Lauri und Margo Karp - Zwillingsbrüder, Unternehmer, Gründer des Fintech-Unternehmens KFPD GmbH
Mit Deutsch haben wir im Deutschen Gymnasium Kadriorg angefangen – wahrscheinlich hing es damit zusammen, dass Verwandte während des Krieges nach Deutschland geflüchtet waren und im Unterbewusstsein unserer Eltern der Wunsch blieb, unsere Verständigung zu erleichtern, falls vielleicht irgendwann einmal der eiserne Vorhang fallen sollte, auch wenn darüber kein Wort gesprochen wurde.
In der Schulzeit interessierten wir uns zunehmend für Schach, das uns bald ernstzunehmende sportliche Erfolge bis an die Spitze in dieser Sportart brachte. Das ließ leider schulische Dinge etwas in den Hintergrund rücken, aber wir haben uns zusammengerissen. Zum Abschluss des Gymnasiums im Jahre 1992 schien die Idee, an der Universität Heidelberg Wirtschaft zu studieren, ganz und gar nicht mehr abwegig.
Zu unserem Glück hatte diese alte und ehrwürdige deutsche Universität damals sogar bestimmte Zulassungsquoten für Studienanwärter aus Ost-Europa, so dass wir immatrikuliert wurden. Die Herausforderungen waren enorm: Wir mussten uns in einer ganz anderen Sprache und Kultur durchsetzen, die Wirtschaft war anders und die Preise viel höher als in Estland. Aber wir haben es geschafft und das Studium – nach estnischem Maßstab gemessen – mit einer Silbermedaille abgeschlossen.
Unsere Karriere in Deutschland haben wir dann im Bankwesen aufgebaut. Nach zehn Jahren, als wir ausreichend Erfahrung hatten, gründeten wir ein eigenes Unternehmen und begannen, Bankangestellte zu schulen. Die deutsche Geschäftswelt funktioniert anders als die estnische. Hier läuft man eher dem schnellen und kurzen Erfolg hinterher, während in Deutschland mehr auf Stabilität gesetzt wird. Kommunikation spielt im deutschen Kulturraum eine wichtige Rolle: Man spricht viel miteinander, Briefe sind lang und ausführlich. Man muss auch begreifen, dass es kein einheitliches Deutschland gibt, sondern jede Region ihr eigenes Gesicht hat.
Um Erfolg in Deutschland zu haben, muss ein Ausländer mindestens genauso gut sein wie ein Deutscher, vielleicht sogar ein bisschen besser. Unser Erfolgsrezept ist stets eine offene Kommunikation und Deutschkenntnisse fast auf Muttersprachenniveau.
Gerade beginnt unsere Arbeitswoche am Flughafen: Montags fliegen wir nach Frankfurt, wo im Hauptsitz unserer Firma verschiedene Geschäftstreffen anstehen. Auch unsere Frauen sprechen Deutsch, und wir müssen ihnen immer die Zeitschrift Gala mitbringen, auch die Kinder haben in Deutschland ihre Freunde gefunden. Wir sind Wanderer zwischen zwei Staaten und damit zufrieden: Die über Jahre gebaute Brücke zwischen Deutschland und Estland ist stabil.