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Stadtplanung
Mit dem Wissen der Vielen

PlanBude | Hamburg | St. Pauli
PlanBude | Hamburg | St. Pauli | Foto: Margit Czenki

Die PlanBude, ein Planungsbüro mit aktivistischer Haltung, entstand im Zuge der Auseinandersetzungen um den Abriss der „Essohäuser“ im Hamburger Stadtteil St. Pauli. Für die Neubebauung dieses Grundstücks an der Reeperbahn – mitten im Rotlicht- und Amüsierviertel – entwickelten sie innovative Planungsmethoden.

Das Planungsbüro, ein interdisziplinäres Team aus Architekten, Künstlern, Sozialpädagogen und Stadtplanern, wurde 2014 aus einer unabhängigen Stadtteilversammlung heraus gegründet. Sie erhielten vom Bezirksamt Hamburg Mitte den Auftrag, eine Bürgerbeteiligung zur Planung des Neubaus auf dem 6.000 Quadratmeter großen Areal zu organisieren. Die Ergebnisse dieses Prozesses sollten Grundlage für die Auslobung des Architektenwettbewerbs werden.

Weil derartige Beteiligungsprozesse meist formalisiert und wenig pluralistisch ablaufen, wollte PlanBude Methoden entwickeln, mit deren Hilfe möglichst viele Menschen ihre Ideen einbringen können. Es ging darum, präzise Forderungen, nicht nur unverbindliche Anregungen zu formulieren.

Legomodell Legomodell | Foto: Margit Czenki PlanBude ließ sich die Verbindlichkeit der Beteiligungsergebnisse vom Bezirksamt vertraglich zusichern und sammelte innerhalb von viereinhalb Monaten 2.300 Beiträge von Bürgern. Außerdem stellten sie einen PlanBude-Container direkt am Baugrund auf und organisierten den Planungsprozess als Austausch-Plattform. Zu diesem Zweck entwickelte PlanBude ein Legomodell im Maßstab 1:150 sowie eine schwarze „Nachtkarte“. Auf ihr ließ sich mit Lackstiften zeichnen, wie St. Pauli im Jahr 2020 bei Nacht aussehen könnte. Es gab taktische Möbel, die etwa einen Poller in einen Tisch und einen Einkaufswagen in ein Arbeitspult verwandelten. So wurde die Straße zum öffentlichen Planungsstudio.

Wunschproduktion Wunschproduktion | Foto: Margit Czenki Vorträge, Workshops und eine Filmtour durch die Kneipen und Kaschemmen des Viertels befassten sich mit günstigen Baumethoden, mit der Verdrängung der Musikszene, mit den Veränderungen im Rotlichtmilieu und der „Disneyfizierung“ der Reeperbahn.

In einem Fotoworkshop „Knack den St. Pauli Code“ entstanden Bilder, die das „Vokabular der Stadt“ analysieren und entschlüsseln sollten.
 

Audioslideshow „Knack den St. Pauli Code“

Aus den unzähligen Aussagen der Bürger fertigte das PlanBude-Team Bildanalysen, filterte prägnante Sätze heraus und entwickelte Mehrheitsentscheidungen. So ergab sich zum Beispiel, dass beim äußerst gefragten Wohnraum eine hohe Dichte akzeptiert wird, wenn die Wohnungen dafür bezahlbar bleiben. Weiterhin gab es den Wunsch nach einem öffentlichen Erdgeschoss, einer Jugendpassage und einem Nachbarschaftstreffpunkt. Häufig nutzbare Räume sollten auf das Dach verlegt werden. Insgesamt war Kleinteiligkeit gefragt, mit Nischen, vielen Eingängen und Schlupflöchern.
 
Audioslideshow Ergebnisse für das Esso-Gelände

In weiteren Stadtteilversammlungen holte sich PlanBude viel Feedback zu den Analysen und konnte am Ende einvernehmlich mit dem Bezirk und den Investoren die Forderungen der Bürger zur Grundlage für die Auslobung des Wettbewerbs machen.

Nun war es die Aufgabe der Architekten, diese sehr präzisen Forderungen umzusetzen. Die Architekturbüros NL und BeL gewannen den städtebaulichen Wettbewerb. Ihr Modell hielt sich eng an die Vorstellungen der Bürger und hatte vor krassen Gegensätzen und Inhomogenität keine Scheu.
 
Audioslideshow zu den Ergebnissen des Architekturwettbewerbs
 

PlanBude

ist ein interdisziplinäres Team aus den Bereichen Planung, Kunst, Soziale Arbeit, Film, Musik und Architektur.

Christoph Schäfer Foto: privat Christoph Schäfer studierte von 1985 bis 1992 an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg. Ab 1989 befasst er sich mit urbanem Alltag und arbeitet in Kooperation mit anderen Künstlern, Planern und Architekten. Sein Projekt „Park Fiction“, beschäftigt sich bereits mit kollektiver Stadtplanung in Hamburg und wurde 2002 auf der Documenta in Kassel ausgestellt.


Renee Tribble Foto: privat Renée Tribble studierte von 1998 bis 2005 Architektur an der Bauhaus Universität in Weimar. Sie arbeitet als freie Planerin für diverse Architekturbüros und als Dozentin an der HafenCity Universität Hamburg, wo sie „Urban Design“ lehrt.
Weitere Mitglieder von Planbude: Christina Röthig (Sozialarbeiterin), Volker Katthagen (Architekt und Urbanist), Margit Czenki (Filmemacherin und Künstlerin), Lisa Marie Zander (Architekturstudentin), Patricia Wedler (Kulturwissenschaftlerin und Musikerin)

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