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Band des Monats
Alligatoah

Ein Mann sitzt auf einer Garten-Terrasse
Alligatoah | © Elias C. J. Köhler

Alligatoah - Rapper, Verkleidungskünstler, Märchenerzähler, Terrorist, Metalhead, Mann auf dem Mond? Wer ist das eigentlich?

Von Linda Carolin Hoffmann

Die Anfänge Kaliba 69 und DJ Deagle

Alligatoah, bürgerlich Lukas Strobel, wuchs im niedersächsischen Dorf Langen bei Bremerhaven auf. Er ist der Sohn einer Tänzerin und eines Schauspielers. In seinem Umfeld war Punk populär, doch Strobel begeisterte sich für Nu Metal, deutsche Liedermacher und deutschen Battlerap. All diese Einflüsse finden sich in seiner Musik wieder. Er gründete 2006 mit 16 Jahren die fiktive Gruppe Alligatoah, die aus zwei Alter Egos bestand, um die Funktion als Texter/Rapper „Kaliba 69“ und Beatproduzent „DJ Deagle“ zu trennen. In den ersten Jahren war es für die Fans nicht klar, dass dies nur fiktive Personen sind. Auch der Künstler selbst musste erst noch für sich definieren, was Alligatoah eigentlich bedeutet.

Lukas Strobel begeistert sich auch fürs Filmemachen. Während der Schulzeit produzierte er eigene Kurzfilme und gewann 2003 bei einem Jugendfilmfestival 750 €. Er drehte seine ersten Musikvideos selbst; auch heute noch ist er an deren Produktion beteiligt.
 

Der Schauspielrapper

Zu Beginn seiner Karriere befasste sich Alligatoah mit religiösem Fanatismus. Unter diesem Thema entstand sein erstes Album ATTNTAAT (2006) und im Anschluss In Gottes Namen (2008). Im Rahmen dieser Alben entstand seine Kunstfigur eines Taliban-Terroristen.
 

Dieses Lied stammt aus dem Album In Gottes Namen und kritisiert ideologische/fanatische Positionen in verschiedenen Religionen. Man sieht hier gut den Stil Alligatoahs: Er versetzt sich in Rollen hinein, wie die eines Terroristen. Dadurch stellt er eine Problematik überzogen und humoristisch dar. Ihn hat vor allem die Härte und Kompromisslosigkeit in der Rapmusik begeistert, die er in seinen Figuren aufgreift. Er sagt, dass er hierfür Geschichten und dazu passende Rollen erfinden musste, weil es in seinem Leben selbst keine harten Geschichten gegeben habe. Er sei eben ein lieber kleiner Junge vom Dorf gewesen. So fand das Schauspiel den Weg in seine Musik.

„Bei mir ist aber das Besondere, dass ich immer in eine Rolle schlüpfe und aus dieser Rolle heraus die Möglichkeit habe, Figuren darzustellen, denen ich selbst sehr kritisch gegenüberstehe oder die ich gar furchtbar finde. Ich habe Terroristen, Frauenhasser, Choleriker und fremdenfeindliche Menschen gespielt. Da ist alles dabei gewesen und das macht meinen Spielplatz so groß und die Bandbreite von dem, was ich erzählen kann, so fantastisch.“ (urbanite.de [26.02.2024])

Spielereien mit Wörtern und Melodien

Neben seinen Alben, die jeweils einem bestimmten Thema zugeordnet sind, produziert er auch die Albenreihe Schlaftabletten, Rotwein (STRW), deren erster Teil schon 2006 erschien. Das sind etwas chaotischere Alben, in denen er experimentelle und spaßige Titel zusammenstellt.  

Alligatoah hat auch einfach unglaublich viel Spaß mit der deutschen Sprache: In seinen Liedern finden sich deshalb häufig Wortneuschöpfungen und Wortspiele.
 

Alligatoah erreicht Kultstatus

Ein neuer Lebensabschnitt begann für Alligatoah, als er 2009 nach Berlin zog, um eine Ausbildung zum Mediengestalter Bild und Ton zu absolvieren. In Berlin trat er zwei Jahre später dem Kollektiv des Musiklabels Trailerpark bei, mit dem er auch als Band auftrat und durch Deutschland tourte.

In dieser Zeit stieg seine Bekanntheit gewaltig und erreichte ihren Höhepunkt mit dem Album Triebwerke (2013), das dem Thema Liebe zugeordnet ist. Das dort enthaltene Lied Willst Du erreichte Kultstatus und brachte Alligatoah eine Goldene Schallplatte ein. Es fällt auf, dass die gesungenen Parts in den Liedern zunehmen und der Rap weniger hart wirkt.
 

2015 folgte das Album Musik ist keine Lösung. Es thematisiert verschiedene Problemfelder des gesellschaftlichen Zusammenlebens. In folgendem Lied stehen die oberflächlichen, durch Social Media geprägten Schönheitsideale im Mittelpunkt:
 

Du bist schön, aber dafür kannst du nichts
Weder lesen noch schreiben, noch was anderes
Du bist schön, aber dafür kannst du nichts
Du kannst nicht mal was dafür, dafür kannst du nichts

Frag nicht, wie alt die sind, die meine Kleider näh'n
Auf einer Skala von eins bis zehn
Tja, denn Kleider machen Leute, doch die Leute, die die Kleider machen
Leisten sich bis heute leider weniger Designerjacken

Alligatoah
spricht diese Thematiken auf eine Art und Weise an, die nicht belehrend oder unangenehm wirkt, sondern spielerisch und humorvoll. Einer seiner Vorbilder war der Satiriker Rüdiger Hoffmann.

„Was ich mache, hat noch mehr Leichtigkeit, auch Verrücktheit, Unsicherheit und Unwissenheit. Ich lade zum dauerhaften Perspektivwechsel ein, in alle möglichen, auch absurden Richtungen. Zum Beispiel, die Welt aus der Sicht eines Terroristen zu sehen oder aus der Sicht einer Person, die eine Weltanschauung hat, die der eigenen völlig fremd ist.“ (Planet-Interview.de [26.02.2024])
 

Instrumente mit dem Gehör spielen

Genauso spielerisch und experimentierfreudig geht er mit Instrumenten um. Er hat keine Angst, ein ihm zuvor unbekanntes Instrument, das er vielleicht nicht ganz beherrscht, in seine Lieder einzubauen. Er probiert herum, schneidet zusammen und bringt auch unperfekte Klänge in seine Lieder ein. So entsteht ein einzigartiger Klang.

„Ich will gar nicht den Eindruck wecken, als wäre ich auf jedem Instrument virtuos unterwegs. Nein, ich nehme die Instrumente in die Hand und versuche, ihnen Töne zu entlocken, so lange, bis etwas rauskommt. Irgendwas kommt immer raus. Ich habe irgendwann begriffen, dass man Instrumente eigentlich nicht mit den Fingern spielt, sondern mit dem Gehör. Als ich das gemerkt habe, war es mir plötzlich möglich, jedes Instrument irgendwie ein bisschen zu spielen.“ (Planet-Interview.de [26.02.2024])

2018 erschienen schließlich die Alben STRW V und ein Coveralbum unter dem Titel Fremde Zungen, auf dem Lieder ganz verschiedener Musiker mit akustischen Instrumenten interpretiert wurden. Beispiele sind Slipknot, Rolf Zuckowski, Matt Monro und Sia.
 
 

Retour -zurück zum Absender?

Rotz & Wasser (2022) war Alligatoahs letztes Album, kurz darauf folgte die Ankündigung seiner Tour Retour für das folgende Jahr.

Nach dem letzten Konzert von Retour am 20. November 2023 in Köln wurden sämtliche Inhalte von den Social-Media-Kanälen gelöscht und die Website Alligatoahs geleert. Zeitgleich wurden die Beschreibungen auf seinen Social-Media-Kanälen auf die Vergangenheitsform umgestellt: „Alligatoah war ein deutschsprachiger Musiker (1989 – 2023)“. Dies führte zu Spekulationen über das Ende seiner Karriere.
 

Neue Experimente mit Metal

Schließlich veröffentlichte er jedoch am 3. Dezember 2023 die Single So Raus in Kooperation mit Fred Durst, der als Sänger von Limp Bizkit bekannt ist. Außerdem hat er drei neue Songs angeteasert und ein neues Album angekündigt. Es ist deutlich, dass nun ein Stilwechsel ansteht: Die neuen Songs klingen weitaus mehr nach Metal als seine früheren Publikationen. Außerdem zeigt er sich jetzt als „Mann auf dem Mond“ in Kurzvideos im Internet. Es scheint, als wäre das Projekt Alligatoah beendet, jedoch hält das Lukas Strobel noch lange nicht davon ab, weiter Musik zu machen.
 
  

Diskografie:

Studioalben
2006: ATTNTAAT
2008: In Gottes Namen
2013: Triebwerke
2015: Musik ist keine Lösung
2022: Rotz & Wasser


STRW-Reihe
2006: Schlaftabletten, Rotwein I
2007: Schlaftabletten, Rotwein II
2011: Schlaftabletten, Rotwein III
2011: Schlaftabletten, Rotwein IV
2018: Schlaftabletten, Rotwein V


Anderes (Live- und Coveralben)
2015: Festivalgesocks
2016: Livemusik ist keine Lösung [DVD/CD]
2018: Das Savannen-Konzert (StRw-V-Releaseshow in Kenia) 
2018: Fremde Zungen (Coveralbum)

Band des Monats auf Spotify

Hände und Gitarre © Colourbox.com, ldutko Jeden Monat stellen wir euch eine Band oder eine*n Sänger*in aus einem deutschsprachigen Land vor – den Musikstilen sind keine Grenzen gesetzt. Mit dieser Playlist könnt ihr in die Musik der vorgestellten Künstler*innen hineinschnuppern.

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