Deutschstunde
Deutsches Filmfestival (II)
Eine Adaption des gleichnamigen Romans von Siegfried Lenz, einem Klassiker der deutschen Literatur über die Zeit des Nationalsozialismus.
Von Miguel Muñoz Garnica
Siggi, ein Mittzwanziger, der sich in einer Besserungsanstalt aufhält, soll einen Aufsatz über „Die Freuden der Pflicht“ schreiben. Obwohl er sich anfangs nicht in der Lage sieht, diese Aufgabe zu bearbeiten, nimmt sein Aufsatz schließlich Form an, indem er darin über seinen Vater und dessen Leben kurz vor dem Ende des Nationalsozialismus schreibt: Er war ein örtlicher Polizeichef mit einem Pflichtbewusstsein, das an Psychopathie grenzte. So entsteht eine Geschichte über das Erwachsenwerden, erzählt wie ein Vulkan voller Erinnerungen. Eine Interpretation der Kindheit unter dem Aspekt der Pflicht, die von zwei Vaterfiguren getragen wird: Siggis Vater und einem Maler, den ersterer bewachen muss, um das Malverbot einzuhalten, das das Regime ihm auferlegt hat. Siggi steht zwar zunächst auf der Seite seines Vaters, um ihm bei der Erfüllung seiner Pflicht zu helfen, fühlt sich jedoch bald zu dem Künstler und seinem Werk hingezogen.
Man muss nicht weiter ins Detail gehen, um eine Vorstellung davon zu bekommen, wo eine der Stärken des Romans liegt: Der Erzähler, der sich nicht damit begnügt, geradlinig die Handlung zu beschreiben, sondern sie vielmehr aus Erinnerungsfragmenten konstruiert und ihr so eine Dimension des persönlichen Wachstums verleiht. Erzählen, um sich selbst zu erzählen. Eine Verfilmung würde in diesem Punkt unweigerlich scheitern, angesichts der Herausforderung, alle Nuancen eines Ich-Erzählers in das Medium Film zu übertragen oder den Bildern eine einprägsame Qualität zu verleihen.
In diesem Punkt findet der Film auch ein Äquivalent zu der Sensibilität des Ich-Erzählers, der vor dem geistigen Auge erhabene Bilder aus diesen schweren Jahren beschwört. Zum Beispiel das seiner Schwester auf einer Schaukel – ein Motiv, dem Schwochow mehrere Aufnahmen in einem eher akademischen Stil widmet. Auf diese Weise macht er sich die analeptische Struktur des Buches zu eigen, doch die Bilder zeigen letztendlich mehr von der Empfindsamkeit der Gegenwart als von der Erinnerung. Dazu kommt ein starker Diskurs über die deutsche Geschichte als einen Saturn, der seine Kinder verschlingt. Dies wird in den letzten Momenten der Handlung deutlich, in denen seine Väter, der leibliche Vater und der Künstler, Siggi schließlich den Rücken kehren.