Barcelona atmet auf
Im August 1854 werden die alten Stadtmauern Barcelonas abgerissen und ein Bauboom beginnt. Neue Stadtviertel werden erschlossen und die Bourgeoisie Barcelonas sucht sich Platz für ihre prächtigen Villen. Der Boom erreicht auch die umliegenden Ortschaften, im damals noch selbständigen Sant Gervasi entsteht ab 1866 die Siedlung
Camp d'en Galvany, benannt nach dem Besitzer des Baulandes, Josep Castelló i Galvany. Eines seiner Grundstücke verkauft er an den Berliner Arzt Otto Streitberger, der dort 1875 ein Haus für sich und seine Frau bauen lässt. Wahrscheinlich war es das erste in der Straße, so dass der Name "Carrer del Berlinès" ziemlich sicher auf die Herkunft seines Besitzers zurückzuführen ist.
Urbane Legende oder wahr?
Otto Streitberger lebte mit seiner andalusischen Frau zunächst in Berlin, später zogen sie nach Barcelona. Rosario Pequeño soll auch hier großes Heimweh nach ihrer Heimat Andalusien gehabt haben.
Um ihr eine Freude zu machen, ließ ihr Mann 1875 ein Haus im maurischen Stil mit einer exakten Replik des Löwenhofs der Alhambra bauen. Damit alles möglichst authentisch wirkte, bestellte der Baumeister Domènec Balet i Nadal die Baumaterialien größtenteils in Marokko. Beim Haus gab es einen großen Garten, der ebenfalls an die Alhambra erinnerte. Zwei Löwen flankierten die Eingangstür. Der Garten und die Löwen sind heute verschwunden. Aber wir können noch heute die Fassade im maurischen Stil bewundern und, wenn wir unsere Nase am Glas der Eingangstür platt drücken, sogar einen Blick ins opulente Treppenhaus werfen.
Ob die Geschichte von Otto und Rosario wahr ist, wissen wir nicht mit Sicherheit, aber es ist auf jeden Fall eine romantische Geschichte.
Neomaurischer Stil in Europa
Aber vielleicht wollten Otto Streitberger und Rosario Pequeño einfach nur mit der Zeit gehen, als sie ihr neues Haus bauten.
Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der maurische Stil in der europäischen Architektur wiederentdeckt. Viele Gebäude wurden in Anlehnung an die andalusischen Vorbilder geplant. In Wien und Berlin entstanden Synagogen im neomaurischen Stil, in London wurde die
Royal Alhambra Palace Music Hall und in Malta die
Villa Alhambra gebaut. In Barcelona entstanden die beiden Stierkampfarenen,
Casa Vicenç oder die
Villa Hispano-Arabé konstruiert. Das Nationaltheater im Passeig de Gràcia existiert heute leider nicht mehr, aber gleich daneben steht noch immer ein Haus an dessen neomaurischer Fassade man nur zu oft vorbeiläuft.
Die Alhambra am Neckar
Bereits in den 1830er Jahren hatte König Wilhelm I. von Württemberg die Idee zu einer Anlage im maurischen Stil, der Wilhelma. Die reich verzierten Gebäude und der üppige Garten mit seinen Brunnen und Wasserspielen sollten eine Atmosphäre aus 1001 Nacht schaffen. 1837 gab er den Auftrag und der Architekt Karl Ludwig von Zanth setze seine Vorstellungen um.
Die Wilhelma ist heute ein zoologisch-botanischer Garten und ein beliebtes Ausflugsziel der Stuttgarter. Wegen seiner neomaurischen Gebäude nennt man den Park auch
Alhambra am Neckar.
Quellen:
El Periódico: El edifico Alhambra
Wilhelma:
Die Alhambra am Neckar
© Text: Annette Gutmann