Frauen in der Kommunalpolitik
Frauen, macht Politik!
Ob im Bundestag oder in den Rathäusern: Frauen sind in der Politik unterrepräsentiert. Über die Gründe – und über mögliche Lösungen.
Christiane Horsch ist eine Seltenheit. Heike Ollech auch. Und Henriette Reker sowieso. Frauen, die es in Deutschland an die Spitze kommunaler Politik geschafft haben, die hohe Ämter einer Gemeinde oder einer Stadt bekleiden, gar Bürgermeisterinnen sind wie die vorgenannten, sind noch immer rar. Gerade einmal neun Prozent der deutschen Bürgermeister*innenämter sind in weiblicher Hand, ergab 2020 eine Studie der Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft Berlin e.V. (EAF). In Großstädten verschiebt sich der Anteil sogar noch ein Stück weiter: Hier werden lediglich 8,2 Prozent der Rathäuser von Frauen geleitet, wie 2017 das „Genderranking deutscher Großstädte“ der Heinrich-Böll-Stiftung zeigte.
„Je kleiner die Gemeinde, desto höher der Anteil von Frauen“, so die Autorinnen der EAF-Studie, Kathrin Mahler Walther und Helga Lukoschat. In Ostdeutschland falle der Anteil von Frauen zwar geringfügig höher aus, ist aber dennoch in den letzten Jahren immer weiter geschrumpft. Es sei davon auszugehen, dass hier „eine Angleichung der Verhältnisse auf dem niedrigeren Niveau der alten Bundesländer“ stattgefunden habe, so die Wissenschaftlerinnen.
„Besorgniserregend“ seien diese Ergebnisse, sagt Lukoschat, die regelmäßig in Politikerrunden und Wirtschaftskreisen auf diese Missstände hinweist und dafür plädiert, die Rolle der Frauen zu stärken. Nicht nur auf Kommunalebene, wo Politikerinnen zu etwa einem Viertel vertreten sind, auch im Bundestag seien Frauen politisch unterrepräsentiert, bemängelt sie. So sind im 2017 gewählten Parlament nur knapp 31 Prozent der Abgeordneten weiblich – was einem Verlust von sieben Prozentpunkten im Vergleich zur vorherigen Legislaturperiode entspricht. „Hier ist also nicht nur Stagnation, sondern sogar ein Rückschritt zu beobachten“, sagt sie.
Frauen wird es in der Politik schwer gemacht
Warum nur so wenige Frauen in die Politik gehen, dafür gebe es aus kommunaler Sicht unterschiedliche Gründe, erklärt Christiane Horsch, seit 2012 Bürgermeisterin der Verbandsgemeinde Schweich an der Mittelmosel. Einer davon liege noch immer in den traditionellen Rollenbildern: „Gerade für Frauen ist es nach wie vor besonders schwierig, Beruf und Familie zu vereinbaren.“ Ein kommunales Ehrenamt – über das gerade in Gemeinden oft der Zugang zur Politik erfolgt – erfordere „erhebliche zusätzliche Zeit“, die Frauen seltener aufbringen könnten als Männer.
Doch die Ursachen für die Unterrepräsentanz der Frauen dürften auch darin liegen, dass es ihnen in politischen Ämtern – und auch bereits auf dem Weg dahin – schwerer gemacht wird als den männlichen Kollegen. Diesen Schluss legt die EAF-Studie nahe: Die hier dokumentierten Erfahrungen der befragten Bürgermeisterinnen zeigen, dass rund die Hälfte der Frauen im Zuge ihrer Kandidatur mit Widerständen konfrontiert wurden. Unter den Männern äußerten dies nur 37 Prozent. Knapp ein Drittel berichtet von besonderen Vorbehalten aufgrund ihres Geschlechts, 13 Prozent seien gar sexueller Belästigung ausgesetzt. Heike Ollech, Bürgermeisterin in Gunningen in Südbaden, erzählte auf einer Sitzung von Landespolitikerinnen, sie habe sich im Wahlkampf Sprüche anhören müssen wie: „Ein Weib kann man nicht wählen.“
EAF-Geschäftsführerin und Ko-Autorin der EAF-Studie über Frauen in der Politik, Kathrin Mahler-Walther, bei der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes, dass sie 2019 für ihr bürgerschaftliches Engagement in Ostdeutschland erhielt.
| Foto (Detail): ©picture alliance/dpa/Wolfgang Kumm
Mit Netzwerken und Paritätsgesetzen für mehr Frauen in der Politik
Da tut es Not, sich zusammenzuschließen, um sich gegenseitig den Rücken zu stärken. Gerade in den Ländern und Kommunen formieren sich immer mehr Netzwerke und Verbindungen, die Frauen voranbringen wollen. Christiane Horsch hat gemeinsam mit anderen Mitstreiterinnen das Netzwerk kommunale Führungsfrauen gegründet, das beim Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz angehängt ist. Sie will damit weiblichen politischen Nachwuchs fördern und Vorbilder sichtbar machen. „Vor Ort in der Kommune das Leben mit zu gestalten ist eine schöne und herausfordernde Aufgabe“, sagt sie. „Dafür sollten wir auch gerade bei jungen Frauen offensiver werben.“ In Köln setzt sich derweil Oberbürgermeisterin Henriette Reker für Frauen in der Politik ein, betreibt in der Stadtverwaltung Mentoringprogramme und will mit dem Projekt Führen in Teilzeit Frauen dazu ermutigen, Führungspositionen zu übernehmen.
Auch in Schwaben engagieren sich Kommunalpolitikerinnen in einem eigenen Frauennetzwerk: „BoRa“ will hier die Teilhabe von Frauen in der Politik stärken. Zuletzt haben die Mitglieder etwa einen Videoclip gedreht, mit dem sie auf die fehlende Parität in den Parlamenten hinweisen. „Die Hälfte der Macht den Frauen. Jetzt!“, fordern sie darin.
Für die Frauen des Helene-Weber-Kollegs, einer von Helga Lukoschat mitgegründeten Initiative der EAF Berlin, ist das ohnehin der beste, vielleicht gar einzige Weg zu einer geschlechtlichen Ausgewogenheit in der Politik. Auch sie versuchen, Nachwuchspolitikerinnen zu stärken, bieten Seminare an, trainieren mit ihnen Soft Skills und Medienarbeit. Doch sie sagen auch: „Eine Gleichberechtigung in der Politik ist nur mit verbindlichen gesetzlichen Regelungen machbar.“
Immerhin: In einigen Bundesländern nahmen zuletzt entsprechende parteipolitische Aktivitäten Fahrt auf. So hatten Brandenburg und Thüringen als erste Bundesländer Paritätsgesetze verabschiedet. Doch das Erfurter Gesetz, das mit quotierten Listen für eine Ausgewogenheit von Frauen und Männern im Landesparlament sorgen sollte, wurde im Sommer 2020 für verfassungswidrig erklärt; im Oktober ereilte den Brandenburger Vorstoß das gleiche Schicksal.
Auch eine Wahlprüfungsbeschwerde von zehn Frauen gegen das Bundestagswahlergebnis von 2017 und die – nach Geschlechtern – ungleiche Verteilung von Sitzen wurde jüngst vom Bundesverfassungsgericht abgelehnt. Eine der Begründungen: Es käme in einem Parlament nicht darauf an, dass es das Wahlvolk abbilde. Die Anwältin der Klägerinnen jedenfalls will nicht so leicht aufgeben. Nach der kommenden Bundestagswahl eine erneute Beschwerde einzulegen, schließt sie nicht aus.