CEC 2016
Ein Werkzeug für gesellschaftlichen Wandel?

CEC 2016
Diskussion und Austausch zu Rechtsstaatlichkeit: Auf dem Panel: Prof. Dr. Salsabil Klibi (University of Tunisia, Mitte) und Prof. Dr. Jeffrey Gedmin (Georgetown University, Rechts); Foto: Goethe-Institut/Sabrine Turki | Foto: Goethe-Institut Tunis/Sabrine Turki

Was kann zivilgesellschaftliche Bildung erreichen und wo stößt sie an ihre Grenzen? Vor welchen Herausforderungen stehen zivilgesellschaftliche Akteure, die sich der Bildungs- und Kulturarbeit verschrieben haben und selbst Bildungsprojekte gestalten und durchführen und wie kann die Vernetzung dieser Akteure gestärkt werden? Diesen und anderen Fragen widmete sich die Civic Education Conference (CEC) 2016 in Yasmine Hammamet in Tunesien, die vom 13. bis 15. Mai knapp 200 Menschen aus 15 Ländern zusammenbrachte, um zu diskutieren, sich auszutauschen und neue Projekte anzustoßen.
 

Aufbauend auf den Ergebnissen und Erfahrungen der ersten Civic Education Conference in Alexandria im Dezember 2013 stand auch die jüngst zu Ende gegangene CEC 2016 ganz im Zeichen eines partizipatorischen und proaktiven Erfahrungsaustausches. Doch auch die Vernetzung zivilgesellschaftlicher Gruppen und Organisationen, die sich im Bereich der Bildungs- und Kulturarbeit in Nordafrika und Europa engagieren, fand sich ganz oben auf der Tagesordnung der CEC wieder. Denn, so betonten Teilnehmer und Organisatoren der Konferenz gleichermaßen, die regionale und internationale Vernetzung zivilgesellschaftlicher Akteure ist und bleibt einer der wichtigsten Aufgaben und Herausforderungen, um eine erfolgreiche und nachhaltige zivilgesellschaftliche Bildungsarbeit leisten zu können.

Die vom Goethe-Institut in Zusammenarbeit mit dem Danish Egyptian Dialogue Institute (DEDI), der Union des Tunisiens Indépendants pour la Liberté (UTIL), der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) und der Tahrir Lounge @ Goethe organisierte und vom Auswärtigen Amt geförderte Konferenz setzte daher dieses Jahr insbesondere auf nachhaltige Vernetzungsarbeit. Denn neben einem Erfahrungsaustausch und bereichernden Diskussionen sei der Aufbau eines Netzwerks im Bereich der zivilgesellschaftlichen Bildung das wohl wichtigste Ergebnis der CEC 2016, sagt Moez Ali, Vorsitzender der UTIL, auf der Pressekonferenz in Tunis kurz nach Ende der Konferenz, die unter der Schirmherrschaft des tunesischen Bildungsministeriums stand und vom tunesischen Tourismusministerium unterstützt wurde. „Bis heute gab es keine Plattform für den Austausch an Forschungserfahrungen“, so Ali. Mit der offiziellen Vorstellung der NACE Initiative (Networking Arab Civic Education) am Ende der Konferenz wurde jedoch erstmals eine solche Plattform auch formell ins Leben gerufen.

Zivilgesellschaftliche Bildung sollte in der Grundschule beginnen

NACE will in Kooperation mit den Konferenzpartnern und interessierten Organisationen die Ausweitung zivilgesellschaftlicher Bildungsprojekte sowie den Austausch mit vergleichbaren Netzwerken in Europa forcieren, vor allem aber Räume für den Wissensaustausch in der Region schaffen und damit die Institutionalisierung der in den letzten Jahren geleisteten Arbeit einen entscheidenden Schritt voranbringen. Das Ziel dieser Plattform sei auch eine Reform des Bildungssystems anzustoßen, meint Ali. „Zivilgesellschaftliche Bildung sollte bereits in der Grundschule beginnen.“ Ein erster Schritt sei nun die Berichte über die CEC und ihre Ergebnisse an Tunesiens Bildungsministerium zu übermitteln. Auch Gabriele Becker, Leiterin des Goethe-Instituts in Kairo und Regionalleiterin für die Region Nordafrika/Nahost, zeigte sich optimistisch für die Zukunft der zivilgesellschaftlichen Bildung in der arabischen Region. „Das Goethe-Institut wird die Entwicklung und die Aktivitäten des Netzwerkes gespannt begleiten und beobachten“, erzählt sie.

Auch mit den Resultaten der CEC ist sie zufrieden: „Die Konferenz brachte erneut wichtige Akteure aus dem Bereich der zivilgesellschaftlichen Bildung in der arabischen Region zusammen und ermöglichte ihnen den Erfahrungsaustausch untereinander. Ich glaube, durch diese Begegnungen, durch das gemeinsame Arbeiten in den Workshops und nicht zuletzt durch den informellen Austausch am Rande der Konferenz konnten wir das Netzwerk voranbringen“, hofft sie. „Neue Kontakte sind entstanden und jede/r Einzelne wurde durch den inhaltlichen Input in der Konferenz und den Austausch für die Weiterarbeit in der zivilgesellschaftlichen Bildung gestärkt.“

Viele weitere kleine Schritte in Richtung einer Stärkung der zivilgesellschaftlichen Bildung in der Region wurden derweil während der CEC selbst gemacht. In mehreren Podiumsdiskussionen an den ersten beiden Tagen der Konferenz und in den vier Arbeitsgruppen, die über zwei Tage lang in intensiven Workshops die wichtigsten Empfehlungen für eine zukünftige Bildungsarbeit in der Region ausarbeiteten, hatten die rund 200 Teilnehmenden der Konferenz ausgiebig Zeit sich über die lokalen Erfahrungen, Probleme und Herausforderungen in ihren jeweiligen Ländern und Arbeitsfeldern auszutauschen und Strategien und Methoden zu diskutieren.

Das Prinzip: Voneinander lernen

Auch die breit aufgestellte Teilnehmerliste half dabei. Kam bei der ersten Auflage der CEC in Alexandria im Dezember 2013 noch der überwiegende Anteil der Teilnehmenden aus Ägypten, war das Teilnehmerfeld bei der jüngsten Auflage der Konferenz deutlich internationaler. So fand die dreitägige Konferenz 2016 vor allem bei Menschen aus Tunesien, Ägypten und Deutschland Anklang, doch auch aus Jordanien, Algerien, Marokko, Slowenien, den Niederlanden, Pakistan, Moldawien, Rumänien und den USA reisten Teilnehmende nach Yasmine Hammamet. Während das Gros der Teilnehmenden in staatlichen oder privaten Bildungsträgern engagiert ist, nahmen auch Vertreter von Universitäten in Europa, Nordamerika und dem Nahen Osten, aber auch von Menschenrechtsorganisationen und sogar einige aus dem Gewerkschaftsbereich an der Konferenz teil.

Ganz im Sinne des immer wieder im Rahmen der Konferenz erwähnten Prinzips des „Voneinander Lernens“, aber auch der Frage welchen Zweck zivilgesellschaftliche Bildung überhaupt hat, wurde die CEC auch eröffnet. „Wie kann zivilgesellschaftliche Bildung ein Werkzeug für den Wandel des Lebens werden?“, fragte Dr. Abdelbasset Ben Hassan vom Arab Institute for Human Rights in Tunesien in seiner Grundsatzrede. Thomas Krüger, Präsident der bpb, wurde gar noch deutlicher. „Eine Demokratie braucht weit mehr als nur demokratische Institutionen. Sie braucht demokratisch gesinnte Bürger und Bürgerinnen“, sagte Krüger auf der CEC 2016. Und genau bei dieser Entwicklung könne zivilgesellschaftliche Bildungsarbeit eine Hilfestellung leisten.

„Wir brauchen nicht nur zivilgesellschaftliche Bildung, wir brauchen weit mehr“, glaubt die Gründerin der Tahrir Lounge in Cairo, Mona Shahien. „Zivilgesellschaftliche Bildung braucht neue Werkzeuge und Wege – formelle und informelle. Workshops reichen nicht aus, um einen Wandel anzustoßen. Wir müssen diese Werte und Ideen schon im täglichen Leben praktizieren“, meint sie.

Eine Atmosphäre zum Austausch von Ideen

Wie dieses Ziel im Kontext der Bildungsarbeit vorangetrieben werden kann oder sollte, zeigte sich auch anhand der Ergebnisse, die in den vier Arbeitsgruppen erarbeitet wurden. Dieses Jahr aufgeteilt in die vier Bereiche Kunst und Kultur, Gleichberechtigung und Vielfalt, Rechtsstaatlichkeit und Bildung und zivilgesellschaftliches Engagement wurden diese Workshops wie bereits 2013 dazu genutzt, um in kleinen Gruppen themenspezifisch diskutieren zu können und Empfehlungen zu formulieren. Insgesamt 37 dieser Empfehlungen aus den vier Workshops wurden am Ende der CEC nach Dringlichkeit gewichtet verabschiedet und reflektieren einige der wohl wichtigsten Probleme und Herausforderungen, vor denen zivilgesellschaftliche Bildungsarbeit in der Region heute steht.

Neben der Schaffung öffentlicher Räume für die Allgemeinheit und einer Dezentralisierung der Bildungsarbeit selbst taucht auch hier immer wieder die Forderung nach mehr Vernetzung und Kooperation staatlicher und zivilgesellschaftlicher Träger auf. Doch trotz der im Zuge der CEC vorangetriebenen Vernetzungsarbeit, die sich früher oder später in konkreten Projekten in der Region materialisieren dürfte, steht weiterhin die Frage im Raum was diese Bildungsarbeit zu leisten im Stande ist. „Zivilgesellschaftliche Bildung kann die Probleme von Gesellschaften, die sich in einer Transition befinden, nicht allein lösen, aber sie kann eine Atmosphäre schaffen, in der Ideen ausgetauscht werden können“, bringt es Thomas Krüger auf den Punkt.