Hannele Richert
Politik mit Bildern

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Bild: Hannele Richert

Das Projekt Picture Politics des Goethe-Instituts
 

Der Anstieg von Nationalismus und Rechtsextremismus der letzten Jahre in Europa hat zur Folge, dass sich viele bereits um die Umsetzung der Menschenrechte sorgen. Viele Künstler hatten das Bedürfnis auf diese Entwicklung zu reagieren und für die Menschlichkeit und gegen den Extremismus mit klaren Worten Stellung zu nehmen. In diesem Zusammenhang sind Projekte entstanden, mit denen auf die allgemeine Meinung Einfluss genommen werden sollte. In Deutschland koordinierte Alexandra Klobouk das Projekt Bildkorrektur, in dem Illustratoren und Comickünstler Ängsten und Vorurteilen eine bildliche Form gaben. Anschließend wurden Journalisten und Wissenschaftler eingeladen, diese zu verwerfen. Ihre auf Information basierenden Ansichten wurden als Paar zum ersten Bild illustriert.  
 
Ein in Finnland entstandenes Projekt war die Comicanthologie Mitä sä täällä teet - Tarinoita maahantulosta („Was machst du hier — Geschichten über Einwanderung“). Sie beinhaltet 15 Geschichten von Menschen unterschiedlichen Alters, die aus verschiedenen Teilen der Welt nach Finnland gekommen sind und die von 15 Künstlern bildlich umgesetzt wurden. Ziel war, die menschliche Seite der Weltereignisse, die wir sonst nur aus den Nachrichten und Geschichtsbüchern kennen, sichtbar zu machen und zu zeigen, wie unterschiedlich Einwanderer sind – nämlich keine gesichtslose Masse, die leicht zu dämonisieren ist.  
 
Auch das Goethe-Institut hat sich das Thema zu eigen gemacht. Es wollte seinerseits Künstlern die Möglichkeit bieten, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Die Goethe-Institute in verschiedenen nordwest-europäischen Ländern haben mit Künstlern Kontakt aufgenommen, die zu den Themen Einwanderung, Nationalismus und Rassismus Comics gezeichnet und ihre Kommentare geschrieben haben. Das Ergebnis des Projekts ist die Webseite Picture Politics, die anfangs unter dem Namen ”Changing the Picture” lief. Die Comics lassen sich leicht mit einem Handy durchblättern und in den sozialen Medien teilen. Außer aus Finnland gibt es in diesem Projekt Bilder aus Schweden, Norwegen, Dänemark, Estland, Groß-Britannien, Irland und Deutschland.
 
Treffen und Seminare zum Thema fanden in mehreren Ländern statt, in Finnland wurden auch offene Workshops, Ausstellungen und Schülerworkshops in Zusammenhang mit Veranstaltungen organisiert. In vielen der entstandenen Comics wird der Wunsch sichtbar, die Gründe für die Polarisierung der Meinungen und die Gewalt zu verstehen, um diese zu verhindern. Auch Medienkritik ist stark präsent.

  • Aus: Otto Finsch Bild: Aike Arndt

  • Aus: Message in a Seed Bild: Hamed Eshrat

  • Aus: Why are they vulnerable? Bild: Mika Lietzen

  • Aus: Estonians Bild: Marko Mäetamm

  • Aus: Fences Bild: Hanneriina Moisseinen

  • Sarjakuvasta: Lapua Bild: Aino Sutinen

  • Aus: Hasan & Hans Bild: Birgit Weyhe

  • Aus: Finland first Bild: Hannele Richert

Im Oktober 2016 bekam das finnische Comiczentrum (Sarjakuvakeskus) vom Goethe-Institut die bedeutungsvolle Aufgabe, antirassistische Schülerworkshops zu planen und zu realisieren. Durchgeführt wurden sie aus einem medienkritischen Gesichtspunkt: In Workshops mit dem Titel Lööppi uusiksi! (Schlagzeilen neu gestalten!) haben die Schüler sich Gedanken darüber gemacht, wie man die öffentliche Meinung verändert, indem man Texte mit Bildern kombiniert. Verschiedene Formen der Nachrichtenübermittlung von Zeitungen bis zu Blogs wurden mit den Schülern diskutiert. Sie wurden unter anderem darauf aufmerksam gemacht, dass man mit Schlagzeilen starke emotionale Reaktionen hervorzubringen versucht, um Menschen dazu zu bewegen, die Zeitungen zu kaufen. In Online-Nachrichten bemüht man sich ebenso um Klicks, um zu zeigen, dass die Medien Leser haben. Dies verzerrt leicht die ursprüngliche Information der Nachrichten. Ein Kapitel für sich sind die sog. Fake-News, mit denen bewusst versucht wird, ein negatives Bild von bestimmten Dingen und Menschengruppen zu bilden.
 
Nach diesen Überlegungen haben sich die Workshop-Teilnehmer mit der Frage auseinandergesetzt, wie man mit Comics wirksam Missverständnisse beseitigen kann. Angelehnt an das Projekt Bildkorrektur illustrierten die Schüler eigene oder fremde Ängste und Vorurteile. Danach suchten sie nach Informationen, mit denen die Ängste oder die Vorurteile überwunden werden könnten, und diese wurden dann im nebenstehenden Kasten dargestellt. Das Ergebnis war eine breite Palette von Ideen dazu, wie man Vorurteile überwinden kann, und sogar einige Spinnenängste wurden überwunden.
 
  • PP_Herttoniemen_Yhtenäiskoulu1 Kuva: Goethe-Institut

  • PP_Herttoniemen_Yhtenäiskoulu2 Kuva: Goethe-Institut

  • PP_Herttoniemen_Yhtenäiskoulu3 Kuva: Goethe-Institut

  • PP_Herttoniemen_Yhtenäiskoulu4 Kuva: Goethe-Institut

  • PP_Sibbo_Gymnasiet_1 Kuva: Goethe-Institut

  • PP_Sibbo_Gymnasiet_2 Kuva: Goethe-Institut

  • PP_Sibbo_Gymnasiet_3 Kuva: Goethe-Institut

  • PP_Sibbo_Gymnasiet_4 Kuva: Goethe-Institut

Im Frühjahr 2017 trafen sich die KünstlerInnen Birgit Weyhe, Aike Arndt, Marko Mäetamm, Hanneriina Moisseinen, Aino Sutinen Mika Lietzén und Hannele Richert zu einem Seminar des Goethe-Instituts in Helsinki und machten sich darüber Gedanken, welche Einflussmöglichkeiten das Projekt haben könnte und wie man einen Kontakt mit verschieden denkenden Menschen herstellen könnte, um mit ihnen über wichtige Themen zu diskutieren. Alle sorgten sich über den Anstieg von Rassismus, waren aber unbedingt der Meinung, dass man über Dinge reden können muss, ohne Angst zu haben. Während der Diskussion wurden auch das eigene Denken sowie festgefahrene Einstellungen der eigenen Kultur kritisch beurteilt. Alle hatten dennoch einhellig Vertrauen auf die Macht der Bilder bei der Meinungsbeeinflussung und Meinungsbildung.
 
Die Schülerworkshops wurden im Herbst 2017 fortgesetzt. Diesmal wurde neben Medienkritik das Thema Interkulturalität adressiert, und der Blick wurde anstelle von Verallgemeinerungen auf individuelle Erfahrungen gerichtet. Comics ermöglichen es, die persönliche Ebene derjenigen sozialen Situationen zu erreichen, die wir aus den Nachrichten kennen.
Jugendliche der oberen Klassen und der gymnasialen Oberstufe diskutierten über die Bedeutung nationalen Kulturen sowie darüber, was alles über die nationalen Grenzen hinweg einen Einfluss auf die kulturelle Identität hat.
 
Aus: Mitä sä täällä teet © Bild: Hannele Richert Aus: Mitä sä täällä teet Bild: Hannele Richert
Als Beispiele fungierten die Comics aus dem Buch Mitä sä täällä teet und von der Webseite Picture Politics. Im Comic Hasan & Hans von Birgit Weyhe führen zwei gleichaltrige Jungs, die in zwei verschiedenen Ländern aufwachsen sind, ein völlig verschiedenes Leben, bevor sie sich im letzten Comicbild treffen. Øyvind Sagåsen fasst in seinem, Comic Facts die Probleme des digitalen Zeitalters in zwei wirkungsvollen Bildern zusammen.
 
Außerdem bekamen die Schüler Beispiele aus aktuellen Nachrichten der letzten Jahre gezeigt. Themen waren u.a. die kulturelle Aneignung (Indianercomic aus dem Workshop in Herttoniemi), Kollisionen von Höflichkeitsformen (der iranische Botschafter gab der Präsidentengattin Jenni Haukio nicht die Hand), Diskriminierung (Romas wurde der Eintritt in ein Restaurant verweigert, Restaurantbesitzer wurden verurteilt). Es wurde darüber diskutiert, wie die Einstellungen sich verändert haben…
 
Aus: Mitä sä täällä teet2 © Bild: Hannele Richert Aus: Mitä sä täällä teet2 Bild: Hannele Richert
Die Jugendlichen hatten eine frische, lösungsorientierte Annäherungsweise an die Themen. Sie haben u.a. viele Vorschläge gemacht, wie man das Problem der Badeanzüge in den Saunen der finnischen Schwimmbäder unter Respekt aller Parteien lösen könnte, damit die Anhänger der Bewegung Suomi ensin (Finnland zuerst) nicht von der Stadt Lahti extra anreisen müssen, um zu kontrollieren, dass das Badeanzugverbot in einem östlichen Stadtteil von Helsinki beachtet wird.
 

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