Aus Anlass seines 70-jährigen Bestehens hat das Goethe-Institut Athen seine Archivbestände durchforstet und sie zugleich für ein größeres Publikum geöffnet.
Der Aufruf Lasst uns das Archiv aufräumen! war eine Initiative, zur Bereicherung unserer Archive beizutragen und Material mit uns zu teilen, das die kulturelle Aktivität des Goethe-Instituts Athen auf relevante Weise unter Beweis stellt. Das "Aufräumen" ist auf große Resonanz gestoßen.
Parallel erfolgte die Ordnung des Archivs: Vorhandenes Material wurde gesichtet, geordnet, professionell aufbewahrt und systematisch katalogisiert (analog und digital).
Jetzt ist das Kulturarchiv wieder in einem guten Zustand und steht zur öffentlichen Nutzung zur Verfügung.
Das Goethe-Institut Athen lud die Künstler Ino Varvariti und Giannis Delagrammatikas dazu ein, sein Archivmaterial zu durchforsten. Die beiden haben eine Arbeit entwickelt, die das kulturelle Leben der Zeit abbildet und darüber auch ein Bild der sozialen Realität der letzten siebzig Jahre zeichnet. Dabei steht die Geschichte Athens und Griechenlands stets im Zusammenhang zu ihrer globalen Vernetzung.
Wie das Goethe-Institut Athen mit der Gesellschaft vor Ort sowie mit Akteur*innen weltweit interagiert, zeigen Fotos, Programme, Einladungen, Broschüren, Publikationen und Kataloge von kulturellen Aktivitäten aus der Institutsarbeit. Aus diesen Wechselwirkungen speiste und strukturierte sich die Erzählung vom griechischen Künstlerduo, denn unter dem Prinzip „Performing the Archive“ (das Archiv performen) wurden wiederum auch die Besucher*innen zur Interaktion mit dem Institut eingeladen. Entlang einer Reihe von archivarischen Episoden folgten die Künstler ihrem selbst formulierten Anspruch, „die semantischen Möglichkeiten und narrativen Transformationen des kulturellen Archivs der Institution zu erkunden“.
Die Installation erstreckte sich über verschiedene Räume des Institutsgebäudes in der Omirou-Straße 14-16. Die Besucher*innen waren eingeladen, sich aktiv an dem Projekt zu beteiligen und durch selbstständige Materialsammlungen ein eigenes, persönliches Archiv anzulegen. Bis zur Schließung der Ausstellung bot das Künstlerduo Gruppenführungen für Besucher*innen jeden Alters an.
Giannis Delagrammatikas
Giannis Delagrammatikas ist bildender Künstler und Wissenschaftler. Er studierte Archäologie und Kunstgeschichte an der Nationalen und Kapodistrianischen Universität Athen (2005) sowie an der Hochschule der Bildenden Künste Athen (ASFA, 2012). Im Rahmen des europäischen Austauschprogramms besuchte er Kurse an der ARTESIS Akademie Antwerpen in der Sektion in situ3 (2010). Im Jahr 2016 schloss er sein Aufbaustudium im MA-Programm “Kunst im Kontext” an der Universität der Künste Berlin (UdK) ab, wobei er durch ein Vikatos-Stipendium der Athener Hochschule der Bildenden Künste unterstützt wurde. Im Jahr 2018 wurde er mit dem ARTWORKS Stavros Niarchos Foundation Artists’ Support Programme Fellowship ausgezeichnet. Er ist Gründungsmitglied der Künstlergruppe Campus Novel (2011) und der Forschungsgruppe phantom investigations in Zusammenarbeit mit Ino Varvariti (2018). Delagrammatikas hat an Ausstellungen, Workshops, Künstlerischer Forschung, Vorträgen und Aufenthaltsprogrammen in Griechenland und im Ausland teilgenommen. Er lebt und arbeitet in Athen.
Ino Varvariti
Ino Varvariti ist bildende Künstlerin. Sie studierte Chemie an der Nationalen und Kapodistrianischen Universität Athen (2002) und anschließend Malerei an der Hochschule der Bildenden Künste Athen (ASFA, 2009). 2014 schloss sie den MA-Studiengang “Kunst im Kontext” an der Universität der Künste Berlin (UdK) mit Unterstützung des Vikatos-Stipendiums der Hochschule der Bildenden Künste Athen (ASFA) ab. Im Jahr 2012 wurde sie mit dem Vassilis-I.-Valambos-Preis der Yannis- und Zoe-Spyropoulou-Stiftung ausgezeichnet. Sie ist Mitglied der bildenden Künstlergruppe Campus Novel (2011) und der Forschungsgruppe Phantom Investigations, in der sie mit Giannis Delagrammatikas zusammenarbeitet (2018). Varvariti hat an Ausstellungen, Workshops, Künstlerischer Forschung, Vorträgen und Aufenthaltsprogrammen in Griechenland und im Ausland teilgenommen. Sie lebt und arbeitet in Athen.
Zwei bildende Künstler stellen das Archiv des Goethe-Instituts auf den Kopf und präsentieren es uns auf einem „Rundgang“ abseits des Gewohnten
von Despina Zefkili
Quelle: athinorama.gr, 18/11/2022
Wie treffen die Mitarbeiterinnen des Goethe-Instituts Athen auf einem Foto von der Eröffnung des Omirou-Gebäudes aus den 1980er Jahren auf die überwiegende Anzahl der Mitarbeiterinnen, die heute in der Organisation arbeiten? Aus welchem Anlass taucht einmalig die deutsche Flagge in den Archiven des Instituts auf? Wie spiegelt sich der Mai 1968 in der Biennale in Venedig desselben Jahres wider und welche Ausstellungen veranstaltete Goethe damals? Was war das Studio für Neue Musik, in dessen Rahmen 1974 der erste öffentliche Auftritt von Iannis Xenakis innerhalb Griechenlands im Goethe-Institut Athen stattfand? Wer fand während der Diktatur „Zuflucht“ in der Bibliothek und in den Räumlichkeiten des Instituts? Was können uns die Studien für Städtebau und Umwelt und die Fälle von Exarchia und Kypseli in den 1980er Jahren über die heutige städtische Gentrifizierung sagen? Diese und viele weitere Fragen werden bei der Besichtigung der Kunstinstallation Fundort: Goethe Omirou. Punktuelle archivarische Konvergenzen von Ino Varvariti und Giannis Delagrammatikas, mit der das Goethe-Institut Athen seinen 70-jährigen Geburtstag feiert, beantwortet bzw. eröffnet.
Um das analoge Archiv zu aktivieren, das nach der Renovierung des Instituts gerade katalogisiert wurde, hatte Stefanie Peter, Leiterin der Kulturprogramme des Goethe-Instituts Athen, die interessante Idee, eine Forschungspräsentation an bildende Künstler in Auftrag zu geben, um einen neuen Blick von außen auf das Archiv zu ermöglichen. Ino Varvariti und Giannis Delagrammatikas, die sowohl als Einzelpersonen als auch als Mitglieder der Künstlergruppe Campus Novel gelegentlich archivarische Praktiken in ihre Arbeit einfließen lassen, nahmen die Herausforderung an und durchforsteten einige Monate lang dieses reichhaltige Archiv, das das kulturelle Leben der letzten 70 Jahre in Athen nachzeichnet, um eine persönliche und gleichzeitig für den Besucher offene Erzählung zu entwickeln, die über das Institut selbst hinausgeht und die breitere soziale Realität der Stadt und der Welt abbildet.