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„Markt für nützliches Wissen und Nichtwissen. Lizenz Nr. 9“
Wenn wir teilen. Dialoge über wissenschaftliche und gesellschaftliche Kooperationen

Veranstaltung: Markt für nützliches Wissen und Nicht-Wissen
Veranstaltung: Markt für nützliches Wissen und Nicht-Wissen | © Goethe-Institut Brüssel

Auf dem „Festival der Kooperationen“ im September 2021 organisierte das Goethe-Institut Brüssel zusammen mit dem Literaturhaus Berlin den „Markt für nützliches Wissen und Nichtwissen. Lizenz Nr. 9“. Das Format der Mobilen Akademie Berlin beinhaltete Gesprächsrunden zwischen Expert*innen aus Wissenschaft, Literatur und anderen Künste mit dem Publikum. Der gemeinsame Wissensaustausch lieferte weitreichende Erkenntnisse über die Auswirkungen der Pandemie und die künftigen Potenziale für gesellschaftliche Kooperationen.

Von Anne Kurr, Naima Limdighri und Henrike Melcher

Das Bedürfnis gemeinsam über gesellschaftliche Entwicklungen nachzudenken, liefert für das Projekt Lockdown Lehren Erkenntnisse zu gravierenden ökologischen Problemen, sozialen Ungerechtigkeiten, aber auch Chancen und Utopien, welche aus der Corona-Krise erwachsen.

Für Care-Arbeit einsetzen und Geschlechtergerechtigkeit erkämpfen

Der Status Quo zeichnet sich nach wie vor darin aus, dass Hierarchien Bestand haben und Arbeit und Entlohnung zwischen den Geschlechtern ungerecht verteilt sind, so die feministische Autorin Teresa Bücker und ihr Gesprächspartner. Die beiden Gesprächsteilnehmer*innen beobachten, dass Geschlechtergerechtigkeit zu Beginn der Pandemie viel mehr im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit stand und unbezahlte Care-Arbeit, die Belastung von Müttern oder der Anstieg von häuslicher Gewalt vermehrt diskutiert wurden. Nun blende die Politik dies aus und sträube sich vor radikalen politischen Veränderungen. Die fehlende Sichtbarkeit der ungerechten Versorgungsrealität - vor allem von alleinerziehenden Müttern oder auch Pflegebeschäftigten - führe dazu, dass es an strukturellen oder gemeinschaftlichen Lösungen mangelt. Systemfragen wie prekäre Beschäftigungsbedingungen, unbezahlte Sorgearbeit oder Rassismus in der Arbeitswelt werden nach wie vor öffentlich kaum als solche wahrgenommen. Bücker schlägt vor, Lebensrealitäten zusammenzudenken, anstatt sie einzeln zu betrachten. Dabei ist es eminent wichtig, miteinander zu sprechen, um Sprachlosigkeit und politische Ohnmacht zu überwinden.
  • Veranstaltung: Markt für nützliches Wissen und Nicht-Wissen Foto: © Goethe-Institut Brüssel
    Veranstaltung: Markt für nützliches Wissen und Nicht-Wissen
  • Veranstaltung: Markt für nützliches Wissen und Nicht-Wissen Foto (Ausschnitt): © Goethe-Institut Brüssel
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  • Veranstaltung: Markt für nützliches Wissen und Nicht-Wissen Foto (Ausschnitt): © Goethe-Institut Brüssel
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  • Veranstaltung: Markt für nützliches Wissen und Nicht-Wissen Foto: © Goethe-Institut Brüssel
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Ohnmacht überwinden und politische Klugheit üben

Daran lässt sich die Idee von politischer Klugheit der Philosophin Olivia Mitscherlich-Schönherr anschließen. Sie versteht darunter den eigenständigen Gebrauch von Vernunft, der es erlaubt Forderungen aktivistischer und sozialer Bewegungen nachhaltig im Zusammenleben zu verankern. Dies impliziert die Erörterung politischer Möglichkeiten und Handlungen. Mitscherlich-Schönherr beharrt darauf, dass diese Klugheit stetig geschult und mit der Zeit gefestigt werden muss, um in der Zukunft umsichtig zu handeln. Das Modell politischer Diskussionen, in denen sogenannten Expert*innen politische Entscheidungen überlassen werden, sei veraltet und reproduziere gesellschaftspolitische Krisen wie beispielsweise Demokratiedefizite, Kritikunfähigkeit oder soziale Isolation. Ein zukünftiges demokratisches Miteinander solle so aussehen, dass zivilgesellschaftliche Bürger*innenräte gegründet werden. Solche Räte orientieren sich an demokratischen Prinzipien, Effizienz und Vernunft, und schaffen dadurch eine basisdemokratische Rückbindung von politischen Entscheidungen. Eine solche Verschiebung zu partizipativen politischen Prozessen bildet ein Gegengewicht zum konventionellen top-down Expert*innentum.

Klimakrise gemeinschaftlich angehen

Die Klimakrise fordert ein gemeinsames Nachdenken und kooperatives Handeln, so die ernüchternde Erkenntnis des Abends. Ein reales und lebensbedrohliches Problem besteht, welches gewaltsame Konflikte anfeuert und bereits irreparable Schäden an Mensch, Biodiversität und Planet verursacht hat. Die Wissenschaftler*innen appellieren seit langem dafür das Ziel der 1,5 Grad Erderwärmung einzuhalten und kritisieren vor allem politische Entscheidungsträger*innen, die Lage nicht ernst genug zu nehmen und die katastrophalen ökologischen Entwicklungen zu verharmlosen.

Gregor Hagedorn vom Naturkunde Museum Berlin stellt mit seiner Gesprächspartnerin fest, dass ein veränderter Individualkonsum nicht ausreiche, um die Klimakrise zu bewältigen. Nur eine gemeinschaftliche Lösung und gesetzliche Regelungen können zum Ziel führen. Gleichzeitig ist gegenseitiges Ermahnen nie konfliktfrei. Regeln sind aber nicht autoritär gedacht, sondern für Hagedorn ein immanenter Bestandteil eines funktionierenden sozialen Zusammenlebens. Die Klimaforscher*innen Stefan Rahmstorf und Kira Vinke attestieren der Politik ein teilweise mangelndes Grundverständnis für wissenschaftliche Erkenntnisse und  fehlendes Erkennen der dringenden Probleme unserer Zeit. Für Vinke stehen dabei vor allem die gewaltsamen Konfliktentstehungen als Folge des Klimawandels im Vordergrund. Sie plädiert für mehr öffentliche Aufmerksamkeit und Wissen über die Ursachen der bewaffneten Konflikte. Für diesen Perspektivwechsel empfiehlt Rahmsdorf mehr Entscheidungsmacht an Bürger*innen- und Klimaräte abzugeben, da diese mehr Sachverstand und Ernsthaftigkeit bündeln. In gewissermaßen also die Idee der politischen Klugheit von Olivia Mitscherlich-Schönherr in Verbindung mit dem Appell von Theresa Bücker, politische Ohnmacht zu überwinden.
 

Eingeladene Expert*innen

Konrad Braun — Teresa Bücker — Felipe Dias Rego — Gregor Hagedorn 
Jean Macq — Elisabeth Massute — Olivia Mitscherlich-Schönherr
Patrick Mudekereza — Philipp Osten — Eric Otieno Sumba
Stefan Rahmstorf — Promona Sengupta — Adriana Urrea — Kira Vinke

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