Filmvorführung & Diskussion Peter Nestler: Der Offene Blick

Ein Mann mit weißem Hut spricht. Im Hintergrund sieht man Skulpturen. © Strandfilm, Bild: Rainer Komers

Fr, 03.11.2023

18:00 Uhr

Birkbeck Cinema

Künstlerinnen und Künstler der Sinti und Roma

Peter Nestlers Film Der Offene Blick ist eine Hommage an die Kunst und Kultur der Sinti und Roma. Die Vorführung findet im Birkbeck Cinema statt. Im Anschluss folgt eine von Gareth Evans moderierte Diskussion mit der bildenden Künstlerin Delaine Le Bas und dem Autor Damian Le Bas, die beide der Roma-Community in Großbritannien angehören.  

Der Offene Blick ist der zweite Teil von Peter Nestlers Diptychon über den Widerstand der Roma und Sinti gegen die Gewalt und Ungerechtigkeit, die sie erfahren haben.  Der Film konzentriert sich auf die Arbeit verschiedener Künstler*innen aus Vergangenheit und Gegenwart, die Schreiben, Malen, Film und Musik als eine Form des persönlichen Ausdrucks und des Erinnerns genutzt haben, aber auch um Widerstand zu leisten und ihre Kultur zu zelebrieren. 
Für Nestler ist es wichtig, die Vielfalt ihrer Ausdrucksformen und die Offenheit ihres Ansatzes hervorzuheben. Wir treffen auf Rosa Gitta Martl und ihre Tochter Nicole Sevid, die zum Gedenken an im "Zigeunerlager" Weyer in Oberösterreich gestorbene Menschen eine Reihe kurzer Texte lesen. Die Filmemacherin Karin Berger würdigt ihre Freundin Ceija Stojka (1933-2013), eine österreichische Schriftstellerin, Malerin, Sängerin und Aktivistin und Überlebende der NS-Konzentrationslager Auschwitz, Ravensbrück und Bergen-Belsen, die großen Einfluss auf andere Roma- und Sinti-Künstler*innen gehabt hat. Eine weitere Sequenz des Films ist der in Spanien geborenen Künstlerin Lita Cabellut gewidmet, die sich mit Malerei, Video und Tanz gegen Diskriminierung und andere soziale Probleme einsetzt. Sie spricht über ihre Arbeit als Art Director für Carmen Chaplins Film über die mutmaßliche Roma-Herkunft ihres weltberühmten Großvaters. Die Filmwissenschaftlerin Radmila Mladenova erörtert die Beziehung zwischen Kino und Fotografie und die Verwendung rassistischer Stereotypen, z. B. in frühen Filmen von D. W. Griffith und László Moholy-Nagy. Als alternative Perspektive präsentiert sie Fotos, die Sinti und Roma auf gerechte Weise und als gleichberechtigt zeigen. Der Film zeigt auch die Musik der Roma and Sinti Philharmonics, eines Orchesters, das Musiker*innen aus ganz Europa zusammenbringt. Ein Beispiel für eine positive Veränderung in den letzten Jahren ist die Kai Dikhas Galerie und Stiftung unter der Leitung von Moritz Pankok, die Künstler*innen kontinuierlich ein Forum zur Entwicklung und Ausstellung ihrer Werke bietet.

Deutschland, Österreich 2022, Farbe & s/w, 101 Min. Mit englischen Untertiteln.
Regie: Peter Nestler, Kamera: Rainer Komers, Schnitt: Dieter Reifarth, Ton: Michael Busch, Produktionsfirmen: Strandfilm GmbH (Frankfurt am Main) in Koproduktion mit Navigator Film Produktion (Wien) in Zusammenarbeit mit Zweites Deutsches Fernsehen (ZDF) / 3sat (Mainz) Produzent: Dieter Reifarth, Ausführende Produzentin: Monika Lendl.



Eine Kooperation zwischen dem Essay Film Festival / Birkbeck Institute for the Moving Image und dem Goethe-Institut London.

 
Damian Le Bas ist ein Schriftsteller von der Südküste Englands. Sein erstes Buch, The Stopping Places: a Journey Through Gypsy Britain, gewann den Somerset Maugham Preis, denJerwood-Preis der Royal Society of Literature, war BBC Radio 4 Book of the Week und kam in die engere Auswahl für das Stanford Dolman Travel Book of the Year. Sein nächstes Buch wird im Jahr 2025 bei Chatto & Windus erscheinen.

Delaine Le Bas stammt ebenfalls von der Südküste Englands und hat an der St Martins School Of Art in London studiert. Sie arbeitet in verschiedenen Disziplinen und schafft Installationen, Performances, Fotografie und Film. Ihre Arbeiten befassen sich mit Fragen bezüglich Identität, Rasse, Geschlecht und Sexualität sowie mit der anhaltenden Gewalt und Ausgrenzung gegenüber denjenigen, die in der Gesellschaft als "die Anderen" wahrgenommen werden.

Gareth Evans ist ein in London ansässiger Autor, Redakteur, Film- und Veranstaltungskurator, Produzent und Moderator sowie Mentor für Dokumentarfilme. Er arbeitet an speziellen Projekten für den London Review of Books und kuratiert dessen Reihe Screen at Home. Von 2012 bis 2023 war er Adjunct Moving Image Curator an der Whitechapel Gallery. Er hat zahlreiche Katalogessays und Artikel über die Kultur von Orten, über Künstler*innen und das bewegte Bild verfasst sowie den umfangreichen Text für den KID A MNESIA-Katalog von Radiohead.
 
Über Peter Nestler

Der deutsche Filmemacher Peter Nestler gehört zu den ganz großen Dokumentaristen unserer Zeit. Sein einflussreiches Werk, das zunehmend auch außerhalb des deutschsprachigen Raums gewürdigt wird, umfasst mittlerweile mehr als 60 Filme – über sechs Jahrzehnte hinweg entstanden, stehen Nestlers Filme exemplarisch für ein dokumentarisches Arbeiten, das sich durch politischen und künstlerischen Eigensinn auszeichnet.
Nestler, 1937 in Freiburg geboren, beginnt 1962 seine Arbeit als Dokumentarfilmregisseur, zunächst noch in der BRD, ab 1966 in Schweden, wo er bis heute lebt. Bis in die 1990er Jahre ist er für das schwedische Fernsehen tätig und realisiert nahezu jedes Jahr einen Film, oft in Zusammenarbeit mit seiner Frau Zsóka Nestler (1944–2016). Bis heute führt der nun 85-jährige Nestler seine herausragende Arbeit fort, die sich in den unterschiedlichsten filmischen Formen manifestiert und in deren Zentrum eine hellsichtige Analyse der Zusammenhänge von Politik und Ökonomie steht. "Im Grunde", so ein Wegbegleiter Nestlers, "dreht er einen langen, großen Film, wie ein Erzähler, der seine Geschichte ewig fortspinnt. Die einzelnen Filme sind deshalb lediglich Kapitel oder Abschnitte dieser Lebensarbeit."
Dies gilt mit Sicherheit für seinen aktuellen, aus zwei Teilen bestehenden deutsch-österreichischen Film Unrecht und Widerstand und Der offene Blick, mit dem Nestler in beeindruckender Weise seine jahrzehntelange Auseinandersetzung mit dem Schicksal der Sinti und Roma in Deutschland und Österreich fortführt: ein großes intensives Epos über ein immenses Unrecht, erzählt als Geschichte zwischen Trauma und Selbstbehauptung. (Constantin Wulff; mit Dank an das Österreichische Filmmuseum )

 

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