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Transgender
Die Kraft der Mode

Sadak | Berlin Fashion Week | Kollektionen Frühjahr/Sommer 2016
Sadak | Berlin Fashion Week | Kollektionen Frühjahr/Sommer 2016 | Foto | Soeren Stache, © dpa / picture alliance

Mode hat eine Avantgarde-Funktion für gesellschaftlich relevante Diskurse. Sie reflektiert das Thema Transgender und sorgt dafür, dass die Grenze zwischen männlich und weiblich durchlässiger wird.

Wenn William Fan eine Kollektion entwirft, denkt er an Stoffe und Silhouetten. An eine Kombination aus edlen Materialien wie Seide und Wolle und den Schnitten funktioneller Arbeitskleidung. Woran er nicht denkt, sind Männer und Frauen. Denn Fans Stil hat kein Geschlecht – er entwirft klassische Hemden, lässig sitzenden Hosen, Jacken und Mäntel. Das einzige Zugeständnis das er macht: Es gibt alle Teile in den Größen XS bis XL, denn die Körper der Menschen haben nun mal verschiedene Höhen und Breiten.

William Fan | Herbst/Winter 2017/18 William Fan | Herbst/Winter 2017/18 | © William Fan Unisex nennt man es, wenn ein Kleidungsstück von Männern und Frauen gleichermaßen getragen werden kann. Doch der Begriff war lange ein Synonym für unsexy und für eine Mode, die so unförmig ist, dass quasi jeder Körper hineinpasst. Doch er wird wieder interessant in einer Zeit, die erkennt, dass der Gegensatz zwischen Mann und Frau gar nicht so natürlich ist. Menschen, die mit biologischen männlichen Geschlechtsmerkmalen geboren wurden, können sich weiblich fühlen und umgekehrt. Die Dichotomie männlich-weiblich bildet nicht die Realität ab, sondern ist eine kulturelles Konstrukt.
 

Spiel mit den Identitäten

„Ich gebe meiner Mode keinen Stempel ‚für Männer‘ oder ‚für Frauen‘, das entspricht nicht mehr dem Zeitgeist“, sagt William Fan, der in Berlin und Hongkong lebt und arbeitet. Er zählt zu den besten jungen Modedesignern in Deutschland.
  Wenn sie gefragt wird, ob ihre Mode androgyn sei, spricht die ebenfalls in Berlin lebende Designerin Esther Perbandt von „Gender-Bender Models“. Es geht eben um genau das „Dazwischen-Sein“. Für sie ist Mode ein Wechsel von Identitäten. „Es ist ein Spiel und keiner verlangt eine klare Zugehörigkeit.“ Designer Saša Kovačević schickte für sein Berliner Label Sadak zu einer legendären Vorstellung Männer in farbenfrohen Burkas auf den Laufsteg. Es wurde zur meistbeachteten Show der Berliner Sommer-Fashionweek 2015.

William Fan | Herbst/Winter 2017/18 William Fan | Herbst/Winter 2017/18 | © William Fan Auch bei der Präsentation von Mode wird der Gegensatz Mann-Frau immer fließender. Transgender-Models treten bei den Kampagnen der großen Modehäuser und -ketten ebenso in Erscheinung, wie auf den Titelblättern der führenden Modezeitschriften – ein wichtiger Moment für die breite Akzeptanz von Transgender. Im November 2016 war dann mit Aydan Dowling erstmals ein Transmann auf der US-Ausgabe von Men's Health zu sehen. Ein paar Monate später zog die deutsche Ausgabe nach und hatte Transmann Benjamin Melzer auf dem Titel. Die Transfrau Andreja Pejic ist ein Supermodel. Im Februar 2017 nahm die französische Vogue die brasilianische Transfrau Valentina Sampaio aufs Cover und titelte: „La beaute transgenre“ – die Schönheit des Transgender.
 
Zwar gab es Transgendermodels  auch schon vorher , es wurde nur nicht thematisiert. Und auch die Frage nach der Geschlechtsidentität ist nicht neu. David Bowie hat als Ziggy Stardust schon in den 1970er-Jahren mit Ambiguität gespielt, ebenso wie Amanda Lear und Grace Jones und in jüngerer Zeit Conchita Wurst. Das Verwischen der Geschlechtsidentitäten hat eine lange Geschichte, beispielsweise in der Tradition der Travestie und der Drag Queens.

Auflösung der Geschlechtergrenzen

Der Mode kommt dabei eine ganz entscheidende Rolle zu, ist sie es doch, die uns beim bekleideten Menschen die Codes gibt, ob wir einen Mann oder eine Frau erkennen und die uns hilft, uns als Vertreter des anderen Geschlechts auszugeben. Verkleiden und Verwechseln – ein beliebter Stoff für Komödien, ob in Shakespeares Was ihr wollt oder in Billy Wilders Some like it Hot.

William Fan | Sommer 2017 William Fan | Sommer 2017 | © William Fan Die Mode hat also die Kraft, Geschlechter zu definieren. Und sie hat eine Vorreiterrolle, wenn es um die Auflösung der Geschlechtergrenzen geht. Gertrud Lehnert, Professorin an der Universität Potsdam, hat Ende 2016 gemeinsam mit Maria Weilandt das Buch Ist Mode queer? Neue Perspektiven der Modeforschung herausgegeben. Sie forscht schon lange zum Thema Mode und Geschlechtergrenzen. „Queerness ist das absichtliche und bewusste Unterlaufen von Normen und Erscheinungsbildern“, sagt sie. Und ergänzt: „Queerness kommt aus der lesbisch-schwulen Community, und bedeutet, außerhalb der Heteronormativität zu leben, sich anders zu fühlen und auch sich anders zu inszenieren, andere Bilder von sich zu erzeugen. Im Kern kann man sagen: Queerness ist das Instabilmachen von Bedeutungen, von Zuschreibungen, von scheinbar Selbstverständlichem.“
 
Mode behandelt das Thema der Geschlechtsidentität auf vielfältige Weise. Sie tut das auf ihre eigene spielerische, transitorisch und auch ein bisschen oberflächliche Weise. Und trotzdem: Gerade weil Mode mit ihrer Avantgardefunktion so viel Aufmerksamkeit auf sich zieht, wird sie zu einem wichtigen Faktor, um dem Thema Transgender eine breite Aufmerksamkeit zu bescheren und damit die Akzeptanz in der Gesellschaft zu erreichen.

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