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Corona-Pandemie
Wie das Virus unser Leben verändert

„The world is temporarily closed“: Die Corona-Pandemie hat zeitweise große Teile des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens angehalten.
„The world is temporarily closed“: Die Corona-Pandemie hat zeitweise große Teile des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens angehalten. | Foto (Detail): Edwin Hopper/Unsplash.com

Seit Frühjahr 2020 hält die SARS-CoV-Pandemie die ganze Welt an. Drastische Einschnitte in das tägliche Leben sollen helfen, das Corona-Virus einzudämmen. Manche Bereiche unserer Gesellschaft könnten dauerhaft davon betroffen sein. Eine Zwischenbilanz.

Von Petra Schönhöfer

Umwelt: Nur ein kurzes Aufatmen

Delfine, wo sonst nur Kreuzfahrtriesen schwimmen – diese vermeintlich erfreuliche Nachricht aus Venedig ging während der Corona-Pandemie um die Welt. Doch die Umweltorganisation Green Peace stellte schnell klar: Das verbreitete Video zeigte keine Delfine in Venedig, sondern im Hafen der sardischen Stadt Cagliari. Und dort sind sie gar nicht so selten. Auch das vermeintlich klarere Wasser in Venedig hing mit der fehlenden Verwühlung von Sediment aus der Tiefe zusammen und ist kein Indiz für bessere Wasserqualität. Hat die Natur die Corona-Krise also doch nicht genutzt, um sich zu erholen? Weniger Verkehr auf den Straßen, die Industrieproduktion teilweise lahmgelegt, die Büros verwaist, die Flugzeuge am Boden – es könnte ja leicht der Eindruck entstehen, dass ein Virus unser Klima rettet. Doch das Umweltbundesamt klärt auf: „Wenn die Corona-Krise eine positive Auswirkung auf die Luftqualität, den Ausstoß von Treibhausgasen und lärmbedingte Gesundheitsrisiken haben sollte, wird dies ein kurzfristiger Effekt sein.“ Eine langfristige Verbesserung erreiche man nur mit einer gezielten Umweltpolitik, die Infrastruktur, Konsum- und Mobilitätsmuster dauerhaft und nachhaltig verändere. Im Klartext: Wenn die Wirtschaft nach der Krise wieder wie zuvor läuft und der Verkehr wieder zunimmt, werden auch die Umweltschäden wieder steigen.

Wirtschaft: Schwere Rezession

Der Corona-Lockdown und die schwierige außenwirtschaftliche Lage, vor allem in Hinblick auf die USA, führten Deutschland in eine Rezession. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes gingen vor allem die privaten Konsumausgaben zurück, ebenso wie Investitionen in Maschinen, Geräte und Fahrzeuge. Bereits im ersten Quartal 2020 waren Einbußen um 2,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu verzeichnen. Im Vergleich zu anderen großen europäischen Ländern steht Deutschland aber noch ganz gut da: In Frankreich, der nach Deutschland zweitgrößten Volkswirtschaft der Euro-Zone, stürzte die Wirtschaft von Januar bis April 2020 um 5,8 Prozent ab, in der Nummer drei Italien waren es 4,7 Prozent. Mit dem Konjunktureinbruch im ersten Vierteljahr ist nach Einschätzung von Volkswirt*innen die Talsohle allerdings noch nicht erreicht. Die Bundesregierung rechnet im Gesamtjahr 2020 mit der schwersten Rezession der Nachkriegsgeschichte. Das Bruttoinlandsprodukt Deutschlands wird nach aktueller Schätzung des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, umgangssprachlich die „Wirtschaftsweisen“, im Jahr 2020 insgesamt um sechs bis sieben Prozent schrumpfen. Zum Vergleich: In der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise 2009 war das deutsche Bruttoinlandsprodukt um 5,7 Prozent gesunken. Auch die Arbeitslosigkeit hat in Deutschland unter der Corona-Krise zugenommen. Die Arbeitslosenquote lag im Juni 2020 bei 6,2 Prozent und damit um 1,3 Prozent höher als im Juni 2019. Das sind rund 640.000 Arbeitslose mehr als im Vorjahr.

Arbeitswelten: Hybridlösungen für neue Flexibilität

Während viele Menschen während des Lockdowns in Kurzarbeit gerieten und nun Einkommenseinbußen hinnehmen müssen oder von Erwerbslosigkeit bedroht sind, wurden andere Arbeitnehmer*innen, etwa in der Lebensmittelversorgung und oder im Gesundheitssystem, sogar einer Mehrbelastung und einem besonders hohen Infektionsrisiko ausgesetzt. Für einen weiteren Teil der Beschäftigten verschob sich der Arbeitsort in die heimischen vier Wände, ins Homeoffice. Der Mikroblogging-Dienst Twitter gehörte zu den ersten Unternehmen, die schon Mitte März ihre Mitarbeiter*innen weltweit zum Arbeiten nach Hause schickten. Die Büros sollen mindestens bis September 2020 geschlossen bleiben und die Mitarbeiter*innen dann selbst entscheiden, ob und wann sie ins Büroleben zurückkehren. Sicher ist, dass das Büro in seiner traditionellen Form überholt erscheint und sich neue, flexiblere Möglichkeiten bewährt haben. Hybride Arbeitssituationen, bei denen einige Mitarbeiter*innen vor Ort im Büro sind, andere mobil oder im Homeoffice, scheinen ein zukunftsweisender Weg zu sein, wie eine Studie des Personalunternehmens Adecco nahelegt. Viele Arbeitnehmer*innen haben sich außerdem zwangsläufig mit neuen Techniken wie etwa der Videokonferenzen vertraut gemacht. Dies kann in Zukunft bewirken, dass nicht mehr alle Dienstreisen und Präsenztermine notwendig sein werden. Was auch Auswirkungen auf das Mobilitätsverhalten hätte: weniger Stau im Pendlerverkehr, weniger Inlandsflüge unter der Woche. Wie die Studie außerdem ergab, könnte Corona das Ende des stundenbasierten Vertrags und der 40-Stunden-Woche einläuten, denn bei Arbeitnehmer*innen sinkt die Akzeptanz der strikten 40-Stunden-Woche: Mehr als zwei Drittel (69 Prozent) befürworten eine „ergebnisorientierte Arbeit“, bei der Verträge auf der Erfüllung von vereinbarten Zielen basieren und nicht auf einer bestimmten Anzahl von Arbeitsstunden.

Medien: Das lineare Fernsehen ist zurück

Es ist wenig überraschend, dass der Medienkonsum während der Pandemie zugenommen hat. Nachrichtenanbieter wie die Deutsche Welle meldeten Rekord-Zugriffszahlen auf ihre Online-Angebote. Nachrichten waren das Format der Stunde und in allen Darreichungsformen gefragt. Der Anteil täglicher Leser von werbefinanzierten Online-News stieg laut einer Umfrage des Bereichs Media & Entertainment der Beratungsgesellschaft Deloitte deutschlandweit um 35 Prozent. Zudem waren immer mehr Nutzer bereit, für Inhalte zu zahlen: Die regelmäßige Nutzung von kostenpflichtigem Premium-Content legte um 25 Prozent zu, digitale Zeitungsausgaben als pdf oder App sogar um 31 Prozent. Zudem erlebte das lineare Fernsehen eine Renaissance: Bei 21 Prozent der von Deloitte Befragten lief der Fernseher täglich über zwei Stunden länger als vor der Pandemie. Sogar die jungen Zielgruppen, bei denen der TV-Konsum bisher ebenso kontinuierlich wie deutlich abgenommen hatte, entdeckten das lineare TV wieder für sich. Diese Revitalisierung ging dabei aber nicht zu Lasten von Video-on-Demand (VoD): Knapp die Hälfte der VoD-Nutzer*innen konsumierten deutlich mehr Inhalte als vor Beginn der Schutzmaßnahmen gegen das Coronavirus. Auch das Radio wurde von rund 30 Prozent der Befragten intensiver genutzt. Vor allem Podcasts haben einen zusätzlichen Schub bekommen und den Weg aus der technikaffinen Nische gefunden. Die Sendungen tauchen häufig tiefer in ein Thema ein als die klassischen TV- oder Radio-Nachrichten und punkteten bei den Nutzer*innen mit relevanten Hintergrundinformationen. In der bedrohlichen Situation der Pandemie besannen sich außerdem viele Nutzer*innen auf traditionelle Medienanbieter. Einer im Sommer 2020 veröffentlichten Studie der Nachrichtenagentur Reuters zufolge genießen diese Medienhäuser eine deutlich höhere Glaubwürdigkeit als Soziale Medien. Das Pandemie-Paradox: Trotz höherer Nutzung haben viele Verlage nun ernsthafte finanzielle Probleme, weil ihre Werbeeinnahmen aufgrund der Krise wegbrachen.

Kunstmarkt: Verschiebung in den Online-Bereich

Mit der Art Fair Mannheim fand im Juli 2020 erstmals eine Kunstmesse rein virtuell statt. Livestreaming, TV-Ausstrahlungen, digitale Ausstellungsbesuche – all das sind Wege, die die Kunstwelt zu Pandemie-Zeiten beschritten hat. Lange Zeit hatte der klassische Handel den Sammler*innen aus der Wirtschaft- und Finanzwelt skeptisch gegenüber gestanden, die ein Kunstwerk über das Smartphone statt bei Galerist*innen ihres Vertrauens erwarben. Hier könnte die Corona-Krise für eine Trendwende sorgen, denn für den Kunstmarkt gewann der Online-Handel durch Corona an Stellenwert. Thomas Fischer, Galerist in Berlin, nutzt die Verkaufs-Plattform BerlinViews.com, um seine Künstler zu präsentieren: „Die Webseite bietet rund 25 Berliner Galerien die Möglichkeit, jeweils einen Künstler aus ihrem Repertoire vorzustellen und Kunstwerke auch gleich zu verkaufen.“ Während manche Beobachter*innen befürchten, Entdeckungen in Underground-Galerien, Off-Spaces, Subkulturen und Kunsthochschulen könnten durch solche Konzepte bald Geschichte sein und der Markteintritt junger, unbekannter Künstler erschwert werden, sieht Fischer die Probleme eher im hochkommerziellen Bereich. Namhafte Auktionshäuser wie Nagel in Stuttgart geraten in finanzielle Nöte, renommierte Kunstmessen von Köln über Brüssel bis in die Schweiz werden abgesagt. Den ausgefallenen Events der Branche wie Vernissagen misst er nur wenig Bedeutung bei: „Entscheidend für die meisten Galerien ist die Intensivbetreuung von Interessent*innen. Die Kurator*in eines Museums kommt ja nicht unbedingt zur Vernissage, sondern vereinbart einen Termin nach Bedarf.“ Die zeitweise Schließung vieler Kulturorte habe seiner Erfahrung nach Künstler*innen nicht davon abgehalten, weiter kreativ zu sein.

Theater: Wie viel Geld ist genug?

Unter Einhaltung von Abstands- und Hygieneregeln dürfen im Sommer 2020 vielerorts in Deutschland wieder Kulturveranstaltungen stattfinden. Aber – ob Open-Air-Konzerte mit Abstand, Festspiele unter freiem Himmel, kleinere Schauspiel-Formate im öffentlichen Raum oder ausgedünnte Sitzreihen in den Sälen – diese Maßnahmen führen zu geringeren Einnahmen und weniger Mitteln für Produktionen. Staatstheater sind davon weniger betroffen als viele private Theater, freie Bühnen und freiberufliche Künstler*innen. Nirgendwo auf der Welt gab es – im Vergleich zur Einwohnerzahl – so viele Theater, Museen und Konzerthäuser wie in Deutschland vor der Pandemie: 130 öffentliche Symphonie- und Kammerorchester, rund 6.800 Museen, 40 Festspielhallen und zirka 7.000 Festivals sind das Erbe einer föderalistischen Kulturpolitik. In Deutschland sind hauptsächlich die Kommunen für den Kulturbetrieb zuständig, die allerdings selbst mit steigenden Belastungen durch die Pandemie zu kämpfen haben. „Nach Corona wird es darum gehen: Wie viel Geld gibt es dann noch für die Freie Szene? Welche Förderungen laufen weiter?“, erläutert Kulturpolitologe Julius Heinicke in einem Gespräch mit der Deutschen Welle. Für einen „NEUSTART KULTUR“ werden 2020 und 2021 insgesamt rund eine Milliarde Euro mehr für den Kulturbereich vom Bund zur Verfügung gestellt.

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