte ihn zwar aus und reagierte mit den Worten „Soll das ein Witz sein?“ (naja, etwas expressiver ausgedrückt), ansonsten ist er aber von Freunden umgeben, die Verständnis haben oder still sind. Sein Bruder unterstützte ihn und sagte, er mache das Richtige, und die Mutter ist zwar begeistert, macht sich aber Sorgen, ob er die nötigen Nährstoffe zu sich nimmt. Um die Meinung von anderen kümmert sich Honza außerdem nicht zu sehr, was die ganze Entscheidung viel leichter macht.
frühstückt jeden Morgen Buchweizenbrei mit Quark, Bananen und Schokolade, das ist die beste Motivation um aufzustehen.