100 Jahre Bauhaus
Über das Bauhaus
Das Bauhaus wurde unter der Leitung des Architekten Walter Gropius 1919 in Weimar gegründet, um Kunst und Kunsthandwerk zu vereinen. Ziel der Schule war die Ausbildung eines neuen Künstlertypus, der Produkte im Bereich des Designs oder der Architektur entwickeln sollte, welche sich für die industrielle Massenproduktion eigneten
Gelernt wurde in einer der schulischen Werkstätten, in denen die praktische handwerkliche Ausbildung und die theoretische Erörterung von Gestaltungsfragen durch zwei Werkstattleiter, den Werk- und den Formmeister, Hand in Hand gingen. Die Schule trat mit der Idee an, Lebensvorgänge und somit die Gesellschaft insgesamt gestalten zu wollen. Das Schaffen von Gesamtkunstwerken durch gemeinschaftliche Arbeit stand dabei im Fokus. Gleichzeitig waren Interdisziplinarität und experimentelles Ausprobieren entscheidende Komponenten der pädagogischen Ausrichtung.
Das Bauhaus gab es nicht. Die Schule ist keineswegs eine spezifisch deutsche Erscheinung. Vielmehr können sie und ihr Netzwerk als Kulminationspunkt verschiedener avantgardistischer Strömungen angesehen werden. Am Bauhaus lehrten und lernten Architekt*innen, bildende Künstler*innen, Handwerker*innen, Wissenschaftler*innen, Pädagogen*innen oder Tänzer*innen aus der ganzen Welt. Genauso heterogen waren die Motive und Sichtweisen auf künstlerische Produktionen.
Schon während des Bestehens der Schule gab es Versuche, die im Umfeld des Bauhauses entstandenen Erzeugnisse zu vereinheitlichen. Diese Bestrebungen gingen auch vom Bauhaus selbst aus, um sich gegenüber seinen Widersachern besser zu behaupten. Gleichzeitig erfolgte die Herausbildung des Bauhauses als Marke, um neue Aufträge zu akquirieren und den Bekanntheitsgrad zu steigern. Diese Tendenz beförderten auch Kritiker*innen und Historiker*innen, sodass das Bild des einheitlichen „Bauhausdesigns“ entstand.
Nach nur 14 Jahren musste die Schule angesichts der politischen und gesellschaftlichen Situation schließen. Dreimal war das Bauhaus aufgrund des Erstarkens der Nationalsozialisten gezwungen, seinen Standort zu verändern. Zunächst übersiedelte es nach fünfjährigem Bestehen von Weimar nach Dessau, um dann 1931 weiter nach Berlin zu ziehen, wo es 1933 endgültig geschlossen wurde. Keiner der drei Direktoren Walter Gropius (1919-1928), Hannes Meyer (1928-1931) und Ludwig Mies van der Rohe (1931-1933) konnte ein Fortbestehen in Deutschland erreichen, sodass sich viele Bauhäusler zur Emigration gezwungen sahen.
Pädagogik
Die Ausbildung am Bauhaus gliederte sich in zwei Bereiche: den Vorkurs und die Lehrzeit in einer der Werkstätten. Zunächst absolvierte jede*r Schüler*in eine Grundlagenausbildung im Vorkurs, wo mit Formen, Farben und Materialien experimentiert wurde. Die Struktur des Vorkurses war nicht streng festgelegt, sondern hing von der Herangehensweise des jeweiligen Lehrers ab. Der erste Lehrer des Vorkurses war Johannes Itten, der den Unterricht nach reformpädagogischen Ansätzen ausrichtete. Im Gegensatz zum traditionellen Konzept des Kopierens von Vorbildern stellte Itten das subjektive Empfinden der Schüler*innen in den Mittelpunkt der künstlerischen Arbeit. Nach seinem Weggang übernahmen László Moholy-Nagy und Josef Albers den Vorkurs. Beide legten besonderen Akzent auf die Wahrnehmung und Eigenschaften von Materialien. In ihrem Unterricht entstanden beispielsweise Tasttafeln, die die unterschiedliche Haptik der Werkstoffe verdeutlichten. Auch das Erfassen und Nachbilden von räumlichen Strukturen war Teil des Unterrichts.
Weberei, Tischlerei, Metallwerkstatt, Bühne, Druck und Reklame, Glas- und Wandmalerei, Keramik, Plastische Werkstatt – in einer dieser Werkstätten wurde jede*r Schüler*in am Bauhaus nach dem konventionellen Konzept der Gesellenausbildung im Handwerk unterrichtet. Die dreijährige Lehrzeit wurde mit der Gesellenprüfung abgeschlossen und durch das Bauhaus-Diplom ergänzt. In ihrer Struktur unterschieden sich die Bauhaus-Werkstätten allerdings von der Ausbildung in konventionellen Handwerksbetrieben: Neben einem handwerklich ausgebildetem Werkmeister wurde jede Werkstatt auch von einen Formmeister geleitet, bei dem es sich meist um eine*n Lehrer*in mit künstlerischem Hintergrund handelte. Praktische und theoretische Auseinandersetzung gingen so Hand in Hand.
Nicht alle Schüler*innen konnten frei wählen, in welcher Werkstatt sie ausgebildet werden wollten. Die meisten Schülerinnen wurden der Weberei zugeordnet, die in der Anfangszeit sogar als „Frauenklasse“ bezeichnet wurde. Nur wenige Frauen wie beispielsweise Marianne Brandt oder Wera Meyer-Waldeck erkämpften sich den Weg in eine der anderen Werkstätten.
Architektur
„Das Endziel aller bildnerischen Tätigkeit ist der Bau“. Ungeachtet dieses Anspruchs – durch die Mitwirkung aller Bauhaus-Werkstätten Bauten zu errichten – wurden erst nach dem Umzug der Schule nach Dessau die ersten Architekturprojekte realisiert. Eine architektonische Ausbildung war sogar erst nach Einrichtung der Baulehre-Werkstatt unter Hannes Meyer ab 1927 möglich. Der Unterricht umfasste neben Stadtplanung auch Konstruktions- und Entwurfslehre sowie Bauzeichnen.In Dessau erhielt das Bauhaus durch die Stadt und durch private Bauherren zahlreiche Möglichkeiten, auch baulich tätig zu werden. So entstanden beispielsweise neben dem Schulgebäude die Meisterhäuser sowie das Arbeitsamt. Darüber hinaus konnte eine großflächige Siedlung in Dessau-Törten mit vorfabrizierten Bauteilen in Fließbandtechnik errichtet werden. Wie bei der Entwicklung von Gegenständen orientierte man sich an industriellen Verfahren und industriellen Materialien wie Glas und Stahl. Der funktional ausgerichtete Gestaltungsansatz basierte auf einer genauen Analyse der Anforderungen.
Alle Bauten wurden durch das private Architekturbüro von Walter Gropius unter Mitwirkung von Angestellten und Studierenden des Bauhauses geplant und realisiert. Gleichzeitig waren die verschiedenen Werkstätten der Schule für die Ausstattung der Gebäude verantwortlich. Diese enge Verflechtung von institutionellen und privaten Interessen stieß regelmäßig auf Kritik. Auch während des Direktorats von Hannes Meyer änderte sich die Situation nicht grundlegend. Neben der Bundesschule des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB) in Bernau entstanden unter Meyers Leitung die Laubenganghäuser in Dessau, die erstmals von der Bauabteilung des Bauhauses geplant und ausgeführt wurden. Mies van der Rohe wiederum stärkte den Architekturschwerpunkt, indem er die Struktur der Werkstätten auflöste und die Lehre auf die rein architektonische Ausbildung verlagerte. Die verschiedenen Direktoren prägten den Stil der jeweiligen Bauprojekte ganz wesentlich, sodass von einem einheitlichen „Bauhausstil“ keine Rede sein kann. Vielmehr wurden aufgrund der heterogenen Sichtweisen und Hintergründe verschiedene Lösungsansätze im Bereich der modernen Architektur aufgezeigt.
Produktgestaltung/Design
Geometrisch, schwarz-weiß, industriell – so sieht in der Vorstellung vieler das „Bauhaus-Design“ aus. Besonders die Stahlrohrmöbel von Marcel Breuer sind als Designklassiker in die Geschichte eingegangen. Design wurde am Bauhaus nicht als eigenständiges Fach unterrichtet. Die Ausbildung erfolgte vielmehr in einer der Werkstätten wie der Weberei oder Tischlerei, wo die praktische Arbeit mit theoretischen Gestaltungsfragen verknüpft war.In der Anfangszeit der Schule war der Bezug zur handwerklichen Arbeit unverkennbar. In den Werkstätten entstanden vor allem handgemachte Einzelstücke, die sich inzwischen zu „wertvollen“ Kunstwerken entwickelt haben. Spätestens mit dem von Walter Gropius 1923 proklamierten Motto Kunst und Technik – eine neue Einheit stand die Gestaltung von Prototypen für die industrielle Produktion im Vordergrund. Gestaltungsfragen sollten durch eine genaue Analyse der Problemfelder und Materialien erörtert werden. So entstanden neben den Stahlrohrmöbeln auch andere erfolgreiche Produkte wie Lampen für die Firma Kandem oder Tapetenmuster für die Firma Rasch. Das Entwerfen von Prototypen führte zu Diskussionen über das Verständnis von Autorschaft und der Beziehung zwischen Kunst und Design. Damit einhergehend kam es oft zu Konflikten um Patente und Lizenzen, da sowohl die Designer*innen als auch das Bauhaus Urheberrechte anmeldeten.
Hannes Meyer betonte mit seinem Ausruf Volksbedarf statt Luxusbedarf den sozialen Anspruch von Gestaltung, den er durch erschwingliche Produkte aus dem Bauhaus verwirklichen wollte.
Die professionelle Vermarktung der Bauhausprodukte war nicht nur für die wirtschaftliche Existenz, sondern auch für die Bekanntheit der Schule von entscheidender Bedeutung. Sie beinhaltete auch die Gestaltung jeglicher Schrifterzeugnisse des Bauhauses: von eigenen Publikationen bis hin zum Briefkopf oder dem Abschlussdiplom. Sogar die deutsche Rechtschreibung wurde umgestaltet: „wir schreiben alles klein, denn wir sparen damit zeit“.
Bildende Kunst
Die zweckorieniterte Ausrichtung der Bauhausprogrammatik ist mit dem Bereich der Bildenden Kunst kaum in Einklang zu bringen. Und doch sind es gerade die großen Namen wie Paul Klee, Wassily Kandinsky, Lyonel Feininger, Gerhard Marcks, Oskar Schlemmer, Johannes Itten oder auch Georg Muche, die wir heute mit dem Bauhaus verbinden. Obwohl die Ausbildung von freien Künstler*innen kein erklärtes Ziel der Schule war, machten bildenden Künstler den maßgeblichen Teil der Lehrer am Bauhaus aus. Neben theoretisch ausgerichteten Kursen zur Form- und Farblehre sowie der Mitgestaltung des Vorkurses unterrichteten sie häufig als Formmeister in den Werkstätten. Obwohl die Werkstätten von einem Form- und einem Werkmeister geleitet wurden, wurde der Rolle des Formmeisters stets mehr Bedeutung zugemessen. Dieses Ungleichgewicht konnte zum Teil erst überwunden werden, als die ersten Absolvent*innen als Jungmeister in Dessau unterrichteten. Der Einfluss und das Gewicht der Bildenden Kunst am Bauhaus war ein ständiger Streitpunkt. In Dessau wurde der Lehrauftrag der Bildenden Künstler*innen auf die Grundlagenausbildung der Studierenden beschränkt. Gleichzeitig boten Kandinsky und Klee freie Malklassen an, die zum Teil sogar in ihren privaten Ateliers stattfanden. Das Bauhaus war aber immer auch Treffpunkt und Impulsgeber für die künstlerische Avantgarde und profitierte von der Bekanntheit seiner „großen“ Maler. Neben zahlreichen Vorträgen erschien eine Reihe von Bauhausbüchern, zu denen u.a. Punkt und Linie zur Fläche von Kandinsky oder Die gegenstandslose Welt von Kasimir Malewitsch gehörten.
Fotografie / Film
ben am Bauhaus und zeigen Alltägliches wie Inszeniertes. Da Kameras zu Beginn des 20. Jahrhunderts dank industrieller Massenproduktion erschwinglich waren, nutzten viele Bauhäusler*innen das neue Medium für Schnappschüsse. Darüber hinaus setzten sie sich auch künstlerisch mit der Fotografie auseinander, wie die Fotogramme von László Moholy-Nagy zeigen. Das Neue Sehen – ein Sammelbegriff für avantgardistische Tendenzen der Fotografie in den 1920er Jahren – spiegelte sich in verfremdenden Bildausschnitten, extremen Perspektiven und neuartigen Motiven. Neben Moholy-Nagy und seiner Frau Lucia Moholy sind vor allem Erich Consemüller, T. Lux Feininger, Umbo und Walter Funkat als Bauhaus-Fotograf*innen bekannt. Die Bauhäusler*innen lernten den technischen Umgang und die Möglichkeiten der Fotografie im Wesentlichen von- und miteinander. Erst 1929 wurde eine Fotoklasse unter der Leitung von Walter Peterhans eingerichtet, mit der das Schulgebäude in Dessau eine Dunkelkammer bekam.
Die Fotografie wurde auch zu Dokumentations- und Publikationszwecken genutzt. So setzte Lucia Moholy die Produkte und Gebäude losgelöst von ihrer Umgebung in Szene. Störende Bildelemente wurden retuschiert, sodass das Objekt singulär im Raum stand. Diese vollständige Abkopplung von der Umgebung förderte ein einheitliches Erscheinungsbild des Bauhauses.
Ähnlich verhielt es sich mit der Nutzung des Mediums Film. Das Bauhaus beteiligte sich mit mehreren Beiträgen an der Filmreihe Wie wohnen wir gesund und wirtschaftlich?. In einer Art Werbefilm für die „Bauhaus-Architektur“ wurden u.a. Außen- und Innenaufnahmen der Meisterhäuser in Dessau gezeigt, in denen Walter Gropius' Frau Ise die Vorteile der modernen, rationellen Küche vorführt.
Musik / Festkultur
Neben Theaterstücken, Vorträgen, Konzerten oder Tanzvorführungen waren große Feste wie das Drachen- oder Lampionfest ein fester Bestandteil im Leben des Bauhauses. Wie Gropius im Bauhaus-Manifest proklamiert hatte, sollte die Gemeinschaft zwischen Meistern und Studierenden auch außerhalb der Arbeit gepflegt werden. Diese Zusammenkünfte und Feste fanden oft anlässlich kultureller Ereignisse statt. Neben der sozialen Komponente boten sie auch die Möglichkeit zu künstlerischen Experimenten.
Die Feste wurden von allen Werkstätten gemeinschaftlich gestaltet. Der Aufwand war enorm und die Vorbereitungen begannen bereits Wochen vor dem Ereignis. So wurden neben Kostümen und Masken auch die Gebäude dekoriert sowie Einladungen oder Plakate entworfen. In Weimar stellten diese Anlässe ein wichtiges Ereignis in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit ausbleibender Aufträge dar. Zugleich waren sie ein wichtiger Teil der internen und externen Kommunikation am Bauhaus. Besonders die großen Kostüm- und Drachenfeste waren öffentliche Ereignisse, die Besucher*innen von nah und fern anzogen und somit die Bekanntheit des Bauhauses steigerten. Im Rahmen der Feste gab es zum Beispiel Lesungen von Else Lasker-Schüler, Tanzperformances von Gret Palucca und Vorlesungen von El Lissitzky. Zudem wurde eine Bauhaus-Kapelle ins Leben gerufen, die zunächst vor allem auf Improvisation beruhte. Sie etablierte auch den legendären „Bauhaus-Pfiff“ als Aufforderung zum Tanz. Später orientierten sich die Musiker immer mehr an Einflüssen des Jazz und professionalisierten sich zunehmend.
Neben den offiziellen Festen wurden auch persönliche Ereignisse wie die Einbürgerung von Wassily Kandinsky gemeinsam gefeiert.
Theater / Tanz
Ähnlich wie die Arbeit in den Werkstätten war auch die Bühne des Bauhauses gemeinschaftlich ausgerichtet. Als großes Experimentierfeld für Körper und Raum bot sie ebenfalls die Möglichkeit, die verschiedenen Künste zu vereinen.
Die Bühnenwerkstatt wurde 1921 unter der Leitung von Lothar Schreyer in Weimar gegründet. Schreyer war zuvor Teil der Sturm-Bühne in Berlin gewesen und widmete sich nun auch am Bauhaus expressionistischen Theaterinszenierungen. So führte die Bühnenklasse die Stücke Mondspiel und Kreuzigung auf. Bereits 1923 wurde Schreyer von Oskar Schlemmer abgelöst, der die Bühnenklasse nachhaltig prägte. In Abkehr vom klassischen Theater konzentrierten sich die Studierenden der Bühnenklasse auf bildnerische Bühnenelemente und die Auseinandersetzung mit veränderten Wahrnehmungsformen. Zwei von Schlemmers Stücken fanden besonders auch international Beachtung. Im Triadischen Ballett steht der abstrakte, geradezu mechanische „Tanz“ im Mittelpunkt, der durch überdimensionale, geometrische „Ganzkörpermasken“ zu einer Bewegungsstudie wird. Beim Stäbetanz bewegen sich die Darsteller*innen in schwarzen Kostümen mit langen Latten an ihrem Körper in einem abgedunkelten Raum und erzeugen so abstrakte Formen. In Dessau markierte die Bühne das Zentrum des neuen Schulgebäudes und konnte zudem mit der sich daneben befindenden Kantine zu einem doppelt so großen Raum erweitert werden. Finanziell war die Bühnenwerkstatt stets schlechter als die anderen Werkstätten gestellt. Nach dem Weggang von Oskar Schlemmer wurde sie sogar aufgelöst.
Auch außerhalb der Arbeit der Bühnenklassen fanden häufig Tanzdarbietungen statt. So tanzten beispielsweise Gret Palucca und Karla Grosch, eine ehemalige Schülerin Paluccas, auf der Bauhausbühne.