Kinovorführung mit Einführung
Hanns Zischlers humorvoller Essayfilm über Kafkas Faszination für das Kino ist nicht nur ein Porträt Kafkas und seiner Zeit durch die Linse des Kinos, sondern auch eine Hommage an die Anfänge des Mediums selbst. Wir zeigen den Film zusammen mit drei der von Kafka erwähnten frühen Stummfilme. Der Film wird eingeführt von Helen Hughes.
Kafka inspirierte mit seinem Werk nicht nur unzählige Filme, er selbst war auch fasziniert vom Kino. Er sah Filme, liebte es Filmankündigungen durchzusehen, ließ sich Filme erzählen, erinnerte andere daran, ins Kino zu gehen, identifizierte sich mit Schauspielern, selbst wenn der Film schlecht war. „Im Kino gewesen. Geweint“, ist wohl Kafkas bekannteste Aussage über einen Kinobesuch. Seine Beziehung zum Film war emotional, und er sah populäre emotionale Filme. Die Spuren seiner Kinoerlebnisse finden sich in seinen Tagbüchern und Briefen.
Um diese systematisch aufzuspüren, bedurfte es einen Cinephilen wie Hanns Zischler, vielen bekannt als Darsteller in Filmen von Wim Wenders oder Jean-Luc Godard, der bei der Vorbereitung für einen Film über Kafka 1978 auf dessen Aussagen zum Kino stieß. Zischler begann eine jahrelange akribische Recherche nach den erwähnten Filmen in Archiven in verschiedenen Ländern. Diese resultierte zunächst in einem Artikel und schließlich in einem Buch mit dem Titel
Kafka geht ins Kino, das 1996 erschien. 2002 folgte dann der Film, der das gesammelte Material buchstäblich in Bewegung setzt und zu einer fast immersiven Filmerfahrung werden lässt.
Hier nun können wir Ausschnitte aus Filmen sehen, die Kafka gesehen hat. In einer kunstvollen oft spielerischen Montage vermischen sie sich mit neuen gefilmten Aufnahmen der Orte, an denen Kafka die Filme, oft zusammen mit seinem Freund Max Brod, sah. Sie füllen das Fenster eines Zugabteils oder die Windschutzscheibe eines Autos. Postkarten und Plakate schweben vorbei, Kafkas Handschrift erscheint im Bild. Es zeigt sich etwas von der Magie und Kuriosität früher Stummfilme. So ist Zischlers Film nicht nur eine Portrait Kafkas und seiner Zeit durch die Linse des Kinos, sondern auch eine Liebeserklärung an die Frühzeit des Mediums selbst.
Filmprogramm:
Jízda Prahou otevřenou tramvají (Straßenbahnfahrt durch Prag). Tschechien 1908. Regie, Drehbuch, Kamera und Produktion:Jan Kříenecký. 2 Min.
Nick Winter et le vol de la joconde (Nick Winter und der Diebstahl der Mona Lisa). Frankreich 1911. Regie: Paul Garbagni. 10 Min.
Primo Circuito Aereo Internazionale di Aeroplane in Brescia (Erster Internationaler Wettbewerbfür Luftschiffe und Flugmaschinen, Brescia). Italien 1909. Produktion: Manifatture Cinematografiche Adolfo Croce, Mailand. 13. Min
Kafka va au cinéma (Kafka geht ins Kino), Frankreich 2002. Regie und Drehbuch: Hanns Zischler. Kamera: Hanns Zischler, Ute Adamczewski, Miriam Fassbender. Produktion: Movimento Production, Paris. 55 Min, Englische Version.
Gesamtlänge: 80 Min.
Bitte bachten Sie, dass wir keiner Werbung zeigen und das Programm pünktlich beginnt.
Helen Hughes ist seit kurzem im Ruhestand, nachdem sie dreißig Jahre lang an der University of Surrey Germanistik und Filmwissenschaften unterrichtet hat. Ihre Arbeit über Kafka begann mit ihrer 1994 abgeschlossenen Doktorarbeit
The Bureaucratic Muse, die ein Kapitel über Kafkas
In der Strafkolonie enthielt. Gemeinsam mit Martin Brady verfasste sie Kapitel über Kafka-Verfilmungen für den
Cambridge Companion to Kafka (2006) und
Mediamorphosis: Kafka and the Moving Image (2016) und kürzlich trug sie einen Essay über
Schakale und Araber zu dem Band
The Cinema of Danièle Huillet and Jean-Marie Straub (2023) bei.
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