Luise Boege
Luise Boege studierte am Deutschen Literaturinstitut Leipzig sowie Literaturwissenschaft an der Universität Erfurt. Sie veröffentlichte drei Bücher: Kaspers Freundin, einen psychologischen Roman mit Vampiren, Bild von der Lüge, ein Band mit kürzerer Prosa, sowie Exorzismus in Polen Die Schönheit der Wüste, ein Text, der die Verfahren von Durchstreichung sowie copy und paste nutzt.
Für ihre Texte wurde Boege mit Preisen und Stipendien ausgezeichnet, unter anderem open mike 2006 sowie zuletzt Stipendium der Akademie Schloss Solitude, am Literaturhaus Prag und am Literarischen Colloquium Berlin. Sie ist Mitglied des kollektiven Verlagprojekts brother VRLG.
Im August/ September 2020 war Luise Boege als Stadtschreiberin auf Einladung des Goethe-Instituts, in Kooperation mit Nuoren Voiman Liitto, für vier Wochen in Helsinki.
FINNLAND-TAGEBUCH
Luise Boege
Früher hab ich in Kaiserslautern gewohnt. Nichts gegen Kaiserslautern. Ich liebe Kaiserslautern. Bei Opel dort. Drei Jahre. Gearbeitet. Ich bin 1988 nach Helsinki gekommen. 1988. Berlin war ich auch mal. 1985. Auch in Dresden. Das ist eine Zeit, die niemals wiederkommt. So ist die Vergangenheit. Dann bin ich hiergeblieben. Gearbeitet. Mein Laden ist das hier. Meine Fischsuppe ...
Es ergibt keinen Sinn nicht am Meer zu wohnen.
Ich huste immer so. Keine Sorgen machen.
Als ich hierhergekommen bin, wollten sich Leute auf der Straße mit mir fotografieren lassen. So wenig Ausländer gab es da. Also die so aussehen. Fünf Stück nur. Mir hat es gut gefallen. Manchmal habe ich mich direkt versteckt. Wie ein Prominenter. Wegen dieser ganzen Fotos. Aber jetzt sind so viele Leute gekommen. Und die Leute in Finnland sind nicht mehr so ... sie sind mehr ... Ich weiß nicht. Es ist halt so. Und die Preise sind gestiegen. Alles nicht mehr so ... verstehst du ... so ...
Ich habe von hundert sozialen Innovationen aus Finnland gelesen. In einem Buch mit dem Titel "100 soziale Innovationen aus Finnland".
Aber das finnische Sozialsystem ist nicht mehr toll. Es hat sich einfach nur den Ruf erworben toll zu sein, vor 30 Jahren, aber wenn man hier wohnt ... es gibt auch viel Privatisierung, vor allem in den Ecken, in denen man nicht ...
Aber die Bibliotheken, die Bibliotheken sind doch wirklich toll. 3D-Drucker. Nähmaschinen. Ausdrucke. Im Vorübergehen habe ich die Bilder versucht anzuschauen junger Menschen dort. Da waren so Steine drauf. Strukturen interessieren mich nämlich ...
Wie ein Traum, in dem man die Tür sucht. Um sie zu schließen. Oder zu öffnen.
Einen Text, der die ganze Zeit versucht, die Tür zu zumachen, sagt A. Könnte man mal probieren.
Ich sitze dabei auf so einem Felsen. Nicht am Meer zu wohnen.
Wir können uns vor der Bibliothek in Kallio treffen. Was hältst du davon. Hinter diesem Baugerüst dort ist eine ganz nette Kneipe. In keiner Kneipe war ich seit März. Kneipenbesuche sind jetzt anstrengend, aber interessant. Ich habe Angst vor dem eigenen inneren Erleben. Mehr als vor dem Virus.
Kallio heißt Stein. Nicht Stein, das andere. Ich weiß es grad nicht. Das Grundmaterial. Aus dem hier alles ... Ich weiß gerade nicht wie das auf Englisch ... Das Haus ist von 1907 oder 1901. Holzhäuser sind sehr begehrt in Finnland. Im Winter ist es kalt. Im Sommer ist es heiß. Aber der Garten. Kumpula riecht wie ein Apfel.
Der Kater kann dir die Tür öffnen. Die offenen Stellen im Text.
Der Garten ist natürlich nicht wie deutscher Strebergarten. Aber bloß nicht immer zwanghaft alles vergleichen. Zwanghaft Symmetrie herstellen ist ein Problem. Ein Streberproblem. Hier fast schon wieder Wald. Mit so Felsen zum Draufsitzen und das Wasser Anschauen. Hier ist Holz. Das wäre auch was. Es wäre gut einen gemeinsamen Bezugspunkt zu haben. Auf eine Postkarte zu schreiben. Unsere Verbindung läuft ganz und gar auf einem Kanal. Einen Garten beispielsweise. Etwas über einen selbst Hinausweisendes. Gemeinsamkeit herstellen.
Hannah Arendt ist streitbar wegen rassistischer Erklärung von Rassismus.
Die Deutschen haben keine emotionale Verbindung zur Natur. Das zu sagen ist einfach.
In Helsinki ist das aber weniger Natur als anderswo in Finnland. Aber trotzdem scheint das ein Unterschied zu sein wie die Menschen hier mit der Natur zu tun haben.
Emotion ist einfach.
Hier durch dieses Loch kann man die Hand durchstrecken und dann ist man in einer anderen Realität.
Das hat Verbindung zu vielem mir Bekannten.
Aufwachend Holz ... Waldsterben.
Aus Stein kann man auch Papier herstellen.
Emotion herstellen, wollte ich sagen, ist einfach.
Aber was sagst du, was passiert da in Deutschland. Diese Demonstrationen.
Macht mir ja auch Angst. Angst ist ein Problem.
Diese Demonstrationen verstehen die Finnen nicht.
Immer denke ich, dass ich gerade zu einer Prüfung gehe. Psychiatriegeschichte. Deutsch. Symptome ausmachen zu wollen an einzelnen Individuen. Deutsch. Das ist doch Quatsch. Deutsch.
Die Gesellschaft ist als Ganzes krank, sagt A.
Eine neue Sprache wäre immer gut. Zwei Regalfächer mit finnischer Literatur in der Amerika-Gedenkbibliothek. Ich will es gut machen. Die Deutschen wollen es gut machen. Jedes Bundesland will es am besten machen. Die besten in der Klasse sein. Auf der Straße will jeder am besten ... Jetzt gibt es diese sogenannten Hygiene-Demos. Dass das plötzlich passiert zu sagen ist falsch. Ereignisse sind Konstruktionen. Weiß ich ...
Wenn es eine Sprache gibt, in der das Wort ich nicht vorkommt.
Nein, die Finnen sind nicht so. Was das Wissen betrifft. Die Finnen sagen eher: Ich weiß nichts von nichts. Zuhören ist auch wichtig. Die Finnen können gut fluchen, das liegt an den S und R in ihrer Sprache.
Gesprächspausen.
Literatur machen ist überhaupt eine gute Methode, das Ego erst aufzubauen und ihm dann die Luft rauszulassen. Eine gewisse Erfolglosigkeit ist ja immer vorhanden.
Ich mache mir wegen der Rechten in Finnland nicht so viele Sorgen. Ja es gibt welche. Sie nennen sich: Wahre Finnen, oder so. Aber das sind nicht so viele. Es ist nicht wie in Deutschland.
Diese das Ego betreffende Methode sollte global angewendet werden.
Hier gibt es auch invasiven Arten. Spanische Schnecken. Chinesische Marienkäfer.
Bärenklau hatte das sächsische Dorf fest im Griff. 2016 war das ... Kinder, das nicht anfassen, habe ich gesagt.
Der Kater kann die Tür in den Garten selbst öffnen und schließen wie es scheint, lautlos.
Hat sich dein Denken verbessert?
Nein. Es ist ganz dumm geblieben.
Einen Text zu schreiben, in dem es darum geht, die Tür zu schließen. Oder zu öffnen.
Ich habe hier eine Tür. Ich habe hier eine Tür eingebaut.
Ich gehe wieder zurück nach Ägypten. Ich habe auch überlegt nach Nizza zu gehen. Aber was soll ich dort.
Es tut mir leid zu hören, dass du es nicht mehr magst hier.
Ich mag.
Nicht am Wasser zu wohnen nicht.
Ich suche jetzt diese Tür.
Der Kater kann.
Luise Boege
Ein Mann, der kurz vor mir den Radweg überquerte, hatte lauter Blut im Gesicht und die Augen weit aufgerissen wegen irgend etwas. Dann verschwand dieses Bild wie das, was man nach oben scrollt und nach unten und nach oben und.
Jemand hat es gesagt und ich kriege es in keine Schublade hinein: Es hat eine Thomas-Bernhard-Überschwemmung gegeben in Finnland. Dann hatte die Übersetzerin einen Fahrradunfall. Darüber musste ich sehr lange nachdenken, denn ein anderer wichtiger Übersetzer hatte vor einigen Jahren auch einen Fahrradunfall und es gibt sehr wenig Fahrradunfälle in Finnland. Ich würde nicht sagen, dass das kein Zufall ist, aber es ist ein sehr schlechter Zufall.
Und diesen Satz nicht mehr aus dem System bekommen, deswegen hinschreiben jetzt: Die deutsche Gegenwartsliteratur experimentell zu nennen ist wie zu einem begradigten Fluss Natur zu sagen. Experiment. Natur. Begradigte Flüsse. Deutschland. Das beste Leitungswasser der Welt. Finnland.
Aufgewacht vom Lärm der Baufahrzeuge. Geträumt, jemand sagt: So ist das eben bei der Real-Life-Regie! Es war eine Außensituation, im Hintergrund hielten zwei ihre Angeln ins Becken. Gefühl des Tages: Wie in einem Computerspiel, in dem es, seitlich, auch so glattes Gewässer gibt, wenn man dort aber einfach hineinfahren will, ist das nicht möglich. Ich ertappte mich dabei, an einem konzeptionellen Abgrund zu arbeiten. Aber läuft ja ins Leere, gar keine konsistente Konsequenz, das Spiel hört einfach auf oder bleibt zitternd stehen.
Die Welt gibt es, täglich Nachrichten ihres Endes. Nein, die Welt wird weiterexistieren. Aber die Zivilisation, wie wir sie kennen, nicht.
Einsehen, dass ich trotzdem oder deswegen sogar kommunizieren lernen muss.
Es ist nicht unhöflich, lange Gesprächspausen zuzulassen. Es ist unhöflich, sich beim Reden zu unterbrechen. Passiert mir pro Gespräch hundertmal. Im Internet steht, dass das bloß Alphatiere und Psychopathen tun. Einmal sogar begonnen, Über allen Wipfeln ist Ruh aufzusagen. Ist das nicht von Heine?, fragte die Leiterin des Goetheinstituts. Das war in einer Holzhütte, auf einer Insel, zu der man hin rudern muss. Das ganze Goetheinstitut ist dort hin gerudert in kleinen Grüppchen. Es gab auf dieser Insel zahlreiche Indizien, die auf die Existenz von Menschen hinwiesen: Eine in einem Hügel steckende Axt beispielsweise auf einen Axtmörder, aufgestecktes Heu auf Landwirtschaft, und es hätte mir gut gefallen, wenn es keine Menschen gegeben hätte, aber es stellte sich heraus, dass welche da waren, und das war natürlich auch toll. Zu Mittag aßen wir nämlich in der erwähnten Holzhütte, es gab massenweise, von zwei miteinander russisch sprechenden Frauen gekochte, Speisen. Nach dem Mittagessen trat eine Magierin auf, die niemand bestellt hatte. Sie führte eine Reihe Tricks vor, nach derselben Philosophie, nach der das Essen serviert worden war: schnörkellos und ohne Pausen. Erst alle Tuchtricks. Dann alle Stricktricks. Dann die Miniguillotine. Eine Möhre, als metonymisches Kaninchen, wurde entzweigehackt. Ich meldete mich sofort freiwillig, um der Miniguillotine meine Hand anzubieten, gierig nach dem Knacken des ein- oder ausrastenden Mechanismus, aber es wurde ein DaF-Lehrer mit gutmütiger Ausstrahlung gewählt. Gut für mich, so habe ich noch beide Hände.
Spannend wäre es gewesen. Den konzeptuellen Abgrund anzusteuern, in das skizzierte Gewässer hinein. Das skizzierte Gewässer des zwischenmenschlichen Miteinanders. Panik in den Augen beim Anflug von zu großer Verbindlichkeit.
Nicht so neugierig sein. Deine Hände sind zu groß, deine Arme zu lang, alles ist riesig. Die Leute, mit denen du zu tun hast, sind ja in echt gar nicht so groß, sie schauen bloß so groß aus, das liegt an den Bärten, die sie in meinen finnisch-deutsch koproduzierten Fantasiefilmen tragen. Das ist wie extrem geschminkt Sein oder wie eine große Blume auf den Kopf Tragen. Es sind freundliche, fragile Menschen, denen du hier begegnest, und du polterst herum wie eine deutsche Touristin. So habe ich mit mir geschimpft und gemerkt, wie ich mich gegen mein eigenes Schimpfen hart mache, wie ein Kind gegen seine Mutter.
Da bin ich zurückgerudert. Sprachlich. Dann war das Wasser wieder glatt.
Am nächsten Tag erinnerte mich die Begegnung mit zwei Deutschen plötzlich an die Existenz von Corona. Ich trete einen Schritt zurück, sie kommen einen Schritt hinterher, Grundstückspreise, dass die Grünen die Klimawende so plötzlich wollen, Windräder, die Finnen holzen ja jetzt auch alles ab, die machen es ja auch nicht besser, die Finnen, die bauen Papierfabriken jetzt in anderen Ländern. Auf diese Weise umrunden wir den ganzen Tisch, auf dem Gläser und Getränke aufgebaut sind.
Luise Boege
Der Film handelt von einer deutschen Schriftstellerin, die in Finnland mit Zug und Bus herumfährt. (Es gibt in dem Film so Rückgriffe, Thematisierung einer deutsch-deutschen Konkurrenz in Bezug auf Finnland: Wenn die DDR was gemacht hat, musste die BRD gleich hinterher. Ein etwas lächerlicher Kulturaustauschwettbewerb, bei dem es gar nicht um Finnland gegangen ist. Formale Wiederholung des Problems: In sich gespaltene, sich rücksichtslos ausbreitende Selbstbezogenheit.) Die Schriftstellerin in dem Film hat eine Lochphobie. Es ist ihr Anliegen, alle Löcher zu füllen, sprachlich quasi.
Oulu ist freundlich und kalt, Großbuchstaben, während mich Helsinki an etwas in Kleinbuchstaben Geschriebenes denken lässt. Ich mag Moltebeeren in Form von mit Alkohol gemischt oder als Marmelade, und dass sich die Moltebeere nicht kultivieren lässt. Boote, dieser Teppichboden da in der Kneipe, feste Tische, die bequemen, büroartigen Stühle und der mir finnisch vorkommende, auf die Stimme der Sängerin gelegte Hall.
Ich ziehe diesen Film während meiner gesamten Reise in den Norden immer wieder hervor oder heran, aber ganz integrieren lässt er sich nicht.
In Tornio schließlich, wo ich das Kunstmuseum besuche, in dem ich den Garten des Todes, den ich auch schon im Dom in Tampere bewundert habe, als Stich wiedersehe, gebe ich den Film auf. Ich mag kleine Bilder mehr als große. Wasserfarben, Brauntöne, dass das Bild Story 1 heißt, mit braunen Blumen drauf, mag ich. Auch das Bild Baby Kitchen, da liegt das Baby in der Bratpfanne.
Die deutsche Schriftstellerin stellt sich die Frage, ob die Finnen im Kopf auch schweigen, also, ob der schweigsame Mensch an sich auch so ein Geplapper im Kopf hat wie sie selbst. Ob Gesprächspausen wie Vitamine funktionieren oder Sauerstoff. Etwas, das gebraucht wird vom menschlichen Organismus, vor allem wenn es viel kalt und dunkel ist.
Der Auftritt in Oulu findet in einem schönen finnischen Lokal im Rahmen eines Festivals statt, von dem ich nur einen sehr kleinen Ausschnitt sehe und verstehe. Ich bin plötzlich Teil einer Art deutschen Delegationsformation aus insgesamt drei Leuten, jeweils unterschiedlichen Institutionen oder Vereinen zugeordnet. Alle tun so, als ob ich eine deutsche Schriftstellerin wäre, und ich selbst tue auch so. Es werden auch Fotos von mir gemacht, unter anderem vor einem kühlen, freundlichen Sonnenuntergang am bottnischen Meerbusen. Ich will sie meiner Oma schicken, die nämlich ein iPad hat, erhalte jedoch diese Fotos nie. Es heißt, aus technischen Gründen. (Vielleicht kann man sie im Archiv der deutsch-finnischen Gesellschaft als Dia einsehen?) Der Auftritt selbst ist eine Kette aus Übersetzungen, deren Glieder immer kürzer werden, zuletzt: Sprache ist Ressource!
Dann bin ich wieder ich selbst und trinke Bier.
Die Undefiniertheit des Abends, in den das alles bedeutungsvoll oder -los hineinragt, mag ich. Ich erfahre von einem berühmten Chor, der nicht singt, sondern schreit, Mieskuoro Huutajat, Schreiende Männer.
Kids in der Einkaufspassage, nachts, auf dem Fußweg zurück ins Hotel. Kalte Luft.
Anschluss ist nie und immer möglich.
Tatsächliche Löcher und metaphorische. Jeder Tat geht ein Gedanke voraus (ich glaube, ein Zitat von Satu Taskinen).
Später höre ich einen Podcast darüber, dass Lappland voller Bodenschätze ist und wie man begonnen hat, sie zu bergen, zum Leid der Samen.
Die Rückfahrt gemocht. Wie die gefährlich aussehenden Boys, die in Tornio in den Bus gestiegen sind, sich unterwegs mit der untergehenden Sonne fotografiert haben. Ja, dass die Sonne da so auf den Bäumen war.
Mir schon kurz eingebildet, was vom Norden begriffen zu haben.
Luise Boege
"In meiner Arbeit habe ich mich unter anderem mit Zusammenhängen mentaler Krisen und sozialer Strukturen, mit dem Sprechen in Diagnosen und so fortwährend produzierten institutionellen In- und Ausschlüssen beschäftigt.
Während meiner Aufenthalte in Finnland 2020 und 2021 habe ich zu dem Prinzip des "Open Dialogue" recherchiert, das vor 30 Jahren in Westlappland im psychiatrischen Kontext entwickelt worden ist. Es geht von einer sozialen Konstruktion von psychischen Krisen aus und arbeitet, anstatt mit Psychiatrie als geschlossenem Ort, Krankenhausbett und (Zwangs)medikation, mit Gespräch und Einbezug des sozialen Umfelds. "Open Dialogue" greift unter anderem Bachtins Konzept von "Dialogizität" für die Analyse literarischer Sprache auf.
Zu diesem Thema habe ich im Oktober 2021 am Goethe-Institut Helsinki einen Workshop mit Vertreter:innen verschiedener Disziplinen (die Teilnehmenden waren: Luise Boege, Eemeli Hakoköngäs, Kaisa Kaakinen, E.L. Karhu, Veera Kaaski, Maija Kerko und Donata Rigg) organisiert, in dessen Rahmen wir über die Themen Mental Health, Literatur und Open Dialogue sowie verschiedene Zugangsweisen und Praxen gesprochen haben.
Es ging dabei um die Zusammenhänge von Literatur und "Madness", und um die Frage, inwieweit das Prinzip des "Open Dialogue" und dessen Implikationen sich an künstlerisches Denken, Arbeiten und Sprechen anschließen lässt und welche Sprech- und Denkweisen dieses impliziert – wie können verschiedene Systeme aneinander anschlussfähig gemacht werden? Das Konzept der in sich abgeschlossen funktionierenden Einheiten scheint vorbei bzw. den Herausforderungen unserer Zeit nicht angemessen.
Dieser Workshop war als ein erstes Treffen gedacht, bei dem eher die Prozesse im Vordergrund standen als die Resultate – wir hoffen, mit weiteren Veranstaltungen daran anzuschließen und die Überlegungen fortzuführen.
Der Workshop und die Arbeit, in die dieser eingebettet ist, wurden durch das Goethe Institut Finnland sowie durch die Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Europa gefördert, wofür ich mich sehr bedanke."