CEC
Die Civic Education Conference in Alexandria 2013

CEC 2013
Goethe-Institut Kairo /Giacomo Crescenzi

Es hätte keinen passenderen Zeitpunkt für die „Civic Education Conference“ (CEC) in Alexandria geben können: Am 10. Dezember 1948 verabschiedeten die Vereinten Nationen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte in Paris. 55 Jahre später, in der Zeit vom 8. bis 10. Dezember 2013, trafen sich mehr als 250 Menschen aus Ägypten, Tunesien und Europa, um – in Foren, Workshops und ihren freien Minuten dazwischen – Möglichkeiten und Wege zur Förderung der politischen Bildung in Ägypten und anderen arabischen Ländern zu besprechen.

Das Goethe-Institut Kairo hatte, zusammen mit Tahrir Lounge, ein Publikum, das in der politischen Bildung engagiert ist, eingeladen, an der Konferenz in der berühmten Bibliotheca Alexandrina teilzunehmen; weitere Partner waren die Hanns-Seidel-Stiftung, die Bundeszentrale für politische Bildung und das „Center for Democracy and Social Peace Studies" (übersetzt etwa: Zentrum für Demokratie und Sozialfriedensforschung) an der Bibliotheca. Die kleine Gruppe der Organisationen, die aus den Transformationspartnerschaften des Instituts hervorgingen, hatten ein erstklassiges Programm zusammengestellt, welches mit einer Ansprache von Prof. Dieter Rucht vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung eröffnet wurde. Rucht betonte das Konzept der „Zivilität“ als „Instrument und Mittel, die soziale Freiheit voranzubringen“ und erklärte, wie Zivilität und Demokratie einander stärkten. Dr. Abdel Monem Al-Mashat, Professor an der Future University Egypt, beschrieb in seiner Ansprache das 20. und 21. Jahrhundert als einen einzigen großen Aufstand gegen autoritäre Regime auf der ganzen Welt. Die Konferenz wurde moderiert von Nelly Corbel, Gründerin und Leiterin einer Forschungsgruppe für gesellschaftliches Engagement an der American University in Cairo, und der Journalistin und Moderatorin Amira El Ahl.

Aus der Erfahrung der Deutschen lernen

Die Ansprachen und die darauffolgende Podiumsdiskussion über Nationale und Internationale Perspektiven bildeten die Grundlage, auf der dann ein Austausch von Meinungen und Gedanken stattfinden konnte. Das Publikum beteiligte sich so rege an der Diskussion, dass es gar nicht möglich war, alle Wortmeldungen anzunehmen. Schnell wurde klar, dass die Rolle der ägyptischen Schulen als entscheidend für die Entwicklung einer auf Mitbestimmung ausgerichteten Gesellschaft angesehen wurde, auch wenn diese noch verbesserungswürdig sind.

Der zweite Tag der Konferenz wurde von Thomas Krüger, dem Präsidenten der Bundeszentrale für politische Bildung, mit einer Präsentation über politische Bildung in Deutschland nach dem Fall der Berliner Mauer eröffnet. Von besonderem Interesse waren für das größtenteils ägyptische Publikum die Vergleichspunkte zwischen der ägyptischen und der deutschen Erfahrung, wobei Krüger selbstverständlich keine Empfehlungen geben konnte, wie im Fall Ägyptens weiter verfahren werden sollte. In der folgenden Podiumsdiskussion wurde das Thema nun wieder allgemeiner und Konsensbildung wurde als Grundmittel der politischen Bildung besprochen.

Toleranz und Akzeptanz von Verschiedenheit

Am Nachmittag wurden dann Nägel mit Köpfen gemacht, als sich die Teilnehmenden in vier gleichzeitig stattfindenden Workshops mit vier Themenbereichen beschäftigten: Was sind die wichtigsten Herausforderungen, wenn es darum geht, politische Bildung zu fördern? Wie kann man Neutralität und Toleranz gegenüber den Intoleranten erlangen? Was hat politische Bildung zum Inhalt und wer sind die wichtigen Akteure in ihrem Einführungsprozess? Am Ende dieser zeitgleichen Workshops notierten die Gruppenleiter und -leiterinnen ihre Empfehlungen, über welche alle Teilnehmenden der Konferenz in einer gemeinsamen Abschlusssitzung demokratisch abstimmten.

Es war den Organisierenden sehr wichtig, dass sich die Ergebnisse der CEC nicht auf wohlklingende Erklärungen beschränken. Dennoch ist Ägypten, sowie auch andere Länder der Region, gerade erst am Anfang eines sehr steinigen Weges hin zu einer funktionierenden politischen Bildung. Die Empfehlungen, welche die Teilnehmenden der Konferenz vorbrachten, berücksichtigten daher die verschiedenen religiösen und traditionellen Hintergründe der Regionen Ägyptens – so ist die Struktur auf dem Sinai und in Oberägypten recht anders als in den zwei Ballungszentren Ägyptens und benötigt daher eine andere Herangehensweise an das Erstellen eines Lehrplans für politische Bildung. Toleranz, Einbeziehung und Akzeptanz von Verschiedenheit wurden dennoch als Kernbegriffe in der Ausgestaltung eines jeden Lehrplans gesehen.

Mehr Selbstreflexion und Vernetzung

Die Teilnehmenden identifizierten mehrere entscheidende Herausforderungen, die angegangen werden müssen, wie die Bewahrung eines kritischen Blickes für seine eigenen Methoden, die stärkere Einbindung von bereits existierenden NGOs und die Schaffung von Netzwerken unter ihnen, und am wichtigsten: die Motivierung junger Bürger dazu, in der Zivilgesellschaft aktiv zu werden. Das Goethe-Institut, Tahrir Lounge und alle anderen teilnehmenden Organisationen brachten ihre Bereitschaft zum Ausdruck, auch zukünftig eine aktive Rolle in diesem Prozess zu spielen.

Kai Boeckmann, Delegierter der Deutschen Botschaft in Kairo, hatte in seiner Rede gleich zu Beginn der Civic Education Conference in Alexandria Bezug auf den Dichter Fuad Negm genommen, der im Dezember 2013 verstorben war. Indem er den ägyptisch-arabischen Dialekt als einer der ersten seiner Zeit benutzte, gewann der berühmte Dichter die Herzen des ägyptischen Volkes. Genau das ist, laut Boeckmann, der Grundgedanke politischer Bildung: die Sprache der Bürger zu sprechen – mit ihnen, nicht über sie.