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Was sollte 2020 anders werden?
Wechselzeit bei der Berlinale! 2020 folgt auf den langjährigen Festivaldirektor Dieter Kosslick ein neues Team: Carlo Chatrian und Mariette Rissenbeek. Was sollte bei der nächsten Berlinale anders werden?
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Philipp Bühler - Deutschland: Der schwäbische Spaßvogel hat das Festival über die Jahre – in eiserner Selbstverleugnung? – zu einem Ort für Masochisten gemacht. Als Ausgleich dienten Formate wie das „Kulinarische Kino“ oder die hübsche Hommage für die anreisenden Stars. Ich wünsche mir vom neuen Team einen besseren Ausgleich zwischen relevanten Themen und ästhetischer Qualität. Kurz: etwas mehr Geschmack bei der Auswahl. In Locarno soll Carlo Chatrian das ganz gut hinbekommen haben.
Sarah Ward - Australien: Der Wettbewerb mag zwar der Star der Berlinale sein, aber gerade in den letzten Jahren waren auch in den Filmreihen Forum und Panorama Werke zu sehen, die jenseits der publikumswirksamen Programmauswahl der profilierteren Festivalbereiche auf ihre Weise faszinieren, fesseln, provozieren und herausfordern. Es wäre toll, wenn auch die Wettbewerbsfilme mehr solcher Ecken und Kanten hätten und auch mal Risiken eingingen. Als „Wettbewerbsfilm“ wird inzwischen jeder typische Berlinale-Beitrag bezeichnet, was aber gar nicht der Fall sein sollte.
Egor Moskvitin - Russland: Ich möchte, dass das Festival so bleibt, wie es ist – maximal unvorhersehbar. Wenn die Kritikerinnen und Kritiker nach Venedig und Toronto fahren, wissen sie, dass sie sich auf eine Parade intellektueller Publikumsfilme gefasst machen müssen, auf eine Art Wiederholung der „Oscars“. Beim „Sundance“ wissen sie, dass sie einfache, mit Humanismus gespickte Geschichten erwarten. Und wenn sie dann schlussendlich nach Cannes aufbrechen, sind sie darauf vorbereitet, dass irgendjemand für sie den Film des Jahres erschaffen hat. Nur Berlin bleibt eine Überraschung. Hier ist jede Zuschauerin und jeder Zuschauer selbst Programmdirektorin und Progrmmdirektor.
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Camila Gonzatto - Brasilien: Es wäre schön, wenn die neue Leitung sich Strategien überlegen würde, um die Präsenz und das Einbeziehen des heimischen Publikums noch auszuweiten, entweder mit mehr Vorstellungen oder mit einer Erweiterung des Programms. Dabei sollten auch die Eintrittspreise überdacht werden, damit das Festival erschwinglicher wird. Schließlich ist es der große Wunsch der Filmschaffenden, dass die Filme von so vielen Personen wie möglich gesehen werden.
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Joseph Walsh - Vereinigtes Königreich: Während seiner Amtszeit hat Kosslick das Festival deutlich erweitert und einem breiteren Publikum zugänglich gemacht, und das auf eine Art, an der sich viele andere große Festivals ein Beispiel nehmen könnten. Ich habe Kosslicks egalitären Ansatz immer bewundert und finde, dass es eine der wichtigsten Ziele des Festivals ist, offen für alle zu bleiben. In Kritiker- und Journalistenkreisen wird es bereits viel diskutiert, dass das Festival bald von Ende Februar bis Anfang März stattfinden und somit nach den Oscar- und BAFTA-Verleihungen laufen wird. Dies ist eine gute Entscheidung, denn so steht die hiesige Preisverleihung unter weniger Druck und Berlin hat nun auch einen größeren zeitlichen Abstand zum Sundance Filmfestival. Ich finde, die Berlinale sollte sich guten Gewissens als Startpunkt des Filmjahres verstehen. Somit hätte der neue Direktor Carlo Chatrian die Möglichkeit, bei der Neugestaltung des Festivals mit viel Mut ans Werk zu gehen.
Alva Gehrmann - Norwegen: Die Berlinale sollte auf jeden Fall weiterhin ein Publikumsfestival bleiben, denn das unterscheidet sie von den Festivals in Cannes und Venedig. Durch die stete Erweiterung des Programms können sogar mehr Zuschauer außergewöhnliche Filme im Kino sehen. Allerdings ist es durch die vielen Sektionen mittlerweile unübersichtlich geworden. Deshalb würde ich mir eine reduziertere Auswahl wünschen und dem Publikum dafür diese Filme öfter als zwei- oder dreimal zeigen.
Gerasimos Bekas - Griechenland: Ich denke, im nächsten Jahr wird der Wechsel noch nicht so spürbar sein. Es wird wahrscheinlich mehr Stars geben, um internationale Aufmerksamkeit zu gewährleisten. Es wird mehr Frauen in verantwortlichen Positionen geben und hoffentlich mehr gute Filme. Ich wünsche mir, dass die neue Leitung sich die Freiheit nimmt, zu experimentieren und bin gespannt, was dabei herauskommt.
Noha Abdelrassoul - Ägypten: Es war meine erste Berlinale und toll zu erleben, dass die Berlinale-Mitarbeiter sehr hilfsbereit waren. Manchmal war es schwierig, rechtzeitig bei allen Filmvorstellungen zu sein, da die Wege zwischen den Kinos teilweise recht lang sind. Es wäre gut, wenn Interviewräume nicht nur bis 18 Uhr, sondern auch noch länger zur Verfügung gestellt werden könnten.
Jutta Brendemühl - Kanada: Die richtige Mischung aus Risiko und Qualitätsmanagement. Und (noch) mehr Filme aus Asien, denn aus diesem Kontinent kommen gerade einige der spannendsten Filme überhaupt.
Andrea D'Addio - Italien: Die Berlinale ist das internationale Filmfestival mit dem größten Publikum der Welt. Die durchschnittliche Qualität der Filme trägt dem aber nicht Rechnung und so finden nur wenige Filme aus dem Wettbewerb Gefallen beim Publikum und bei der Filmkritik. Ich hoffe, dass das neue Leitungsteam diesen Aspekt eines sonst fast perfekten Festivals verbessern kann.
Man Jung Ma - Taiwan: Über die ganzen Jahre hat sich das Festival nie vor politischen Themen gescheut, was nicht nur künstlerische Freiheit für die Macher bedeutete, sondern auch die Atmosphäre der Berlinale prägte. Der neue Festivalleiter Carlo Chatrian war ehemals Leiter des Locarno Film Festivals und hat diesem eine eigene ästhetische Handschrift gegeben, wobei er den Fokus noch mehr auf das Neue Kino in der Dritten Welt gelegt hat. Ich glaube, dass die Berlinale in Zukunft nicht nur qualitativ hochwertige Filme auswählen, sondern auch mehr auf neue vielversprechende Regisseure setzen wird.