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Filmarchiv

Bildausschnitt: beleuchteter, festlicher, vertäfelter Filmvorführraum

Melanie Lischker
Bilder (m)einer Mutter

  • Produktionsjahr 2021
  • Farbe / LängeFarbe / 78 Min.
  • IN-Nummer IN 4558

Erzählt wird mit home-movies und Tagebuchaufzeichnungen die Biografie von Gabi Lischker, geboren 1953, gestorben 1993. Ihre Tochter Melanie Lischker setzt Bild und Wort zusammen, das kombiniert sie mit Archivaufnahmen zur Zeitgeschichte. So entsteht ein persönlicher Bericht über ihre Mutter, gleichzeitig ermöglicht ihr Film jedoch einen allgemeingültigen Blick auf das bürgerliche deutsche Frauenleben in den 1970er/1980er Jahren. Daran lässt sich auch eine Geschichte der Emanzipation ablesen – denn obwohl es die ersten politisch erfolgreichen Jahre der Frauenbewegung waren, fand die Emanzipation in solche Leben häufig nicht hinein. Man sieht also eine Geschichte des Scheiterns.

Es gibt anfangs eine Begegnung mit der Realität der Filmemacherin Melanie Lischker. Sie erzählt vom Hobby ihres Vaters, der erst auf Super-8, dann auf Video stetig mitdrehte, was um ihn herum geschah. Es existieren über 100 Stunden Film aus den Jahren 1973 bis 1993, in denen ihre Mutter Gabi seine Freundin wurde, später seine Frau, in denen zwei Kinder kamen und eine schwere Krankheit. Zu diesem Bildarchiv des Vaters liest Melanie Lischker aus den Tagebüchern ihrer Mutter vor, geschrieben in der selben Zeit.

Die Collage dieses Materials ist ein Glück - und eine Notwendigkeit, wenn man tatsächlich die Vergangenheit von zwei Seiten und auf zwei Medien dokumentiert vorfindet. Damit kann Lischker ein Leben sichtbar machen, wie es exemplarisch für viele Frauen in der damaligen Bundesrepublik war. Egal welcher Generation man angehört, man wird eigene Erinnerungen finden, die den Bildern von Lischkers Familie ähneln, und wenn es nur die weihnachtlichen Rituale bei Oma und Opa sind.

Klar chronologisch folgt sie den Filmaufnahmen ihres Vaters Thomas. Man sieht eine Jugend in Schongau, konservativstes Bayern, wo weder die Rechte von Jugendlichen noch die Rechte von Frauen ankamen. Gabi wird die Freundin von Tommy, der hat einen Opel und halbwegs entspannte Eltern. Sie gehen in die Disco, Gabi schwärmt verliebt im Tagebuch, außerdem ist Tommy der Fluchtpunkt, wenn ihre Eltern sie zur Ordnung rufen. Die Volljährigkeit, und damit zumindest die rechtliche Möglichkeit der Selbstbestimmung, liegt bis 1974 noch bei 21 Jahren. Gabi ist Jahrgang 1953.

Mit Fotos illustriert Melanie Lischker das Zuhause von Gabi, man sieht die strengen Gesichter ihrer Eltern, die Enge, die jede Privatsphäre unmöglich macht. Kinder sind immer unter Kontrolle, es gibt kein Entkommen vor elterlichen oder gesellschaftlichen Erwartungen. Parallel erfährt man von den Regungen der Emanzipation - Annemarie Renger wird der erste weibliche Bundestagspräsident in Deutschland. Die Bilder des vollbesetzten Bundestags, die Lischker dazu präsentiert, sind atemberaubend: Nur Männer, hunderte von ihnen, der ganze Plenarsaal voll.

1976 wird geheiratet, Gabi und Tommy ziehen nach Düsseldorf. Das führt bei Gabi nicht zu der Befreiung, die sie erhofft hat. Sie studiert, bricht ab, weiß nicht, wie man Eigenständigkeit erlangt. Die Einträge im Tagebuch sind unzufrieden, sie fühlt sich erneut in Zwänge eingebunden, die ihr über den Kopf wachsen. Aber einen Ausweg findet sie nicht, und meckern ist noch keine Emanzipation. In Düsseldorf ist die Frauenbewegung deutlich näher als in Schongau, aber Gabi sucht nicht die Solidarität einer Gruppe. An stetig wechselnden Frisuren sieht man, wie die Jahre vergehen, während Tommy bei SONY erfolgreich Karriere macht. Er redet von Geschäftsreisen, von Flügen in die USA, er lernt eine größere Welt kennen, die Gabi verschlossen bleibt.

Die Idee von Autonomie ist endgültig vorbei, als sie schwanger wird. 1983 kommt Melanie auf die Welt, zwei Jahre später ihr Bruder. Jetzt sitzt Gabi fest, klassisch im Haus mit Garten. Ihre Gemütslage verbessert das nicht, ihre Texte werden düsterer, die Ehe gleichgültig. Man sieht in den Videos, wie das Lachen allmählich aus ihrem Gesicht schwindet, wie sie jedes Jahr grimmiger Kinder und Küche versorgt. Allerdings sieht man auch Architektur, Mode, Design der 70er und 80erJahre, die Mischung aus Konvention und der Absicht, modern zu sein. Das ist so rührend wie ethnologisch aufschlussreich, schließlich ist alles dokumentarisch, ein absichtsloses Zeugnis zweier Dekaden.

Während in den 1980ern die Frauenbewegung Fuß fasst, bastelt Gabi Puppen oder fährt zum Familienurlaub nach Sylt. Dann, 1989, wird bei ihr Krebs festgestellt. Gabi erzählt den Kindern nichts, sie vermutet im Tagebuch, dass die Krankheit eine Reaktion auf die Sinnlosigkeit ihres Lebens sein könne. Mit Heilung kann man nicht rechnen, Therapie bei einer Psychologin hilft auch nicht weiter. Ab 1991 geht Gabi für längere Zeiträume in eine Klinik, die Trennung von der Familie nimmt sie nicht unwillig in Kauf. Ihr Leben endet im März 1993, in den Monaten davor, schreibt sie, fühlt sie sich endlich nah an der Freiheit.

Der Film von Melanie Lischker zeigt eine Frau, die genug hat von Fremdbestimmung und trotzdem nicht zur Selbstbestimmung findet. Man sieht an ihr, dass eine Befreiung mehr erfordert als Unzufriedenheit. Hatte Gabi Lischker Freundinnen, mit denen sie sich austauschte? Hätte sie Gleichgesinnte in einer Stadt wie Düsseldorf gefunden? Wo sind die Bücher, wo ist die Kunst? Gab es nicht in den 1980er Jahren genug alternative Anlaufstellen, die Hilfe zur Veränderung boten? „Das Persönliche ist politisch“, dieser Slogan begleitete den Feminismus seit den 1960er Jahren, während die Familien in den Vorstädten stillhielten, als gäbe es keine Welt um sie herum. In diesem Kontext zeigt Melanie Lischkers Film eine Frau in Erstarrung. Erst jetzt, eine Generation später, wäre ihr die Bewegung wohl leichter geworden.

Doris Kuhn (15.12.2021)

Pressestimmen:

"Lischker hat die Filme ihres Vaters mit den Tagebucheinträgen ihrer Mutter verschnitten und damit ihren Eltern ein Denkmal gesetzt, das schöner und ehrlicher nicht sein könnte. Ein Denkmal für ein Zusammensein, für eine Liebe und eine Neugierde, die sie nur am Anfang ihrer Beziehung hatten und zunehmend verloren haben." (artechock)

"Die studierte Editorin hat ein Gespür für die richtigen Bilder und die Kondensationspunkte der familiären Tragödie. Denn im Kern geht es in „Bilder (m)einer Mutter“ um die gescheiterte Selbstverwirklichung ihrer Mutter, die angesichts der zeitgeschichtlich real möglich gewordenen Emanzipation umso tragischer wirkt." (Filmdienst)

Im Privaten sowie im Politischen reist der Film durch die Jahrzehnte und dokumentiert die innere Zerrissenheit einer Frau, deren Suche nach Selbstverwirklichung exemplarisch für das Lebensgefühl einer westdeutscher Frauengeneration steht. (Koberstein Film)

Preise:
Dokumentarfilmpreis Filmfest Kitzbühel 2021




Produktionsland
Deutschland (DE)
Produktionszeitraum
2020/2021
Produktionsjahr
2021
Farbe
Farbe

Länge
Langfilm (ab 61 Min.)
Gattung
Dokumentarfilm
Genre
Biografie / Portrait
Thema
Beziehung / Familie, Gleichberechtigung / Emanzipation, Krankheit / Sucht / körperliche Beeinträchtigung

Rechteumfang
Nichtexklusive nichtkommerzielle öffentliche Aufführung (nonexclusive, noncommercial public screening),Keine TV-Rechte (no TV rights)
Lizenzdauer bis
14.11.2028
Permanente Sperrgebiete
Deutschland (DE), Österreich (AT), Schweiz (CH)

Verfügbare Medien
DCP, Blu-ray Disc, DVD
Originalfassung
Deutsch (de)

DCP

Untertitel
Deutsch Voll UT, Englisch (en), Französisch (fr), Spanisch (Lateinamerika), Portugiesisch (Brasilien), Arabisch (ar), Chinesisch (zh), Russisch (ru), Tschechisch (cs), Türkisch (tr)
Anmerkung zum Format
DCP sind verschlüsselt

Blu-ray Disc

Untertitel
Deutsch Voll UT, Englisch (en), Französisch (fr), Spanisch (Lateinamerika), Portugiesisch (Brasilien), Arabisch (ar), Chinesisch (zh), Russisch (ru), Tschechisch (cs), Türkisch (tr)

DVD

Untertitel
Deutsch Voll UT, Deutsch Teil UT, Englisch (en), Französisch (fr), Spanisch (Lateinamerika), Portugiesisch (Brasilien), Arabisch (ar), Chinesisch (zh), Russisch (ru), Tschechisch (cs)