Schnelleinstieg:

Direkt zum Inhalt springen (Alt 1) Direkt zur Hauptnavigation springen (Alt 2)

Interview
Lisa Hagmeister spielt die Mutter einer Systemsprengerin

Lisa Hagmesiter und Helena Zengel im Film Systemprenger
© kineo Film, Yunus Roy Imer

Der Film Systemsprenger ist Teil der Reihe Neuer Deutscher Film im Rahmen des Black Nights Film Festival 2019. Im Vorfeld sprach das Goethe-Institut mit der Schauspielerin Lisa Hagmeister über ihre Filmrolle als überforderte Mutter eines als aggressiv und unberechenbar geltenden Mädchens.

Pflegefamilie, Wohngruppe, Sonderschule: Egal, wo Benni hinkommt, sie fliegt sofort wieder raus. Die wilde Neunjährige ist das, was man im Jugendamt einen „Systemsprenger“ nennt. Dabei will Benni nur eines: Liebe, Geborgenheit und wieder bei ihrer Mutter wohnen! Doch Bianca (Lisa Hagmeister) hat Angst vor ihrer unberechenbaren Tochter.


Was empfanden Sie bei der Vorbereitung auf Ihre Rolle als Herausforderung? Haben Sie während der Dreharbeiten selbst Neues gelernt?
 
Nach der Beschäftigung mit dem Drehbuch konnte ich mich sofort in die Situation der Mutter hineinversetzen. Ich hatte gleich ein sehr konkretes Bild vor Augen, wie sie sich fühlt, in welchem Dilemma sie sich befindet, in welcher Welt sie lebt. Das hatte damit zu tun, dass Nora Fingscheidts Drehbuch wahnsinnig gut geschrieben war. Je besser ein Buch ist, desto konkreter ist die Fantasie, die man entwickeln kann. Dazu kam, dass Nora sehr genau wusste, wie jede ihrer Figuren motiviert war zu handeln, wie sie es tut, woher sie kommt etc. Die Gespräche mit ihr, die Beschäftigung mit dem Buch waren ausreichende Vorbereitung für den Film.
 
Ich weiß nicht, ob ich etwas gelernt habe, aber es ist wie immer im Leben, je mehr man sich in andere Menschen hineinversetzt, je mehr man hinschaut, desto größer kann das Verständnis werden. Je komplexer das Bild, desto schwieriger werden Pauschalurteile. Der Film zeigt, wie hilfsbedürftig jeder einzelne ist. Aggressive Kinder zum Beispiel sind nicht einfach frech, gehässig und renitent. Dahinter steckt eigentlich immer ein Hilfeschrei.
 
Wie war Ihr Verhältnis am Set zu Helena Zengel, die, beim Dreh neun Jahre alt wie ihre Rolle, im Film die verhaltensauffällige Benni spielt?
 
Helena und ich hatten ein gutes Verhältnis. Die Arbeit, die sie geleistet hat, allein was das Pensum anging, war enorm. Dadurch wurde natürlich alles andere richtiger Weise hinten an gestellt. Wenn Kinder am Set sind, müssen die „Großen“ jederzeit und auf alles reagieren können, wann auch immer die Kinder bereit sind. Das liegt in der Natur der Sache.
 
Die Betreuer im Film arbeiten gut zusammen, das Netzwerk scheint ausgebaut und verlässlich, trotzdem bringt dies im konkreten Fall nahezu nichts, als wollte "Systemsprenger" auch von einer Ausweglosigkeit handeln. Wie soll man sie verstehen?
 
Nora ging es immer in erster Linie darum, die Geschichte eines wütenden Kindes zu erzählen, über die Energie, die Gefühle dieses faszinierenden aber auch tragischen Mädchens. Für sie ist Bennys Ende ein offenes und kein auswegloses. Hoffnung gibt es immer! Auch wenn viele Fälle vielleicht nicht gut ausgehen. Ein Happyend hätte sich bestimmt nicht richtig angefühlt, auch in Anbetracht der Diskussion, die dieser Film anregen kann.
 
Was bedeutet Ihnen, dass der Film in der Auslandskategorie von Oscar 2020 für Nominierung vorgeschlagen wurde?
 
Ich freue mich riesig. Es ist ganz toll, wenn so einem, in meinen Augen wichtiger Film, eine solche Aufmerksamkeit zuteil wird!!
 
Wie sehen Sie es: Bekommt man in Deutschland entsprechende Hilfe/Unterstützung als Mutter eines Kindes mit tiefer Verletzung und aggressivem Verhalten?
 
Ich bin wirklich kein Experte auf dem Gebiet und möchte mir kein Urteil darüber erlauben. Das kann man bestimmt nicht pauschalisieren. Natürlich ist es ein wahnsinnig kompliziertes Feld. Es gibt sicherlich Fälle und Familien, in denen großartig geholfen wird. Es gibt Angebote, aber kommen die auch immer richtig an? Manche werden übersehen mit ihren Problemen und wissen vielleicht selber nicht, an wen man sich wenden kann/darf. Andere haben vielleicht Angst vor Restriktionen, wenn man Probleme eingesteht. Für manche Kinder ist es wichtig in sehr kleinen Gruppen betreut zu werden. Dafür fehlt oft das Geld.
 
Es gibt auch Fälle, da versagt das System kläglich. Die sozialen Berufe erfahren eine viel zu geringe Wertschätzung und haben eine unsagbar schlechte Lobby. Es gibt viel zu wenig Geld für so fundamental wichtige Arbeit!

Top